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Popkultur

Cyborgs, Indiana Jones und die Berliner Mauer: Ein Nachruf auf Glen A. Larson

Vergangene Woche ist der Mann verstorben, der unter anderem „Knight Rider" und „Battlestar Galactica" erfunden hat. Ein Nachruf auf eine große Ära des Fernsehens.
Titelbild: Fotocollage von VICE Media

Ohne ihn stünde die Berliner Mauer noch, Terminator wäre vielleicht nie gedreht worden, ihr wüsstet nicht, was Battlestar Galactica ist und Harrison Ford wäre uns zwar als Han Solo, aber nicht als peitschenschwingender Indy geläufig. Auf der positiven Seite wiederum wäre uns wahrscheinlich die unerträgliche Flut an Serien rund um Gerichtsmediziner erspart geblieben und ich hätte meine pubertären Begierden nicht auf gleich zwei verschiedene TV-Sternchen namens Heather projizieren müssen.

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Aber von vorne. Die Rede ist von Glen A. Larson, dem vergangene Woche verstorbenen Fernsehgiganten. Wer in den 70er und 80er Jahren Kind war und, teilweise noch vor grotesk fetten Schwarzweißfernsehern das magere Angebot an Fernsehsendern im Vorabendprogram verfolgte, kam an diesem Namen im Abspann vieler Serien nicht vorbei: „Glen A. Larson".

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich damals mit zirka 12 Jahren den Pilotfilm einer neuen Fernsehserie aufsog: der Polizist Michael Long wird angeschossen, nimmt eine neue Identität an und verfolgt fortan mit Hilfe eines hochgezüchteten, denkenden und sprechenden Autos Gesetzesbrecher. „Das könnte groß werden", dachte ich damals, als die ersten Schulkollegen schon kurz danach permanent „Hol mich hier raus, Kumpel!" in ihre Casio-Armbanduhren brüllten. Der Rest ist Geschichte.

Foto: Wallpaper von George Spigots Blog

Aber der Einfluss dieses Mannes, der sich anscheinend mühelos ein paar der erfolgreichsten Serien aller Zeiten ausdachte (und übrigens auch deren Titelsongs mitkomponierte), auf Popkultur und Showbusiness ist weitreichender, als man denkt.

Der ursprünglich als Harmoniesänger erfolgreiche Kalifornier widmete sich seit Anfang der 70er Jahre im Auftrag von Universal der Entwicklung von Serienformaten. Seine pragmatische Herangehensweise und manchmal als Plagiarismus geschmähte Orientierung an erfolgreichen Kinofilmen, gepaart mit einem untrüglichen Riecher für den Zeitgeist, bescherte uns gleich als eines der Erstlingswerke The Six Million Dollar Man, eine Serie rund um einen mittels bionischer Implantate gepimpten Ex-Astronauten, der mit Hilfe seiner gesteigerten Kraft und Wahrnehmung im Auftrag einer obskuren Behörde außergewöhnliche Missionen durchführt. Die Serie machte Lee Majors zum Star und nahm erstmals die Möglichkeit von kybernetischen Prothesen oder die Weiterentwicklung zu Cyborgs vorweg. Wer weiß, vielleicht hätte James Cameron manche seiner Ideen für den Klassiker Terminator ohne diese Serie nie gehabt.

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Foto: Tama Leaver via photopin cc

Lee Majors übrigens kehrte nach dem Ende von The Six Million Dollar Man Anfang der 80er nochmals in einer von—erraten—Glen A. Larson kreierten Serie auf die Bildschirme zurück: The Fall Guy (Ein Colt für alle Fälle) war ebenfalls sehr erfolgreich. Der ikonische GMC Pickup, der in jeder Folge bis zum Achsbruch über Rampen springen musste, waghalsige Stunts und nicht zuletzt der extrem appetitliche weibliche Sidekick Heather Thomas (meiner Meinung nach der aus der selben Ära kommenden, aber ungleich erfolgreicheren Heather Locklear optisch weit überlegen) beinhalteten alles, was eine von Evel Knievels Irrsinn und Hustler-Heften aufgegeilte Jugend sehen wollte.

