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Mode

Das einzige Supermodel im kommunistischen Rumänien

Für Romaniţa Iovan war Kommunismus im wahrsten Sinne des Wortes mal groß in Mode.

Das Modemagazin Moda hatte keine eigenen Fotografen, nur Freie. Dinu Lazăr zum Beispiel war Filmregisseur.

Wenn ich etwas von Popkultur weiß, dann, dass sie in kommunistischen Ländern miserabel war. Alles war aus Beton und Dreck erbaut, und die Menschen waren gezwungen, Traktoren zu heiraten. Ich war also nicht überrascht, als ich hörte, dass der Kommunismus keine gute Zeit für die rumänische Mode war. Die Mode wurde, wie jeder andere Industriezweig, vom Staat gelenkt. Kleidung wurde nur in einem Geschäft verkauft, Romarta. Romarta verkaufte ausschließlich Kleidung von Schneidergewerkschaften, mit eingängigen Namen wie UCECOM (Nationale Handwerkergenossenschaft) und UCMB (Bukarester Vereinigung der Handwerkergenossenschaft). Die Materialien wurden von einem staatlichen Zulieferer bezogen. Nur einem winzig kleinen Funken Glamour war es erlaubt, fast frei über allem zu schweben. Die Regierung beschäftigte ein Aufgebot von 25 Models, die zusammen mit ausgewählten Designern die halbjährige Fashionshow ausrichteten. Eigentlich waren alle Models gleich, bis auf Romaniţa Iovan. An einem regnerischen Morgen habe ich sie in ihrem Büro getroffen. VICE: Es ist für mich ziemlich aufregend, dich zu treffen. Wie bist du dazu gekommen, Model zu werden?
Romaniţa Iovan: Als ich an der Uni war, habe ich zufällig einen Casting-Aufruf in der Zeitung gesehen. Ein Mädchen gab ihren Job auf, um im Ausland zu heiraten, und deswegen musste man sie schnell für eine bevorstehende Show ersetzen. Ich hatte ihre Größe, also passte es. Ich nahm an der Endausscheidung für diesen Job teil—das war der einzige Konkurrenzkampf, den ich während des kommunistischen Regimes miterlebte. Die Jury bewertete alles ziemlich subjektiv und in ihr saßen der Hauptbuchhalter der Partei, sein Wirtschaftsleiter und der Chefredakteur des Moda-Magazins, die einzige Person, die überhaupt etwas mit Mode zu tun hatte. Sie waren an meinem sozialen Status und meinem Verhältnis zum Staat interessiert—denn man durfte nur ins Ausland reisen, wenn man eine saubere Weste vorweisen konnte. Wir waren ja schließlich Teil der Kommunistischen Internationale und reisten häufig in ehemals kommunistische Länder wie die DDR, die Sowjetunion und in die Tschechoslowakei.

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Wie war es, Teil dieser kleinen Oase der Freiheit zu sein?
Damals war die UCECOM in einer wunderschönen Residenz untergebracht, die aus mehreren Villen bestand. Ihr inoffizieller Name lautete Ministerium der Genossenschaften und die Welt hier war anders als die graue Welt, in der die meisten Menschen lebten. Sogar während des Kommunismus war die Welt der Mode farbenprächtig. Zwar wurde ich kontinuierlich von einem Sicherheitsbeamten beobachtet, doch diesen Preis zahlte ich gerne für meinen Luxus. Wie wurden die Designer ausgewählt?
Obwohl es einige Auswahlkriterien gab, wurden diese doch nie angewandt. Soweit ich weiß, waren es während des Kommunismus immer dieselben. Sie lieferten jährlich zwei Kollektionen ab, die in Fabriken hergestellt wurden, die ausschließlich von rumänischen Zulieferern beliefert wurden. Die Klamotten waren noch nicht für die Massenproduktion vorgesehen. Sie waren bloß dafür da, die Trends für das nächste Jahr den Genossenschaften vorzuführen, die sich dann entschieden, welche Modelle sie für die Bevölkerung produzieren möchten.

