Mit diesen Gruselgeschichten machen europäische Eltern ihren Kindern Angst

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Mit diesen Gruselgeschichten machen europäische Eltern ihren Kindern Angst

Wir haben unsere europäischen Kollegen gefragt, mit welchen Erzählungen sie damals um den Schlaf gebracht wurden.

Anscheinend ist es an keinem Ort dieser Erde wirklich einfach, Kinder dazu zu bringen, auf einen zu hören. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum Eltern aus allen möglichen europäischen Ländern (und sicher auch anderswo auf der Welt) ihren Kindern nun schon seit Jahrhunderten Geschichten über Monster, Mörder und Hexen erzählen, die nachts umherziehen und dabei den Kindern schreckliche Dinge antun, die nicht gehorchen wollen oder sich nicht artig verhalten.

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Vom Krampus über eine Mörder-Mutter bis hin zum Mann mit dem Sack zeigen wir euch hier nun Land für Land, mit welchen oft schon lange bestehenden Geschichten den Kindern Angst eingejagt sowie Vernunft und Tugend beigebracht werden soll.

Die gruselige, blinde Hexe aus Russland (Polen)

Bei Baba Jaga handelt es sich um eine böse Hexe, die in vielen polnischen Kinderbüchern zu finden ist—eine wirklich einheitliche Version gibt es dabei allerdings nicht. Falls du dich jedoch mit deinen Eltern streiten und deshalb von zu Hause abhauen solltest, du wirst du dich laut der Erzählungen irgendwann im Wald verlaufen, wo die kinderfressende Baba Jaga entweder in einem Haus mit Hühnerbeinen (ziemlich cool) oder in einem Lebkuchenhaus (ziemlich standard) schon auf dich wartet. Sie fliegt auf einem eisernen Mörser umher, hat ein Knochenbein und wird eigentlich immer von ihrer Katze, Krähe, Eule oder Schlange begleitet. Dazu ist sie noch blind (entweder komplett oder im Ansatz), kann sich aber dank ihres unglaublich ausgeprägten Geruchssinns ohne Probleme zurechtfinden. Das heißt auch, dass Baba Jaga deinen Geruch ganz leicht verfolgen kann. Bilde dir also bloß nicht ein, dass du ihrem Kochtopf entkommen kannst, mein Freund!

Die genaue Herkunft dieser Gruselgeschichte auszumachen, ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Forscher sind sich jedoch einig, dass Baba Jaga eine wichtige Gottheit in der slawischen Mythologie war. Diese Mythologie wurde jedoch leider nie richtig aufgeschrieben und kann jetzt nur noch aus Volkssagen zusammengesetzt werden. Dabei war sie dann entweder eine Waldgöttin, die mit dem Tod in Verbindung stand, oder ein mächtiger Tiergeist. Mit der Einführung des Christentums musste die slawische Bevölkerung Baba Jaga jedoch zu einer Dämonin oder einem Monster degradieren (einige Gelehrte sehen das auch als einen Übergang von der matriarchalen zur patriarchalen Gesellschaft an).

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Zwar ist Baba Jaga auch in anderen slawischen Kulturen zu finden, aber in Polen wird sie immer als bösartiger Charakter dargestellt. In Russland ist das Ganze doch ein wenig freundlicher, denn dort gibt Baba Jaga den Protagonisten der Geschichten oft nützliche und hilfreiche Tipps. Hier in Polen sind wir allerdings schon immer irgendwie davon ausgegangen, dass Baba Jaga russisch sein muss—wohl wegen des nicht gerade typisch polnischen Namens und weil zwischen den beiden Völkern noch nie große Freundschaft herrschte. Die traurige Wahrheit könnte also auch sein, dass wir unseren Kindern nur mit einer alten Katzen-Russin Angst einjagen wollen. Das Gute ist jedoch, dass in allen mir bekannten modernen Versionen dieser Geschichte doch ein wenig Mitgefühl mit Baba Jaga gezeigt wird.

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Der beste Freund vom Nikolaus ist halb Ziegenbock, halb Dämon (Italien)

Im Norden Italiens gibt es nicht nur den Heiligen Nikolaus, sondern auch seinen teuflischen Begleiter namens Krampus. Laut der Geschichten, die uns unsere Großeltern damals immer erzählt haben, taucht der behaarte Teufel—halb Ziegenbock, halb Dämon—um die Weihnachtszeit herum auf und ist dabei mit Ketten, Kuhglocken, einem Bündel Birkenzweige als Rute sowie einem auf dem Rücken getragenen Holzbottich ausgestattet.

