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Musik

Musikreviews der Woche mit Recondite, Bad Religion, Snuff Crew und mehr

Endlich wissen wir, was mit all den Punkbands passiert, die auf ihre alten Tage noch Weihnachtsalben veröffentlichen. Unsere Reviews.

RECONDITE
Hinterland
Ghostly International

Dieses Album hat in etwa die gleiche Wirkung, wie zu lang auf einen ausgefallenen Transportkübel der BVG zu warten. Es erzwingt eine innere, Zen-artige Ruhe an einem Punkt, an dem jede andere Option etwas mit Tobsucht, Wurfgeschossen oder nervös zuckenden Augenlidern zu tun hat. Will sagen, das wieder mal genial und in ultra-feinen Pinselstrichen eine nur kleine, unverwechselbare Klangpalette austupfende neue Recondite-Werk rettet einen vor sich selbst, wenn man gerade mal wieder elektronische Musik an Preset-Vergewaltiger und Sägezahn-Grobmotoriker verloren glaubt.

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THOUG HEFFERNAN

SNUFF CREW
Behind The Masks
Bpitch Control

Eigentlich ist allseits bekannt, wie wenig ich für Chicago House übrig habe und eigentlich sollte hier in der Redaktion auch jemand angestellt sein, der die nötige Expertise und Motivation mitbringt, um sich solchen Platten anzunehmen. Aber komischerweise ist diese Person jedes Mal unerreichbar auf irgendwelchen montäglichen After-Hours in Kellern ohne Handyempfang verschollen, sobald es etwas zu tun gibt. Sei’s drum. Immerhin weben die Leute von der Snuff Crew ein paar hübsche Old-School-Elektro-Schnipsel in ihren Clubsound und außerdem haben sie ihr letztes Album nach einem Tekken-Charakter benannt, was ihnen bei mir einen kleinen Pluspunkt verschafft. Mit anderen Worten: Eigentlich müsste ich sie zur Sau machen, aber irgendwie schaffe ich es nicht. Vielleicht beim nächsten Mal.

LOVE SHAG

ORANSSI PAZUZU
Valonielu
Svart / Cargo

Schon Scheiße, wenn man seinen Freunden begeistert von diesen wahnsinnigen Finnen vorschwärmen will und in fröhlicher Regelmäßigkeit ihren Namen vergisst. If the drugs DO work. Die Erhabenheit ihrer Extreme-Psychedelia erschließt sich jedem sofort via YouTube und Bandcamp, hier und jetzt soll es nur noch unser Ziel sein, diesen verdammten Namen etwas merkfähiger zu machen. Wir erinnern uns an Linda Blair im Exorzisten, die Szene, in der sie sich das Kruzifix zwischen die Beine rammt. Oder an die mit der Kotze und den blasphemischen Beschimpfungen. Den ganzen Schweinkram macht sie, weil Pazuzu in sie gefahren ist, laut der assyrischen und babylonischen Mythologie so etwas wie der König der Dämonen. Und Oranssi wiederum heißt auf finnisch, man hätte drauf kommen können, orange. Wir stellen uns also jetzt einfach mal Linda Blair mit ihrem Kruzifix nicht in grün sondern in orange vor. Ansonsten reicht es auch Oranssi bei Google einzugeben. Valonielu ist bereits ihr drittes Album und mit jedem hat sich ihr Cosmic Black Metal noch etwas weiter entwickelt—nahezu beängstigend, wenn es nicht so schön wäre …

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SONS OF PAZUZU

Es gibt einen Ort in den Hallen jenseits des Flusses der Toten, wo nach ihrem Tod all die Punkbands sitzen werden, die auf ihre alten Tage Weihnachtsalben herausgebracht haben. Sie haben einen eigenen Tisch neben denen, die mehr als acht Best Of Alben rausgebracht haben, müssen unentwegt Glühwein aus einem sich niemals leerenden Horn trinken und in allem, was sie essen, ist Zimt. Letzte Woche haben Bad Religion sich unter sie begeben. Sie wurden mit einem müden Schmunzeln empfangen, da sie eh schon seit Ewigkeiten Weihnachtslieder covern, und das hier folglich auch niemanden mehr überrascht. Christmas Songs klingt dementsprechend exakt so, wie du dir vorstellst, dass ein Weihnachtsalbum von BR klingen würde, und fügt sich reibungslos in die Reihe der „furchtbar langweiligen Weihnachtsgeschenke für Leute, für die einem nichts Besseres eingefallen ist“ neben Socken, Badesalz und Krawattennadeln ein. Hallelujah.

J. C.