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Sex

Muschis sind hässlich

Ich muss dem Gesetzesgeber leider in diesem Fall recht geben: Muschis sind zu hässlich, um sie zu veröffentlichen.

Ich las von einer Studentenzeitschrift, die ihr Cover mit Vaginas bedrucken wollte und fand das absolut vorbildlich. Die beteiligten Leute schienen eine geniale Idee zu haben: Achtzehn hervorragende Studentinnen der Sydney University wollten ihre Genitalien für das College-Magazin Honi Soit fotografieren lassen. Der Plan war, sie alle aufs Titelblatt zu bringen und der Öffentlichkeit so einen Blick auf Vulven jenseits von Sex und Pornos zu gewähren. Man sollte Vaginen ohne Airbrush-Behandlungen sehen und über sie nachdenken; sehen, wie sie aussehen, wenn sie nicht so süß und rosa wie ein Baby sind oder einen dicken Viagraschwanz in sich gerammt haben.

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Dasselbe Magazin hatte einmal einen erschlafften Penis auf dem Cover, als Reaktion auf das Penis-Cover einer anderen Zeitschrift. Da damals niemand ein Wort darüber verlor, dachte man, die Vaginen wären sicherlich auch OK.

Doch das war nicht der Fall!

Sie waren obszön! Die Anwälte der Universität verboten die Vaginas, denn offensichtlich ist es so, dass sie in Verbindung zu Porno stehen, sexy und einfach fehl am Platz sind. Ganz zu schweigen davon, dass es verrückt, böse und gefährlich ist, sie zu betrachten.

Um Gottes Willen, dachte ich, das ist doch Wahnsinn. Das Magazin wurde trotzdem gedruckt, mit kleinen schwarzen Balken über den Schlitzen, so als müssten Münder zum Schweigen gebracht werden, was ja irgendwie auch so war. Weil die Drucker nicht richtig funktionierten, waren die Schwärzungen durchsichtig, sodass man noch eine ausreichende Menge an Vulven sehen konnte. Daraufhin zogen die Behörden das Magazin ein und kündigten an, das Cover zu vernichten. Das war vergangenen Mittwoch—die Herausgeber warten noch immer auf Informationen, ob sie ihre nun coverlose Zeitschrift noch vertreiben können.

Meine Güte, dachte ich. Dies fand immerhin in der selben Woche statt, in der jemand zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er Kriegsverbrechen öffentlich gemacht hat (die Kriegsverbrecher selbst blieben natürlich unbestraft). Man beginnt damit, den menschlichen Körper obszön zu nennen, und endet im Faschismus. Überall werden wir gewaltsam zum Schweigen gebracht. Gibt es eigentlich, abseits der Religion, irgendwelche Gründe dafür, die menschliche Haut als gefährlich anzusehen?

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Mit unserem Gerede über die Trennung von Kirche und Staat halten wir uns für so modern und säkular, doch unsere Hautphobie ist die größte religiöse Altlast in der westlichen Welt. Das ist Schwachsinn, der noch von Adam und Eva und dem verbotenen Apfel stammt. Oder von St. Augustin—jenem reizenden Burschen, der im Mittelalter das Konzept der Erbsünde einführte und behauptete, die Menschheit sei aufgrund ihrer fleischlichen Lüste verdammt. Diese Dinge dachte er sich freilich aus, wenn er gerade nicht mit seiner Geliebten oder seiner elfjährigen Verlobten beschäftigt war.

Meine in einer Nudistenfamilie aufgewachsene Freundin sagt, dass in ihrer Nudistengemeinde noch nie jemand unter Magersucht oder Dysmorphophobie gelitten habe, da der Körper hier nicht als verstecktes, schamvolles Objekt wahrgenommen werde, über den man sich den Kopf zerbrechen müsste. Selbst wenn es kein religiöses Tabu, sondern nur eine kulturelle Norm ist, die uns unsere Geschlechtsmerkmal privat und gesondert behandeln lässt—wusstest du, dass unser Gaumen eine äußerst erogene Zone ist? Simon Cowell fordert seine Sänger jedenfalls nicht dazu auf, beim Singen die Zähne zusammenzubeißen, oder? (Im Ernst, ich habe von einem behinderten Mann gelesen, der andere Behinderte über sexuelle Alternativen informierte, falls bestimmte Körperteile außer Betrieb sind. Daraufhin habe ich seine Anleitungen an meinem Gaumen ausprobiert. Und der ist wirklich verdammt empfindsam. Ich musste kurz aufschreien.)

