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Musik

Die letzte Instanz in Sachen Nazi-Rap

Für alle, die immer noch nicht wissen, ob Rap antisemitische Tendenzen aufweist, haben wir mit den Experten von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gesprochen.

Kürzlich lieferten sich Stefan Zehentmeier und Boris Peltonen eine hitzige Debatte über die Frage nach braunen Tendenzen im deutschen HipHop. Für alle, die immer noch nicht wissen, was nun der Steinadler auf Flers Arm bedeutet, ob die Azzlackz antisemitisch sind, oder doch alles nur ein Spaß ist, haben wir mit den Experten von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gesprochen. Was die Leute, die darüber entscheiden, was auf den Index kommt, dazu zu sagen haben und wie es mit dem „Rap von Rechts“ aussieht, lest ihr hier: VICE: Gibt es vermehrt Rap aus der rechten Szene?
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien: Zunächst muss festgestellt werden, dass Rechtsextremismus kein selbständiger Indizierungsgrund ist. Bei Indizierungen von Medien mit rechtsextremistischem Hintergrund sind in der Regel die Tatbestände der Jugendgefährdung „Verherrlichung bzw. Verharmlosung des Nationalsozialismus“, „Anreizen zum Rassenhass“ sowie Diskriminierungen von bestimmten Gruppen, z.B. Homosexueller oder Ausländer, einschlägig. Auch verrohende und zu Gewalttätigkeit anreizende Inhalte kommen häufig vor.
Eine deutlicheTendenz im Bereich HipHop lässt sich hier anhand der Spruchpraxis der BPjM nicht erkennen.
Die „rechte Szene“ ist aber nicht statisch, sondern wandelt sich insbesondere in den Anspracheformen. Da HipHop eine sehr populäre Jugendkultur ist, werden auch HipHop-Beiträge zur Ansprache genutzt.
Wichtig zu wissen ist, dass die BPjM nicht selbständig den Markt sichtet, sondern ein Indizierungsverfahren nur auf Antrag bzw. Anregung einer anderen Behörde oder eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe eingeleitet werden kann. Die BPjM kann also nur über Medieninhalte befinden, die ihr von dritter Seite angetragen wurden. Welche HipHop-Interpreten wurden bereits indiziert?
Zwei Titel von MakkS Damage waren indizierungsrelevant für die Indizierung der Schulhof-CD-Berlin, NPD Landesverband Berlin, Entscheidung Nr. 5889 vom 01.03.2012, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 52 vom 30.03.2012. In den Texten werden Ausländer diskriminiert und sie wirken verrohend, bzw. zu Gewalttätigkeit anreizend. Ein Titel wurde seitens des Gremiums als volksverhetzend im Sinne des § 130 StGB eingeschätzt. Mit Entscheidung Nr. 8548 (V) vom 04.02.2009, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 32 vom 27.02.2009, wurde die CD WaltherSteinarKönigsee des Interpreten Kingbock indiziert, u.a. wegen der Diskriminierung von Ausländern und der Verherrlichung des Nationalsozialismus. Ab wann wird eine CD indiziert? Reicht z.B. ein Sample von Goebbels aus?
Die Entscheidung obliegt in jedem Einzelfall einem pluralistisch besetzten Prüfgremium. Wenn die Einspielung einer Goebbels-Rede dazu führt, dass der Eindruck einer Verherrlichung der Person Goebbels als ein führender Nationalsozialist bzw. des Nationalsozialismus insgesamt führt, so könnte gemäß der bisherigen Spruchpraxis eine Jugendgefährdung vorliegen. Stufen Sie NS-Rap als gefährlich ein, weil er Jugendliche vielleicht eher erreicht als „Rechtsrock“?
BPjM: Das Spektrum sog. „rechter Musik“ wird hierdurch definitiv erweitert und da Musikgeschmack immer noch ein sehr identitätsstiftender Faktor gerade für Jugendkulturen ist, wird die Zielgruppe für die propagierten Inhalte sicherlich erweitert. Nochmals muss an dieser Stelle betont werden, dass die Jugendgefährdung nicht aus dem „Rechtssein“ resultiert, sondern es stets auf den konkreten Inhalt ankommt. Eignet sich Sprechgesang überhaupt als Medium für rechte Botschaften?
HipHop als Artikulationsform ist dazu prädestiniert, politische Botschaften zu transportieren. Die Geschichte des HipHop kennt dafür zahlreiche Beispiele. Wie schätzen Sie die Rolle etablierte Rapper als „Wegbereiter“ ein? Gab es durch Künstler wie Fler, Bushido, etc. einen „Legitimierungseffekt“ der Diskriminierung von Minderheiten?
Sowohl Alben von Fler als auch von Bushido sind indiziert und damit jugendgefährdend, wie auch Alben anderer Rapper. Die BPjM stellt nicht einzelne Künstler an den Pranger.
Im Rahmen des HipHop spielt der sogenannte Battle-Rap und das gegenseitige Dissen eine bedeutende Rolle. In diesem Zusammenhang kommen gegenseitige Beschimpfungen und Diskriminierungen der Rapper untereinander vor. Insbesondere Vertreter des sog. Porno-Raps fallen durch erhebliche Frauen und Homosexuelle diskriminierende Texte auf und Alben wurden aus diesen Gründen indiziert.
Eine roten Faden der bekannten Deutschrapper hin zu Rappern aus der rechtsextremistischen Szene vermag die BPjM nicht festzustellen. Diskriminierungen und Gewaltandrohungen in Liedtexten können zu Indizierungen führen, egal aufgrund welchen ideologischen Überbaus.

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