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Musikreviews

Hier sind unsere Reviews zu David Nesselhauf, Champagne Champagne, Bobby Conn und Timid Tiger.

DAVID NESSELHAUF
The Barrow
Enorme Tonträger

Dieser David Nesselhauf legte seinem neuen Album ein Brieflein bei, in dem er sich wirklich sehr höflich für einen unserer älteren Artikel über den ägyptischen, aus dem Mayhem/Sunn O)))/Burial Chamber Trio-Dunstkreis bekannten Maskenmacher Nader Sadek bedankte. Nesselhauf trägt mittlerweile selber eine von Sadeks Masken. Ans Ende des Briefes hatte Nesselhauf sogar ein Smiley gekritzelt. Nun sollte man denken, der Urheber von angejazzten Ambient- und Drone-Skizzen, die sich in den allerfinstersten Bewusstseinsgründen ausdehnen, würde so einen Brief eher mit dem eigenen Blut oder wenigstens augekotzter Galle unterzeichnen. Es ist nicht so, dass wir jetzt enttäuscht sind oder dergleichen. Immerhin haben wir ja damals in der Schule auch aufgepasst, als das lyrische Ich erklärt wurde. Ein bisschen drollig ist es trotzdem.

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BESSEL NRAND

CHAMPAGNE CHAMPAGNE
Private Party
Platinum/Cargo

Nutten, Koks und Champagner finden sich heute ja auf jeder durchschnittlichen VW-Vorstandssitzung und haben damit als Insignien für eine gelungene Privatparty weitgehend ausgedient. Die Jungs um den Ex-Blood-Brothers-Dj Gajamagic huldigen zwar mit ihrem Namen noch diesen vergangenen Zeiten, wissen aber im Grunde längst, dass man gute Laune nicht kaufen kann, sondern selber machen muss. Mit diesem entspannten HipHop/Indie-Hybrid liefern sie dafür ein solides Fundament, auch wenn ich in der Gesamtwertung leider massiv Punkte abziehen muss, weil ich durch einen Track auf verheerende Weise an Limp Bizkit (!) erinnert wurde, deren Existenz ich gut zehn Jahre erfolgreich verdrängt habe.

FRED HUNGER

BOBBY CONN
Macaroni
Fire/Cargo

Bobby Conns eigenartige Mischung aus pfauenhafter Theatralik und politischer Botschaft ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar besingt er in seinen großen Momenten das Elend der Welt mit der Souveränität eines Feldherren auf seinem uneinnehmbaren Hügel, aber irgendwie bleibt immer so eine Restsorge, dass er jeden Moment wieder in die Rolle des zerzausten Sozialkundelehrers zurückfallen könnte, der seinen Schülern in nicht enden wollenden Abschweifungen von Korruption, Krieg und dem Hyde-Park-Konzert der Stones berichtet, um davon ablenken, dass er gestern Abend wieder völlig bekifft war und deshalb die Unterrichtsmaterialien zuhause vergessen hat.

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FERRIS DER GROSSE

TIMID TIGER
The Streets Are Black
Papercup

Wir leben im Zeitalter der Retrospektiven Idealisierung. Früher war alles schöner anzusehen, besser designt und Kameras analog. Während sich inzwischen jeder hippe Mensch auf diesem Planeten eine LOMO anschafft um schön und retro zu wirken, wissen wir schon lange, dass eine SMENA 8 die Vorlage für den Hype bot und ebenso überbelichtete Bilder bietet. Nur eben mit einer Linse aus Glas anstatt aus Plastik. Timid Tigers drittes Album The Streets are Black bietet das musikalische Äquivalent zur LOMO. Nur das die fünf Jungs ihre Linsen verglast haben. Da gibt es Klänge, die sich vor den Seventies verbeugen und mit Rap und elektronischen Elementen vermischt sind, so dass man das ganze nur als Soulrapindietronic bezeichnen kann. Das funktioniert vielleicht nicht immer, aber bietet Highlights. Ein wenig so als hätte man Mike Mills an einem Sommertag in Köln LOMO in die Hand gedrückt und gesagt: Mach mal. The Streets Are Black würde bei der anschließenden Diashow laufen.

BORA ZEER