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Wie auch immer, das waren die Dinge, die mir zur Verteidigung der Zeitschrift durch den Kopf gingen—bis ich runterscrollte und das Bild mit all den Vaginas sah.

Mein Gott.

Zum Glück hatte ich eine erotische Beziehung zu meinem Gaumen aufgebaut, denn all meine progressiven Einstellungen gegenüber der Nacktheit fielen in sich zusammen, als ich es sah. Oder besser: bis ich sie sah.

Es ist, als würde man eine Reihe vergammelter, aus Elefantenohrfalten gemachte Salatköpfe ansehen. Oder einen alternden Elefantensalat. Jede der achtzehn Vaginas sieht aus wie eine aus dem Auge eines toten Mannes tropfende Träne. Wie Erkältungskrankheiten eines maroden Gottes. WAS ZUR HÖLLE IST VERKEHRT MIT MIR, fragt ich mich. Auch ich bin die stolze Besitzerin einer solchen Ziehharmonika, die nicht besser aussieht als die hier abgebildeten. Es fällt mir schwer, meine Augen ein zweites Mal auf die Seite zu richten.

„Schöne Vaginas werden als weich, haarlos und weiß dargestellt. Die Wirklichkeit ist, dass meine Vagina entweder dunkel und haarig oder rosafarben und stoppelig ist“, berichtete eine der Teilnehmerinnen einer anderen Zeitung.

Meine auch, werte Dame. Meine auch.

Warum regt mich dieses Foto mehr auf als das Bild von diesem Olsen-Zwilling, der Präsident Sarkozys unheimlichen Bruder küsst, der vierhundertmal älter ist als sie? Oder das, auf dem J.Los Ex-Mann Marc Anthony mit Philip Greens Tochter Händchen hält? (Ich bin mir sicher, dass sie allesamt liebenswürdige Menschen sind und ich wünsche ihnen in ihren Vergnügungsparks und auf ihren Yachten alles Gute. Aber die Kombination von Geld, Macht und Alter macht diese Szenerien verschroben und fast völlig geschlechtslos.)

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Aber, aber, aber. Ich wollte die sich entfaltenden Blumen so viel besser behandeln, als ich es hier tue. Die goldenen Lotosblumen, wie sie in der chinesischen Philosophie des Taoismus bezeichnet werden. In der Sprache der Chakren sind Vaginen unser zweites Zentrum. Der Heimatort eines jeden Erdbewohners. Ich habe Naomi Wolfs Vagina-Biographie gelesen. Sie ist großartig, voll von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, wie und warum Frauen Orgasmen haben. Ich habe sie geliebt. Allerdings war sie nur mit Diagrammen, nicht mit Fotos ausgestattet.

Jetzt überlege ich also, wie ich mich in das Foto verlieben kann. Denn dies wäre offensichtlich der notwendige Schritt, um meinen Worten Taten folgen zu lassen und uns in unserer faltigen, tollen Hautigkeit zu akzeptieren. Ich könnte das Bild an meine Schlafzimmerwand hängen.

„Das sind Schamlippen“, schreiben die Herausgeber der Zeitschrift in ihrem Statement. „Untersteh dich, mir zu erzählen, du würdest dich durch meinen Körper angegriffen fühlen.“

Sie haben recht. Wir alle sind nur aufrecht gehende Affen, die Baumwolle zu Kleidung verarbeiteten, sich damit bedeckten und dann ein seltsames neues Gefühl namens Scham schufen. Es ist Zeit, all dies rückgängig zu machen. Es gibt nur eine Lösung.

Ich ziehe in eine Nudistenkolonie in Wales.

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