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Musik

Bretons Chaostheorie

Breton befinden sich derzeit in dieser merkwürdigen Phase, die man wohl am besten als Ruhe vor dem Sturm bezeichnen könnte, bevor der ganze Hype losbricht.

Breton befinden sich derzeit in dieser merkwürdigen Phase, die man wohl am besten als Ruhe vor dem Sturm bezeichnen könnte. Bei uns gelten sie noch als Geheimtipp, während sie in London bereits die Elektro-Newcomerband sind und von allen Seiten gehypt und hochgelobt werden. Gerne teilen wir unsere Geheimtipps mit euch. Fragt jetzt aber nicht, wonach Breton eigentlich klingen. Ihr Sound ist zum Glück einigermaßen undefinierbar und möglicherweise hat man nur außerhalb unseres Sonnensystems Kategorien dafür. Viel wichtiger ist sowieso, dass Roman Rappak, der Kopf der Band, uns im Interview beibrachte, wie man Exquisit Corpse spielt.

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VICE: Also du gibst seit einer Woche Interviews?

Roman:

Ja.

Im Ernst? Wow. Ich wohne im Moment im Hostel und es geht mir furchtbar auf die Nerven, die immer wieder gleichen Fragen zu hören.

Was fragen sie dich?

Es geht die ganze Zeit: Hey, wer bist du? Wo kommst du her? Was machst du so? …

Ja ja. Ich denke das sind Fragen der nervenden Art, aber ich werde von Leuten befragt, die mein Album gehört haben und die versuchen es zu verstehen. Ich selber versuche auch immer noch, es zu verstehen. Also helfen wir uns dabei.

Wie kann ich dir helfen? Was ist deine erste musikbezogene Erinnerung?

Uhm… Tetris. Mit den Kopfhörern auf den Ohren unter der Decke versteckt, während da diese Tetrismelodie lief.

Stimmt. ich denke wir haben da alle das gleiche gemacht. Ich stand ein bisschen auf Super Mario und die Melodie.

Ja genau. Ich denke, es ist interessant, dass da eine ganze Generation mit elektronischer Musik aufgewachsen ist, ohne es bewusst wahrzunehmen. Für mich ist diese Art der Musik die erste, mit der ich mich wirklich beschäftigt habe. Elektronische Musik soll eigentlich futuristisch sein. 1971 oder so war es Musik von Aliens und für uns ist es klassische Musik irgendwie.

Wenn ihr nach Sounds für eure Songs sucht, dann nehmt ihr selten ausbalancierte, schon fertige Klänge. Ihr nehmt gerne die Unperfektion von Dingen auf.

Wir benutzen natürlich auch Synthesizer, aber wir versuchen sie nicht zu perfekt klingen zu lassen, wenn wir sie benutzen. Selber aufgenommene Sounds haben etwas ehrliches und ich finde es ist wichtig, so etwas im Moment zu machen. Jeder kann sich an seinen Rechner setzen, Doppelklick auf den Drumbeat und das ist es. Das klingt dann soooo langweilig.

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Man kann alles rund schleifen und perfekt klingen lassen.

Genau und je perfekter es klingt, desto weniger ehrlich ist es. Wenn ich mir Aufnahmen des Albums in zehn Jahren anhöre, kann ich sagen, Oh mein Gott der bestimmte Klang dieser Ecke, der exakte Klang von diesem und jenem. Das ist dann ein perfektes Portrait dieses Moments. Wenn man einfach nur einen perfekten elektronischen Drumbeat aus Garageband drüber gelegt hätte, würde es keine Geschichte erzählen. Ich mag die Idee, wenn man irgendetwas kritzelt und dann denkt, Wahnsinn das sieht für mich aus wie Holland und das wie ein Hund. Also machen wir eine Geschichte über einen niederländischen Hund. Das ist großartig, weil ich so nie eine Geschichte über einen niederländischen Hund geschrieben hätte.

Bezieh das mal auf Musik bitte.