Romaniţa (Mitte) und Fotograf Dinu Lazăr, der sein eigenes Zelt mitgebracht hat, damit die Models sich ungestört umziehen konnten. Gab es irgendwelche zensierten Kleidungsstücke?
Wenn sie etwas zensierten, dann taten sie dies noch in der Skizze. Wenn an einer Skizze etwas ausgesetzt wurde, veränderte man sie soweit, bis sie akzeptiert wurde. Eigentlich wurde nicht viel zensiert. Sie erlaubten uns tiefe Ausschnitte, Miniröcke, die bis zur Mitte unserer Oberschenkel gingen, und hautenge Kleider. Sie verboten uns nie ein bestimmtes Kleidungsstück auf dem Laufsteg, irgendwann wurden wir jedoch angewiesen, keinen Schmuck mehr zu tragen, um Bescheidenheit zu propagieren. Die Produkte, die für den Export entwickelt wurden, unterschieden sich von denen für den rumänischen Markt. Die Kleidungsstücke, die wir in der Tschechoslowakei oder der Sowjetunion präsentierten, waren viel strenger. Was waren die Quellen der Inspiration?
UCECOM hatte eine Sammlung von 50 Modezeitungen aus nicht-kommunistischen Ländern und 70 aus kommunistischen Staaten. Diese Sammlung enthielt viele Informationen, die man sonst nirgends bekommen hätte. Es war das Pflichtprogramm eines jeden Designers und Models, einmal in der Woche diese Magazine zu durchforsten.

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Romanita (links) während eines Modeshootings für das Magazin Moda. Heute sind Designer Superstars. Wie war ihr Status während des Kommunismus?
Niemand kannte einen bestimmten Designer. Eine Kooperation von mehreren Designern wurde von der Gewerkschaft ausgewählt, die keinen Wert auf die Individualität der Designer legten. Die Designer hatten bestimmte Aufgabenfelder. Einige entwarfen bloß Kleidungsstücke, andere Strickware und wieder andere waren für Schuhe zuständig. Neben der Arbeit für die Regierung, die ihnen das Einkommen sicherte, hatten sie auch noch private Aufträge. Ihre größte Freiheit bestand darin, sich ihre eigenen Models aussuchen zu dürfen. Nur die besten Designer hatten jedoch dieses Privileg.

Romanita trägt ihre eigenen Kleider in einer Anzeige für eine rumänische Fluggesellschaft. Wie war es, im Kommunismus Model zu sein?
Wir waren ja bloß 25 Models im ganzen Land und es gab auch keine Modelschule. Wir waren im Grunde Autodidakten. Wir brachten uns selber bei, wie wir auf dem Laufsteg laufen mussten und wie wir unsere Haare und unser Make-up machten. Wir ließen uns also die professionellen Produkte aus dem Ausland, von einem Bekannten, der jemanden kannte, der jemanden kannte, nach Rumänien schmuggeln. Dennoch war es ein richtiger Job. Auf meiner Gewerkschaftskarte stand: „Model - Modepräsentatorin“. Wie wurden die Models bezahlt?
Im Gegensatz zu allen Anderen, die täglich acht Stunden arbeiten mussten, hatten wir nur einen Sechs-Stunden-Tag. Wir bekamen den gleichen Lohn wie die Designer und da wir für die Genossenschaft arbeiteten, bekamen wir unseren fixen Lohn monatlich, selbst wenn wir keine Aufträge hatten. Wir konnten dazu noch gratis zur Schönheitspflege.

Ein weiteres Foto für Moda. Wie waren die Modenschauen organisiert?
Sie dauerten drei Tage und wurden im luxuriösesten Hotel von Bukarest abgehalten, dem Intercontinental Hotel. Es war das einzige Hotel, in dem internationale Touristen untergebracht werden durften. Es gab die Shows am Morgen, die für die Modeexperten abgehalten wurden, und die Abendshows für ausgewählte Gäste. Eine Show dauerte über eine Stunde und begann immer mit von Folklore inspirierter Kleidung. Ausländische Musik war verboten. Sie spielten hauptsächlich Aura Urziceanu. Wie denkst du heute über dein Leben als Model zu dieser Zeit?
Das waren die besten Jahre meines Lebens und die Erfahrungen, die ich sammeln konnte, haben mir dabei geholfen, meine Fähigkeiten als Modedesignerin zu entdecken. Aber ich bin sehr froh darüber, dass wir nun Teil der weiten Welt sind.

Fotos von Dinu Lazăr