Mit Molotows gegen Tränengas: Fotos vom 1. Mai in Istanbul

FYI.

This story is over 5 years old.

News

Mit Molotows gegen Tränengas: Fotos vom 1. Mai in Istanbul

Während wir Open-Air-Raves veranstalten, liefert man sich am 1. Mai in der Türkei richtige Straßenschlachten. Robin Hinsch war mit seiner Kamera dabei.

Robin Hinsch war am 1. Mai in Istanbul, wo man den Tag noch mit deutlich mehr revolutionärem Einsatz begeht als bei uns. Vor allem im mehrheitlich alevitischen Viertel Okmeydani entlud sich die über Monate gegen Erdogan aufgestaute Wut in heftige Straßenschlachten mit der Polizei.

In dem Viertel ist auch die Gruppe DHKP-C sehr präsent, die am 31. März einen Staatsanwalt als Geisel genommen hatte, um gegen die mangelnde Strafverfolgung von gewalttätigen Polizisten während der Gezi-Unruhen zu protestieren. Die Geiselnahme wurde von türkischen Spezialeinheiten beendet, wobei beide Entführer und die Geisel erschossen wurden.

Anzeige

Unser Video zur DHKP-C:

Kurz zuvor hatte die türkische Regierungspartei AKP strenge Verschärfungen des Demonstrationsrechts beschlossen, die der Polizei unter anderem erlauben, Schusswaffen gegen Demonstranten einzusetzen, die Brandsätze, Sprengstoff, brennbare Stoffe oder sonstige „verletzende Waffen" tragen oder benutzen. Trotzdem hatten Gewerkschaften, Oppositionsparteien und Aktivisten angekündigt, am 1. Mai zu demonstrieren. Den Tag in Istanbul zu verbringen, war also nicht ganz ungefährlich. Wir haben Robin Hinsch gefragt, wie er es erlebt hat.

VICE: Warum bist du ausgerechnet nach Okmeydani gegangen?
Robin Hinsch: Okmeydani ist ein Bezirk, in dem der Widerstand am 1. Mai gipfelt. Der Stadtteil wird auch sonst eher von den Einwohnern organisiert, die Polizei hat da nicht immer die totale Kontrolle. Ich hatte gehört, dass das ein Pulverfass ist, und bin dann da frühmorgens hin.

Warum wurde da genau demonstriert?
Dieser Bezirk ist sehr alevitisch und kurdisch, und das sind die Gruppen, die von Erdogan nicht so ganz geschätzt werden. Es ging also um den Kampf für Kurdistan, vor allem um Kobane, Syrien, ISIS—und die Unterstützung, die die von der türkischen Regierung kriegen.

Wie lief der Tag dann ab?
Eigentlich fand alles in einer Straße statt. Die Polizei stand oben auf dem Berg und schoss das Tränengas runter, und die Leute haben versucht, diesen Gipfel zu stürmen. Das haben sie natürlich nicht geschafft, und gegen 19 Uhr waren sie von dem ganzem Tränengas dann auch so erschöpft, dass sich das Ganze beruhigte.

Anzeige

Hatten die Demonstranten Angst, weil die Polizei jetzt scharfe Munition einsetzen darf?
Die Leute, die da Molotowcocktails geworfen haben, haben schon gesagt, dass man genau aufpassen soll, was da zurückkommt. Den Leuten war das also durchaus bewusst, aber die Kurden sind da eher hart: Also, die Ansage war, wenn die Polizei einen Gang höher schaltet, dann schalten wir auch einen Gang höher.

Aber die Polizei hat sich zurückgehalten?
Ja, die Polizei hat nur massiv Tränengas und Gummigeschosse verschossen, und diese Schockgranaten, die einfach wie ein riesiger Böller explodieren. Und die hatten so Paintballgewehre, mit denen sie Gummigeschosse verschießen können, die gleichzeitig auch Pfefferspray sind.

Hattest du Angst, als es losging?
Nein, eigentlich habe ich mich ganz gut aufgehoben gefühlt, weil die Leute drauf geachtet haben, dass da alle heil rauskommen. Und wenn man sich mit erhobenen Kameras an die Straße gestellt hat, haben einen die Polizisten auch verschont. Natürlich ist ein gewisses Maß an Skepsis gesund.