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Musik

Saufgeschichten mit The Raveonettes

Es ist immer wieder eine durchdachte Idee, sich betrunken ein Tattoo stechen zu lassen und sich nicht mehr daran erinnern zu können.

Ein Kater kann sich ganz unterschiedlich äußern. Die Skala, an der sich die eigene Dummheit im alkoholisierten Zustand messen lässt, hat allerdings nur drei Stufen. Die erste Stufe ist, als erste Reaktion am Morgen den vorigen Abend zu rekonstruieren, alle Situationen im Kopf noch mal durchzugehen und dann ständig zu denken „Was habe ich nur getan?“ Auf der zweiten Stufe hat man aus unerfindlichen (manchmal auch aus rekonstruierbaren) Gründen Schmerzen am ganzen Körper. Augen aufmachen geht gerade noch klar, alles andere tut aber weh. Die dritte und schlimmste Stufe allerdings, ist aufzuwachen und ein Tattoo auf seinem Arm vorzufinden, ohne jegliche Erinnerung daran. Sune Rose Wagner von The Raveonettes kennt alle diese Stufen und hat uns von seinen Erlebnissen erzählt. Außerdem haben wir mit dem charmanten New Yorker über das neue Album, die neue Single und das neue Video gesprochen.

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Noisey: Hallo Sune.
Sune: Hallo.

Woher kommt dein Name?
Das ist ein nordischer Name und er bedeutet Sohn. Und mein zweiter Name ist Rose.

Sune Rose Wagner. Damit ist ja namensmäßig wirklich alles abgedeckt.
Ein großer Name. Ich mag ihn wirklich gerne. Es ist ein sehr ungewöhnlicher Name.

Ja, dachte ich mir auch. Aber das liegt wohl auch daran, dass ich nicht viele Leute aus Dänemark kenne.
Aber in Dänemark heißen auch nicht viele Leute Sune. Das ist kein typisch dänischer Name.

Du lebst in New York, richtig?
Ja, und Sharin lebt in Los Angeles.

Wie klappt das so als Band?
Wir sind eigentlich immer unterwegs und spielen zusammen Shows. Deswegen ist es ok. Wir sehen uns mehrmals im Monat. Wir machen ja nichts Regelmäßiges. Wir treffen uns nur, um eine Platte aufzunehmen oder zu touren.

Hast du mal in Erwägung gezogen nach L.A. zu ziehen?
Nein.

Warum nicht?
Das ist nicht wirklich meine Stadt. Ich laufe gerne und mag New York wirklich sehr. Wenn ich nach L.A. ziehen würde, säße ich ja die ganze Zeit im Auto. Alle sitzen immer im Auto. Man muss überall hinfahren. Es gibt keine U-Bahn.

Und Sharin?
Sharin hat mal in New York gewohnt. Aber dann ist sie nach L.A. gezogen, weil sie ihren Freund dort getroffen hat.

Eure neue Platte heißt Observator. Wo kann man Leute besser beobachten, in New York oder in L.A.?
In beiden Städten. Es ist nur sehr unterschiedlich und New York ist, wie ich finde, viel persönlicher. Du bist mit den Leuten zusammen, man läuft auf sie zu. In L.A. sitzt man eben nur im Auto, aber von da aus kann man Leute auch gut beobachten. Es ist eben anders. Ich mag es auf jeden Fall lieber, Leute in New York zu beobachten. Es sind so viele Menschen in New York.

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Beobachtest du sie nur oder sprichst du auch mal welche an?
Schöne Frauen, ja. Sie sind überall. Man trifft eine, aber sieht sie nie wieder. Es gibt einfach 16 Millionen Menschen. Aber ich rede ganz oft mit Leuten. Ich bin nicht schüchtern. Wenn ich ein schönes Mädchen sehe, dann gehe ich auf sie zu und sage einfach „Willst du mit mir Essen gehen?“ und sie sagen dann „Ich glaube nicht, dass das meinem Freund gefallen würde.“ und dann sage ich „Das ist OK.“ (lacht) Ich glaube, die meisten haben einfach einen Freund. Ich denke nicht so oft darüber nach. Ich bin nicht verzweifelt oder so. Aber manchmal, wenn man jemanden trifft, warum dann nicht fragen? Ich weiß ja, dass ich sie nie wieder sehen werde. Außer sie sagen Ja.

Ich hab gelesen, dass du am besten Lieder schreiben kannst, wenn du betrunken bist und um die Häuser ziehst.
Ja, ich sammle dann Ideen für Songs, das schon. Ich kann nicht wirklich schreiben, wenn ich besoffen bin. Aber mein Kopf ist dann voller Ideen. Viele Worte, viele Titel und so etwas. Und am nächsten Tag schreibe ich es dann.