Bevor ich auf das absolute Meisterstück von Mr. Larsone eingehe, seien noch andere Serien aus seiner Feder besonders hervorzuheben: Zum einen Quincy, M.E., praktisch der Urahne aller CSI-Formate. Der kauzige Gerichtsmediziner löste schon Fälle im Laborkittel, da steckte sich Horatio Caine noch Legosteine in die Nase. Und natürlich Battlestar Galactica, die Originalserie rund um die Siedler-Raumflotte, die ständig von mörderischen Cyborgs (da, schon wieder!) drangsaliert und mit der Auslöschung bedroht werden, wären da nicht die tapferen Männer rund um die schneidigen Kampfpiloten Apollo, Zac (Rick Springfield!) und Starbuck. Trotz ursprünglich schwachem Start gilt Galactica heute als einer der unerschütterlichen Eckpfeiler des echten und ursprünglichen Geektums. Seht euch nur ein paar Folgen von The Big Bang Theory an—vom Franchise-Restart ganz zu schweigen.

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Foto: Alan Light via photopin cc

Außerdem wäre da noch Magnum, P.I. rund um den slicken Privatdetektiv Thomas Magnum, der in Hawaiihemd und Ferrari im paradiesischen Oahu Kriminalfälle löst. Für Tom Selleck, einen der wohl markantesten Pornobalkenträger der Filmgeschichte, hat diese Serie gleich zweifach besondere Bedeutung: Nicht nur, dass sie ihm den Nimbus des ewigen Junggesellen mit lockeren Sprüchen und einer gewissen drolligen Hilflosigkeit verlieh, von dem er in praktisch allen Rollen seither profitierte; sein Zeitplan für die Dreharbeiten von Magnum verhinderte außerdem sein Engagement als Indiana Jones in Jäger des verlorenen Schatzes und die Rolle ging bekanntermaßen an Harrison Ford. Könnt ihr euch Indy mit Schnauzer und Hawaiihemd vorstellen? Ich nicht. Und auch dem knallroten Ferrari 308 GTS konnte seither punkto Coolness kein TV-Fahrzeug mehr das Wasser reichen, schon gar nicht der hochnotpeinliche weiße Testarossa in Miami Vice.

Und weil wir gerade bei Autos sind: das wohl berühmteste Auto der Fernsehgeschichte flimmerte ebenfalls Anfang der 80er Jahre erstmals über die gewölbten Röhrenschirme in Wohnzimmern weltweit. Der Knight Industries Two Thousand, kurz KITT, eigentlich nur als Vehikel für Serienheld Michael Knight gedacht, wurde schnell zum eigentlichen Star der auch von Larson erdachten Serie Knight Rider. Ein nachtschwarzer Pontiac Firebird Trans Am, der mit distinguiertem Akzent und trockenem Humor der künstlichen Intelligenz unter der Haube Ausdruck verlieh, eroberte im Sturm mein und überhaupt alle Kathodenstrahl-Herzen.

Foto: hodgers via photopin cc

Nachdem sich der Hype um den innen noblen, außen prolligen Superflitzer halbwegs gelegt hatte, ging mit dem vormals völlig unbekannten David Hasselhoff, der über 90 Episoden die menschliche Hauptrolle spielte, ein ganz anderer Stern auf. (Dass Hasselhoff dadurch auch erst die Möglichkeiten vorfand, mit Baywatch so richtig aus dem Vollen zu schöpfen, ist ein angenehmer Nebeneffekt für die 90er-Generation.) Beflügelt vom Erfolg vor allem in Deutschland nahm er, vocalgecoacht von Patrick Swayzes Mutter, zwei wenig beachtete und sehr plump mit dem Knight Rider-Image kokettierende Alben auf.

Doch das sollte sich alles mit dem dritten Longplayer Looking for Freedom ändern, der 1989 erschien. Mit brachial guter Laune und bestem deutschen Auf-Eins-Und-Drei-Mitklatsch-Liedgut kam es zur unheilvollen Verquickung von Musik und Geschichtsereignis: Der Titelsong wurde (zumindest von Kight David selbst) zur Hymne der deutsch-deutschen Wiedervereinigung erhoben—und das zu einem Ausmaß, dass The Hoff bis heute glaubt, sein Song hätte den Mauerfall erst möglich gemacht.

Wollen wir ihn und von mir aus auch uns selbst mal glauben lassen, es wäre so, gönnen wir uns eine Kiste von Magnums Lieblingsbier Düsseldorfer Alt und lassen an uns vorüberziehen, was wir dem guten Glen A. Larson zu verdanken haben: Sprechende Autos und Pam Anderson im roten Badeanzug.