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Musik

Musikreviews

Hier sind unsere Reviews zu Manuel Kant, Bondage Fairies, Swahili Blonde und Ullrich Schnauss.

MANUAL KANT
Applaus
Richard Mohlmann/Universal

Bei Manual Kant spielt ein ganz cooler Typ mit, der mal ein Praktikum bei uns gemacht hat. Eigentlich behandeln wir unsere Praktikanten so schlecht, dass wir es uns nicht nehmen lassen, als Dank für die geleistete unbezahlte Arbeit ihre Musik (fast alle von ihnen spielen in erfolglosen Bands) auf diesen Seiten gnadenlos zu zerreißen. Heute nicht: „Applaus“ ist eine aus den Untiefen des bayrischen Niemandslandes abgefeuerte Indie-Leuchtrakete, die so sympathisch über den Alltag zwischen Fernweh und alltäglichem Dorfhustle berichtet, dass wir fast Lust bekommen, mit der Redaktion aufs Land zu ziehen. Dann könnte doch eigentlich auch dieser Kerl wieder unbezahlt für uns arbeiten?

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HENRY FORD

BONDAGE FAIRIES
Bondage Fairies
Audiolith/Broken Silence

Bondage Fairies! Das war doch früher meine Lieblings Hentai-Manga-Serie, in der man elfenhafte Nymphomaninnen betrachten konnte, wie sie äußerst ungewöhnlichen Sexualpraktiken an diversen Insekten erprobten. Am besten fand ich die Folge, wo dieser notgeile Tausendfüßler… ich schweife ab. Aber so kommt es, dass dieser Name für mich unweigerlich mit hocherotischer künstlerischer Innovation verbunden ist. Und wenn dann zwei schwedische Live-Rollenspieler meinen, ihren Chiptunes-Schlagerpop unter demselben Titel vertreiben zu müssen, bin ich natürlich zu Recht enttäuscht.

THRILLA IN PAMILLA

SWAHILI BLONDE
Psycho Tropical Bullet Pink
Neurotic Yell

Wenn man die Begriffe aus einem dieser Rätselheft-Beschäftigungstherapien, bei denen einzelne Buchstaben wahllos auf einem Haufen herumliegen und man sinnvolle Kombinationen herauslesen muss, wenn man also diese Begriffe aus solch einem Rätsel alle rausradiert und nur das übrig gebliebene Chaos einfach von oben nach unten oder andersrum laut vorliest, kommt bekanntlich in ungefähr zwei von mehreren Millionen Fällen eine alchemistische Geheimformel heraus, mit der man Weltfrieden herstellen, sich das Rauchen abgewöhnen oder für den Rest seines Lebens den besten Sex aller Zeiten haben kann. In allen anderen Fällen hat man nur einen wirren Buchstabensalat als Resultat, aus dem man mit sehr viel Glück vielleicht immerhin noch ein Horoskop oder eine Wettervorhersage würfeln kann. Wäre der musikseinwollende Wust „Psycho Tropical Bullet Pink“ ein solches Beschäftigungstherapie-Rätsel, würde es auf jeden Fall zur zweiten dieser beiden Kategorien gehören.

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SIMON DÖMER

ULRICH SCHNAUSS & MARK PETERS
Underrated Silence
Bureau B / Indigo

Was noch fehlte: Postrock ohne Stromgitarren, oder vielmehr Shoegaze ohne Shoe und vor allem auch ohne gaze, stattdessen mit Elektrizität und einem Hauch Vangelis (im schlimmen Fall) oder Jean-Michel Jarre (im akzeptablen). Eine Absicht, die so ganz grob in diese Richtung geht, ist auf Underrated Silence erkennbar, ein kleines bisschen mehr Silence und Drama und Post-irgendwas hätte dem Album allerdings auch ganz gut gestanden. Will sagen: Musik für Nebel-Moorlandschaft-Picknicks, mit LSDesker 70s-Kraut-Orgel-Ästhetik im Subtext und erfrischender Naivität, die, wenn man beide Augen zudrückt, glatt nach Improvisation klingen könnte, wüsste man’s nicht besser. Wenn man es irgendwie hinbekommt, die Jarre-Kulissenschieberei aus dem Kopf zu bekommen und die sich stellenweise in den Vordergrund schiebende Lounge-Atmosphäre (Hintergrundmusik im Architekten-Bistro & grüne Laserpointer!), machen Ulrich Schnauss und Mark Peters hier aber glatt sehr angenehm bekiffte Breitwandnebelmusik.

ERIK URSICH