Im Gegensatz zum Nikolaus, der brave Kinder mit Geschenken belohnt, ist der Krampus unterwegs, um unartige Kids mit besagter Rute zu verprügeln. Manchmal klettert er nachts auch durchs Fenster, um seine Klauen und Reißzähne unter die Haut der schlafenden Kinder zu jagen. Damit will er die Wut rauslassen, die sich während seines Jahrs in völliger Einsamkeit angestaut hat. Schließlich packt der Krampus die ungezogenen Kinder in seinen Holzbottich und schleppt sie zurück in seine Höhle, wo er sie noch weiter bestraft. Das alles hat den Zweck, die Freunde dieser Kinder dazu zu bringen, sich artig zu verhalten. Das ist doch eine ganz nette Gute-Nacht-Geschichte, oder? Die Sache ist bloß die: Das Ganze ist mehr als nur eine Geschichte. Am 5. Dezember ziehen viele junge Leute beim sogenannten Krampuslauf als Dämonen verkleidet durch die Straßen alpiner Städte und Dörfer und werden dabei oft vom Alkohol angetrieben.

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In Teilen der deutschsprachigen Alpin-Folklore ist die Herkunft des Krampus unklar, aber man ist sich im Allgemeinen einig, dass er eine Verbindung zu vorchristlichen Traditionen hat. Im Jahr 1958 wurde dieses Thema untersucht und dabei stellte man Folgendes fest: „In keiner anderen Form spiegelt sich die volle Aufmachung des gehörnten Hexengotts so gut wider. Abgesehen von der phallischen Bedeutung besteht bei der Rute möglicherweise auch noch ein Zusammenhang mit den Initiationsriten bestimmter Hexenzirkel."

Enthauptete Ziegen-Kinder und gesteinigte Wölfe (Rumänien)

Das Märchen „Die Geiß mit den drei Geißlein" lehrt dir, dass du stirbst, wenn du nicht auf deine Eltern hörst. Eine Ziege hat—wie der Name des Märchens schon verrät—drei Kinder. Zwei davon sind ungezogen, eins ist brav. Die Ziege muss eines Tages kurz weg und weist die Kinder an, die Tür verschlossen zu halten, bis sie zurückkommt und ihre Stimme zu hören ist. Ein Wolf bekommt das alles mit und versucht, die Stimme der Ziege nachzuahmen. Allerdings schafft er es nicht, die Kinder zu überzeugen. Deshalb geht er zu einem Schmied, lässt sich seine Zunge sowie seine Zähne anspitzen und versucht sein Glück erneut. Dieses Mal fallen die zwei ungezogenen Kinder auf ihn herein und öffnen die Tür—allerdings verstecken sich die drei kleinen Ziegen dann schnell. Das brave Kind stellt sich dabei am besten an und überlebt deswegen auch den Angriff. Die anderen beiden werden vom Wolf gefressen, der nur ihre Köpfe übrig lässt und damit das Fensterbrett verziert. Dabei setzt er ihnen allerdings ein Lächeln auf, um die Ziegen-Mutter glauben zu lassen, dass sich ihre Kinder freuen und alles gut ist. Danach beschmiert er noch die Wände mit Blut und verlässt das Haus wieder.

Als die Mutter dann zurückkommt, erzählt ihr ihr braves Kind alles und sie entschließt sich, den Wolf zu einem Abendessen zu Ehren ihrer beiden toten Ziegen-Kinder einzuladen. Dabei gibt sie vor, nicht zu wissen, wer für deren Tod verantwortlich ist. Beim Essen sitzt der Wolf dann auf einem Wachsstuhl, den die Ziegen-Mutter anzündet. So verbrennt der Wolf bei lebendigem Leib, während er von den beiden Ziegen noch mit Steinen beworfen wird. Ende.

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Der berühmte Schriftsteller Ion Creangă schrieb diese Geschichte im Jahr 1875 und sie ist auch heute noch fester Bestandteil der Lehrpläne für Kinder zwischen zweieinhalb und fünf Jahren. Damit soll ihnen gezeigt werden, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man nicht auf seine Mutter hört, und was mit den Leuten passiert, die Schlechtes tun. Und irgendwie sollen die Kinder durch diese Geschichte auch lernen, ihre Gefühle besser auszudrücken.

Männer, die sich die Eingeweide von Kindern auf die Brust reiben (Spanien)

In Spanien erzählt man sich die Geschichte vom „Mann mit dem Sack". Das Ganze ist eigentlich ziemlich selbsterklärend: Darin geht es um einen hässlichen, alten Typen, der nachts mit einem leeren Sack durch die Straßen zieht und dabei Kinder einsammelt, die entweder kein Zuhause haben, die sich tagsüber unartig benommen haben oder die nicht ins Bett gehen wollen. Die steckt er dann in seinen Sack und keiner weiß, wo er sie letztendlich hinbringt oder was er mit ihnen anstellt.

Der verstörendste Teil dieser Geschichte ist der, dass dieser Mann wirklich existiert hat—also auf eine gewisse Art und Weise, denn es waren mehrere Personen beteiligt.