Machst du dir dann besoffen auch Notizen?
Ja.

Wie kann ich mir das jetzt vorstellen? Geht du klischeehaft alleine in eine Bar, bestellst dir ein Whiskey und beobachtest Leute?
Nein, ich bin nicht Hemingway im 1920er Paris. Ich gehe einfach raus und habe Spaß und dann plötzlich, zum Beispiel wenn wir reden, sage ich „Warte eine Sekunde“ und dann habe ich eine Idee für etwas. Das dauert dann eine Sekunde und das war's dann.

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Und dann bist du am nächsten Tag verkatert…
Ja, dann schau ich es mir noch mal an und sage dann „Oh, das ist wirklich schlecht. Das ist absolute Scheiße“ oder ich sage „Ja, das könnte etwas werden. Vielleicht arbeite ich daran weiter.“

Wachst du manchmal auch auf und du weißt gar nicht mehr, was du aufgeschrieben hast?
Ja. Ich erinnere mich nicht mal daran, wie ich mein Tattoo bekommen habe. Ich hab hier auf dem Arm eins. Also ich hab noch eins, an das ich mich erinnern kann. Aber ich hab auch das eine, an das ich keinerlei Erinnerungen mehr habe.

Was ist es denn?
Ein Anker. Aber ich weiß nicht mehr, wie das passiert ist. Ich bin eines Tages aufgewacht und hatte es plötzlich. Es ist ziemlich klein und sieht ein bisschen wie ein Angelhaken aus. Aber ich glaube es ist ein Anker. Es sieht jedenfalls mehr danach aus.

Steht noch ein Name dabei?
Nein.

Hätte schlimmer kommen können, zum Beispiel wenn noch der Name deiner Exfreundin darunter stehen würde.
Zum Glück habe ich das nicht. Hast du die Namen deiner Exfreunde tätowiert?

Nein. Ich hab mich aber auch noch nie tätowieren lassen, als ich betrunken war.
Da hast du aber Glück gehabt.

Gerade ist eine Single von euch im Internet aufgetaucht „She Owns The Streets“. Wer ist das Mädchen?
Das ist ein Mädchen aus New York. Sie ist eine Straßentänzerin.

Ach die gibt es wirklich?
Ja, die gibt es. Sie hat früher viel in den Clubs getanzt, aber sie wurde aus allen Clubs rausgeschmissen.

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Weil sie so eine schlechte Tänzerin ist?
Nein, weil sie die beste Tänzerin ist. Und die Leute wurden davon eingeschüchtert. Und jetzt tanzt sie einfach auf den Straßen vor irgendwelchen Leuten. Sie läuft vor Autos und tanzt auf Hydranten und an allen möglichen verrückten Orten. Sie tanzt mitten im Verkehr und die Autos fangen an zu hupen. Sie ist mal dem Bus hinterher gerannt und fing dann an vor dem Bus zu tanzen. Sie tanzt überall, aber nur auf der Straße. Sie ist ein wirklich cooles Mädchen.

Hast du sie nur beobachtet oder kennst du sie auch?
Nein, ich habe sie kennen gelernt. Ich habe sie zwar vorher auch beim Tanzen beobachtet, aber ein Freund von mir kannte sie und hat sie mir vorgestellt. Sie tanzt einfach nur gerne. Und sie kann nicht mehr in den Clubs tanzen, weil sie immer rausgeschmissen wurde. Jetzt tanzt sie vor Autos und die Leute denken, dass sie verrückt ist und rufen die Polizei. Und wenn die Polizei kommt, dann nehmen sie sie fest. Die denken auch immer, dass sie verrückt ist und stecken sie in eine Irrenanstalt. Aber sie wird immer wieder entlassen, weil sie eben nicht verrückt ist, sondern nur ihren Spaß hat. Sie ist ziemlich wild und sie hat ziemlich gute Moves. Eine exzellente Tänzerin und sie verkleidet sich auch. Manchmal ist sie ein Engel und hat große Engelsflügel.

Meine Kollegen von Noisey US haben einen Videovorschlag für „She Owns The Streets“ gemacht.
Ja, was denn?

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Folgendes: „All lingering autumnal shots of empty New York City streets and maybe shots of a serious-faced model holding down her hair in the wind, y'know?“
Tatsächlich ist viel davon schon in dem Video. Wir haben gerade eins abgedreht, mit ihr. Die Tänzerin, das echte Mädchen, über die der Song geschrieben wurde, ist in dem Video. Und sie tanzt auf der Straße.  Es gibt viele Szenen von leeren Straßen. Viele Szenen aus New York, zum Beispiel eine Katze, die herum läuft. Also ich glaube, wir werden uns einig. Wir haben das Video heute zum ersten Mal gesehen.

