Anscheinend ist es an keinem Ort dieser Erde wirklich einfach, Kinder dazu zu bringen, auf einen zu hören. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum Eltern aus allen möglichen europäischen Ländern (und sicher auch anderswo auf der Welt) ihren Kindern nun schon seit Jahrhunderten Geschichten über Monster, Mörder und Hexen erzählen, die nachts umherziehen und dabei den Kindern schreckliche Dinge antun, die nicht gehorchen wollen oder sich nicht artig verhalten.
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Vom Krampus über eine Mörder-Mutter bis hin zum Mann mit dem Sack zeigen wir euch hier nun Land für Land, mit welchen oft schon lange bestehenden Geschichten den Kindern Angst eingejagt sowie Vernunft und Tugend beigebracht werden soll.
Die gruselige, blinde Hexe aus Russland (Polen)
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Zwar ist Baba Jaga auch in anderen slawischen Kulturen zu finden, aber in Polen wird sie immer als bösartiger Charakter dargestellt. In Russland ist das Ganze doch ein wenig freundlicher, denn dort gibt Baba Jaga den Protagonisten der Geschichten oft nützliche und hilfreiche Tipps. Hier in Polen sind wir allerdings schon immer irgendwie davon ausgegangen, dass Baba Jaga russisch sein muss—wohl wegen des nicht gerade typisch polnischen Namens und weil zwischen den beiden Völkern noch nie große Freundschaft herrschte. Die traurige Wahrheit könnte also auch sein, dass wir unseren Kindern nur mit einer alten Katzen-Russin Angst einjagen wollen. Das Gute ist jedoch, dass in allen mir bekannten modernen Versionen dieser Geschichte doch ein wenig Mitgefühl mit Baba Jaga gezeigt wird.Im Norden Italiens gibt es nicht nur den Heiligen Nikolaus, sondern auch seinen teuflischen Begleiter namens Krampus. Laut der Geschichten, die uns unsere Großeltern damals immer erzählt haben, taucht der behaarte Teufel—halb Ziegenbock, halb Dämon—um die Weihnachtszeit herum auf und ist dabei mit Ketten, Kuhglocken, einem Bündel Birkenzweige als Rute sowie einem auf dem Rücken getragenen Holzbottich ausgestattet.Im Gegensatz zum Nikolaus, der brave Kinder mit Geschenken belohnt, ist der Krampus unterwegs, um unartige Kids mit besagter Rute zu verprügeln. Manchmal klettert er nachts auch durchs Fenster, um seine Klauen und Reißzähne unter die Haut der schlafenden Kinder zu jagen. Damit will er die Wut rauslassen, die sich während seines Jahrs in völliger Einsamkeit angestaut hat. Schließlich packt der Krampus die ungezogenen Kinder in seinen Holzbottich und schleppt sie zurück in seine Höhle, wo er sie noch weiter bestraft. Das alles hat den Zweck, die Freunde dieser Kinder dazu zu bringen, sich artig zu verhalten. Das ist doch eine ganz nette Gute-Nacht-Geschichte, oder? Die Sache ist bloß die: Das Ganze ist mehr als nur eine Geschichte. Am 5. Dezember ziehen viele junge Leute beim sogenannten Krampuslauf als Dämonen verkleidet durch die Straßen alpiner Städte und Dörfer und werden dabei oft vom Alkohol angetrieben.
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Der beste Freund vom Nikolaus ist halb Ziegenbock, halb Dämon (Italien)
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In Teilen der deutschsprachigen Alpin-Folklore ist die Herkunft des Krampus unklar, aber man ist sich im Allgemeinen einig, dass er eine Verbindung zu vorchristlichen Traditionen hat. Im Jahr 1958 wurde dieses Thema untersucht und dabei stellte man Folgendes fest: „In keiner anderen Form spiegelt sich die volle Aufmachung des gehörnten Hexengotts so gut wider. Abgesehen von der phallischen Bedeutung besteht bei der Rute möglicherweise auch noch ein Zusammenhang mit den Initiationsriten bestimmter Hexenzirkel."
Enthauptete Ziegen-Kinder und gesteinigte Wölfe (Rumänien)
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Der berühmte Schriftsteller Ion Creangă schrieb diese Geschichte im Jahr 1875 und sie ist auch heute noch fester Bestandteil der Lehrpläne für Kinder zwischen zweieinhalb und fünf Jahren. Damit soll ihnen gezeigt werden, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man nicht auf seine Mutter hört, und was mit den Leuten passiert, die Schlechtes tun. Und irgendwie sollen die Kinder durch diese Geschichte auch lernen, ihre Gefühle besser auszudrücken.In Spanien erzählt man sich die Geschichte vom „Mann mit dem Sack". Das Ganze ist eigentlich ziemlich selbsterklärend: Darin geht es um einen hässlichen, alten Typen, der nachts mit einem leeren Sack durch die Straßen zieht und dabei Kinder einsammelt, die entweder kein Zuhause haben, die sich tagsüber unartig benommen haben oder die nicht ins Bett gehen wollen. Die steckt er dann in seinen Sack und keiner weiß, wo er sie letztendlich hinbringt oder was er mit ihnen anstellt.Der verstörendste Teil dieser Geschichte ist der, dass dieser Mann wirklich existiert hat—also auf eine gewisse Art und Weise, denn es waren mehrere Personen beteiligt.1910 gab es in der südspanischen Stadt Almería laut der Polizeiakten einen Mann mit dem Spitznamen „el Moruno". Dieser Mann bezahlte einen Quacksalber dafür, ihn von seiner Tuberkulose zu befreien. Der „Arzt" empfahl ihm daraufhin, das Blut eines Kindes zu trinken sowie dessen Eingeweide auf der Brust zu verreiben. Und genau so kam es dann auch. Der Quacksalber entführte zusammen mit zwei anderen Männern ein Kind und steckte es dabei—richtig geraten—in einen Sack. Anschließend schnitt er dessen Achselhöhle auf, um Blut abzuzapfen. Dieses Blut servierte er dann „el Moruno". Danach schlugen die Männer noch den Schädel des Kindes mit einem Stein ein. Daraufhin folgte die Schlachtung: Der Quacksalber öffnete den Bauch des Jungen, entnahm das Fettgewebe sowie die Innereien und verrieb das Ganze schließlich auf der Brust seines Patienten. Damit war der Job erledigt, aber ein Streit über die Bezahlung brachte einen der involvierten Männer dazu, zur Polizei zu gehen und alles zu gestehen. Jeder, der sich an diesem grauenhaften Mord beteiligt hatte, wurde zum Tode verurteilt.
Männer, die sich die Eingeweide von Kindern auf die Brust reiben (Spanien)
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Einige Bewohner von Almería erinnern sich auch heute noch an die Lieder, die man damals über das schreckliche Verbrechen sang. Das Ganze war so abscheulich, dass wir unseren Kindern immer noch mithilfe des „Mannes mit dem Sack" Angst einjagen.
Der Vater, der die gekochte Leber seines eigenen Sohns vorgesetzt bekommt (Griechenland)
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Viele Historiker gehen davon aus, dass diese Geschichte im 16. oder 17. Jahrhundert geschrieben wurde. Dabei ist sie in unterschiedlichen Versionen in vielen lokalen Volkserzählungsbänden zu finden. Angeblich sollen mit der Moral dieser Geschichte junge Mädchen vor unartigem Benehmen gewarnt werden. Alles klar.