1910 gab es in der südspanischen Stadt Almería laut der Polizeiakten einen Mann mit dem Spitznamen „el Moruno". Dieser Mann bezahlte einen Quacksalber dafür, ihn von seiner Tuberkulose zu befreien. Der „Arzt" empfahl ihm daraufhin, das Blut eines Kindes zu trinken sowie dessen Eingeweide auf der Brust zu verreiben. Und genau so kam es dann auch. Der Quacksalber entführte zusammen mit zwei anderen Männern ein Kind und steckte es dabei—richtig geraten—in einen Sack. Anschließend schnitt er dessen Achselhöhle auf, um Blut abzuzapfen. Dieses Blut servierte er dann „el Moruno". Danach schlugen die Männer noch den Schädel des Kindes mit einem Stein ein. Daraufhin folgte die Schlachtung: Der Quacksalber öffnete den Bauch des Jungen, entnahm das Fettgewebe sowie die Innereien und verrieb das Ganze schließlich auf der Brust seines Patienten. Damit war der Job erledigt, aber ein Streit über die Bezahlung brachte einen der involvierten Männer dazu, zur Polizei zu gehen und alles zu gestehen. Jeder, der sich an diesem grauenhaften Mord beteiligt hatte, wurde zum Tode verurteilt.

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Einige Bewohner von Almería erinnern sich auch heute noch an die Lieder, die man damals über das schreckliche Verbrechen sang. Das Ganze war so abscheulich, dass wir unseren Kindern immer noch mithilfe des „Mannes mit dem Sack" Angst einjagen.

Der Vater, der die gekochte Leber seines eigenen Sohns vorgesetzt bekommt (Griechenland)

Die „Mörder-Mutter" ist eine klassische Volkssage bzw. ein Lied, das griechische Großmütter ihren Enkelinnen vorsingen.

Dabei geht es um Constantin, den einzigen Sohn einer Familie. Er kommt eines Tages von der Schule nach Hause und erwischt seine Mutter dabei, wie sie mit einem fremden Mann schläft. Er droht damit, seinem Vater von der Affäre zu erzählen, und will auch nach verzweifeltem Bitten und Flehen der Mutter nicht davon abweichen. Daraufhin wird er auf sein Zimmer geschickt, wo ihn seine Mutter umbringt und anschließend seine Leber kocht. Als Constantins Vater dann nach Hause kommt, fragt er sich, wo sein Sohn steckt. Die Mutter meint daraufhin, dass er noch in der Schule ist. Dort wird dem Vater aber nur gesagt, dass Constantin schon längst nach Hause gegangen wäre.

Schließlich setzt die Mutter dem Vater Constantins Leber vor. Da erscheint plötzlich der Geist des umgebrachten Jungen und verrät alles—von der Affäre über den Mord bis hin zur Wahrheit über die Leber. Natürlich ist der Vater deswegen leicht angesäuert und entschließt sich dazu, die Mutter mit einem Schwert zu enthaupten.

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Viele Historiker gehen davon aus, dass diese Geschichte im 16. oder 17. Jahrhundert geschrieben wurde. Dabei ist sie in unterschiedlichen Versionen in vielen lokalen Volkserzählungsbänden zu finden. Angeblich sollen mit der Moral dieser Geschichte junge Mädchen vor unartigem Benehmen gewarnt werden. Alles klar.

Die Trolle, die in deinem Mund hausen (Dänemark)

Das Märchen von „Karius und Baktus" soll uns eigentlich beibringen, sich die Zähne zu putzen und gesunde Nahrung zu essen. Im Grunde sagt die Geschichte, dass sonst bedrohliche Trolle deine Zähne aufsprengen, darin kleine Trollhäuser errichten und sich in den Lücken niederlassen.

Die Geschichte geht in etwa so: Ein kleiner Junge namens Jens hat schlechte Zähne und ein Kariesloch, weshalb der schwarzhaarige Zahntroll Karius und sein rothaariger Zahntroll-Bruder Baktus die Zähne aushöhlen, sie zu farbenprächtigen Häusern ausbauen und ein erfolgreiches Leben in Jens' Mund führen.

Die sadistischen, Axt schwingenden, kleinen Arschlöcher verbringen ihre Tage damit, Reime über ihre Lieblingssüßigkeiten zu dichten und bedrohlich vor sich hin zu singen, während sie in ihrem Zahnheim herum hämmern und meißeln und nebenbei über die Vorzüge der Niederlassung zwischen Backen- und Schneidezähnen debattieren.

Ihre größte Angst ist, wie ihr euch denken könnt, die Zahnbürste, weshalb sie es sehr begrüßen, dass Jens „sich seit Wochen nicht die Zähne geputzt hat". Beide Trolle frösteln bei der Erinnerung an die düsteren Zeiten, als Jens noch Karotten und Vollkornbrot zu sich genommen hat.

Am Ende bekommt Jens aber seinen Scheiß auf die Reihe, geht zum Zahnarzt und wird die üblen Zahntrolle ein für alle Mal los.

Diese gemütliche Geschichte stammt ursprünglich vom norwegischen Kinderautor, Liedermacher und Illustrator Thorbjørn Egner aus dem Jahr 1949 und wurde 1958 als folkloristische Kindererzählung für viele kommende Generationen nach Dänemark eingeführt. Heute gibt es sie als Buch und sogar als Hörbuch, erzählt von einem unserer gefeierten dänischen Schauspieler, Dirch Passer, den sonst vermutlich niemand kennt, aber der sich bei uns inzwischen genauso in die Köpfe eingenistet hat wie die Zahntrolle aus der Geschichte in unsere Kinderzähne.