Wenn du ein Stück auf Gitarre schreibst. Du setzt dich hin und sagst: Okay, ich finde eine Akkordfolge, die cool ist und dann schreibst du ein paar Lyrics, die du auch gut findest und das machst du zwanzig mal und beim zwanzigsten Mal wirst du verrückt, weil du den gleichen Song sechsmal geschrieben hast. Also nimmst du statt der Gitarre, ein Kinderpiano oder irgendein Spielzeug, das du in einem Laden gefunden hast. Das ist die beste Art es zu machen. Wir wollten auch aus einem zufälligen Blickwinkel starten. Das fing schon mit dem Albumtitel an. Wir brachten alle drei Bücher mit und ließen dann jemanden, den wir nicht kannten eines auswählen.  Aus diesem Buch haben wir dann irgendeine Seite aufgeschlagen.

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Welches Buch war es?

 "Die Philosophie des Andy Warhol" und auf der Seite, die wir aufgeschlagen hatten, erzählte er davon, einen Fernseher zu kaufen. Alle seine Freunde hatten psychische Probleme und sie gingen zu Therapeuten und so ging er auch zu einem, weil er sich ausgeschlossen fühlte, aber der Therapeut ruft ihn nie zurück und er denkt sich, aber ich habe all diese Probleme über die ich reden möchte, also geht er einen Fernseher kaufen und stellt ihn in sein Zimmer und sieht fern für zwei Tage. Er schaut alles. Gameshows, News, alles Mögliche. Nach zwei Tagen hört er auf und ihm wird klar, dass er die Probleme von allen anderen gesehen hat und dass er darüber seine eigenen Probleme vergessen hat. Darum heißt unser Album jetzt „Other Peoples Problems“.

Ihr habt ursprünglich mit der Musik begonnen, um eure eigenen Filme damit unterlegen zu können. Wann ging das los?

Es war eine logische Sache. Wir hatten diese Filme, wollten sie zeigen, hatten keine Location dafür. All unsere Freunde waren in Bands und jedes Mal, wenn sie irgendwo spielen wollten, schickten sie einfach ein Demo dahin. Also behaupteten wir einfach, dass wir eine Band sind, brachten einen Projektor mit, hingen eine Leinwand in den Hintergrund und sagten, tadaaaa ein Kino und die Leute mochten es. Also spielten wir ein paar Songs, zeigten dazu die Filme und so lief es weiter und weiter. Ein paar Blogs und Fanzines in London berichteten darüber und dann kamen Leute aus Amerika und fragten, wo die MP3s zu bekommen sind und wir schickten sie ihnen und dann brachte ein Label unsere EP raus. So schnell habe ich diese Geschichte noch nie erzählt. Dann kam die zweite EP und die dritte und dann kam ich nach Berlin, wo ich dich traf.

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Das ging schnell.

In einem Zeitraum von zwei Jahren.

Du sprichst Breton sehr englisch aus. Ich würde es französisch aussprechen und es sieht geschrieben auch sehr französisch aus, aber das soll nicht so sein, oder?

Es gibt einen Schriftsteller André Breton. Er ist ziemlich interessant. Er hat jede Menge darüber geschrieben, worüber wir gerade geredet haben. Vorstellungskraft einfangen und dass man den gleichen Song nicht fünfzig Mal schreiben soll. Er hat das nicht genauso gesagt, aber so verstehe ich es. Kennst du dieses Spiel, wenn man etwas auf einen Zettel schreibt oder zeichnet und dann faltet man ihn und gibt ihn jemand anderem und der schreibt oder zeichnet auch etwas darauf und faltet es und so weiter ….

Ich liebe dieses Spiel. Wie heißt es auf Englisch?

Exquisite Corpse.

Da kommen großartige Dinge bei raus.

Genau und selbst wenn der Satz oder das Bild keinen Sinn ergibt, ist es doch spannend, was dabei heraus kommt und dem Ganzen eine völlig neue Bedeutung gibt. Zum Beispiel Pinke Tulpe voll Holz, da denkt man sich, ja das ist interessant, weil es ungezwungen entstanden ist. Weißt du was ich meine? Nicht wirklich, oder?

Ich denke ich habe es verstanden, aber könnte es nicht erklären.

Okay, dieser Song den man zu schreiben versucht, ist immer der gleiche Song, aber wenn man jede Note, die man auf der Gitarre spielen kann, in einen Hut wirft und schüttelt und dann Note für Note wieder herausnimmt… Das machst du vier Mal und die Kombination, die du magst, die dir was sagt, nimmst du. Dann ist ein Lied aus Chaos entstanden und wenn man mit einem Song vom Chaos aus beginnt, klingt es immer originell.

Bretons

Other People’s Problems

erscheint bei Fat Cat.