Findest du das Video melancholisch?
Nein, ich glaube nicht. Ich hoffe eher, dass das Leben gefeiert wird. Denn darum geht es im Song.  Es gibt diese Person, von der alle glauben, dass sie verrückt ist, aber sie will nur Spaß haben. Sie tut einfach das, worauf sie Lust hat. Es ist ja nicht so, dass sie etwas Illegales tut. Aber als ich das Video sah, fand ich, dass es viel mehr Szenen geben sollte, in denen sie tanzt. Und das habe ich dann dem Regisseur gesagt: „Schneidet mehr Szene von ihren Tanzeinlagen rein.“

Sie ist ja schon eher ein Außenseiter. Findest du solche Leute inspirierender?
Ja, sie ist auf jeden Fall eine Außenseiterin. Ich kenne viele solche Leute und ich fühle mich sehr vertraut mit ihnen. Ich tendiere dazu, über Leute aus meinem Leben zu schreiben. Denn ich denke, darüber schreibt es sich einfacher. Und ich schreibe auch über meine eigenen Erfahrungen, natürlich. Das Album ist eigentlich nicht besonders fröhlich. Dieses Lied ist auf jeden Fall das fröhlichste auf dem Album.

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Hast du noch über anderen Außenseiter geschrieben?
Ja, über viele. Ich meine, in „She Owns The Street“ geht es ja speziell um eine Person. Es ist schon eine lange Zeit her, dass ich einen Song über eine einzige Person geschrieben habe. Wir haben eine Lied, das heißt „Aly, Walk With Me“ und ein Lied namens „Lust, Lust, Lust.“ In denen geht es auch um bestimmte Personen, die ich kannte. Normalerweise mache ich das nicht. Aber in diesem Fall musste ich das tun, weil sie so unglaublich ist. Aber alle anderen Außenseiter werden nur kurz in den Songs erwähnt. Sie haben dann den Song irgendwie vage inspiriert, aber es ist nicht so, dass man in einem Song eine spezielle Person wieder erkennen kann.

Lässt du dich generell von Außenseitern inspirieren?
Ja, manchmal. Meistens schreibe ich aber über Liebe.

Natürlich.
Es ist halt einfach darüber zu schreiben. Und die Leute verstehen es. Es gibt ja keinen Grund, dass ich es den Leuten schwer machen sollte, meine Musik zu verstehen. Oder es mir selber schwer zu machen. Ich schreibe einfach das, worüber ich nachdenke, wenn ich morgens aufwache oder nachts einschlafe. Und das ist normalerweise Liebe. Dann schreibe ich über seltsame Leute.

Vor allem wenn man betrunken ist, kann man gut über Liebe nachdenken.
Ich betrinke mich eigentlich gar nicht mehr so oft. Ok, heute. Und gestern war es auch ziemlich schlimm. Ich bin gestern hingefallen und habe mich wirklich sehr verletzt. Mein Bein tut weh und meine ganze Schulter. Ich habe auch nicht geschlafen. Wir waren gestern Nacht in Berlin und haben gefeiert.

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Und, kannst du dich noch an alles erinnern?
Nein, ich erinnere mich nicht mehr an viel. Aber ich weiß noch, dass es lustig war. Bis ich hingefallen bin. Das hat wirklich sehr wehgetan.

Was ist denn passiert?
Ich saß ziemlich lange und als ich auf die Toilette musste, habe ich mich unter dem Schuh von dem Typen neben mir verhakt und bin ziemlich hart hingefallen. Es war wirklich schwer, sich heute früh zu bewegen. Ich kann meinen Arm auch nicht richtig hochheben. So etwas passiert, wenn man betrunken ist. Deswegen bin ich nicht mehr so oft besoffen. Ich krieg immer Probleme.

Aber so bekommst du doch die guten Ideen für die Lieder.
Ich habe immer so Phasen, wenn ich gute Ideen bekomme. Aber meistens habe ich keine Lust zu trinken, weil dann die Probleme kommen. Und ich mag das nicht. Ich will mich gut fühlen, wenn ich morgens aufwache.

Hast du gestern auch ein paar Ideen für Lieder bekommen?
Nein, da war ich zu besoffen. Und zu müde. Und ich hatte zu viele Schmerzen.

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The Raveonettes Observator erscheint im September auf Beat Dies Records.

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