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Nein, es wird keine „Miss Hitler“ gewählt, die Probleme bleiben aber bestehen

Der „Miss Hitler“-Schönheitswettbewerb hat sich als aufgeblasene Like-Kampagne herausgestellt. Faschismus und Rassismus sind in Russland leider trotzdem immer noch präsent. 

Potenzielle Miss-Hitler-Kandidatinnen. Foto: Adolf-Hitler-Fanseite von VK.com

Die Geschichte des Fascho-Schönheitswettbewerbs begann letzte Woche, als ein aufmerksamer Journalist des Online-Nachrichtenportals Vocativ einen Artikel darüber schrieb, dass im russischen Social Network VKontakte ein „Miss Hitler“-Schönheitswettbewerb stattfindet.

Das Ganze wurde offiziell auf den Namen „Miss Ostland“ getauft (eine Anspielung auf das Reichskommissariat Ostland, die von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs besetzte Gegend im Baltikum). So wurde dem Wettbewerb ein geografischer Anhaltspunkt gegeben, wie es zum Beispiel bei Miss America auch der Fall ist. „Miss Hitler“ klang jedoch schmissiger, deswegen verwendete die Presse diesen Namen.

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Natürlich war nie ein wirklicher Schönheitswettbewerb geplant, bei dem die Bewerberinnen zwischen Hakenkreuz-Bouquets stehen und der Jury erklären, warum sie Eva Braun so bewundern. Das Ganze war nur ein Social-Media-Scherz und lässt sich auf einen Post der Adolf-Hitler-Fanpage von VKontakte herunterbrechen, der zum Einschicken von Bewerbungen aufruft. Für eine Teilnahme waren sechs Dinge notwendig, die im Grunde nur auf „Sei ein weiblicher Nazi mit einem sexy Foto“ hinauslaufen. Potenzielle Miss Ostlands wurden dazu aufgefordert, „andere Nazis zum Liken deines Bildes zu bewegen“ und davor gewarnt, „die Bilder der anderen Frauen runterzumachen.“ Anscheinend hassen russischen Neonazis nur eine Sache mehr als Minderheiten, nämlich Internet-Drama.

Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Vocativ-Artikels wurde die gesamte Adolf-Hitler-Seite von VKontakte gelöscht und durch eine entschuldigende Nachricht ersetzt.

Gleichzeitig verbreitete sich das Thema aber auch wie ein Lauffeuer durch die Medien und es gab einen mittelmäßigen Shitstorm.

Vocativ hat ganze Arbeit geleistet: Das Portal verschaffte VKontakte ungewollte Aufmerksamkeit und erreichte so, dass die Hitler-Fanseite vom Netz genommen wurde. Aber eigentlich geht das Ganze jetzt erst richtig los. Zwar wurde bereits ein Update veröffentlicht, aber das haben [wohl noch nicht alle mitbekommen](http:// https://twitter.com/search?f=realtime&q=miss%20hitler&src=typd ).

Anscheinend haben dabei nur 14 Frauen mitgemacht. Außerdem hat sich keine der großen faschistischen Gruppierungen Russlands zu dem Ganzen bekannt. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass Rechtsextremismus in Russland in letzter Zeit wieder an Zuspruch gewinnt.

Laut dem aktuellsten Bericht des Think-Tanks SOVA Center sind im Jahr 2014 bis jetzt 14 Todesfälle und 77 Verletzungen verzeichnet worden, die durch rassistisch motivierte Gewalt hervorgerufen wurden. Im Mai wurde eine Gruppe sambischer Studenten grundlos und hinterhältig angegriffen. Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Verbrechen im Stadtzentrum von St. Petersburg und nicht in irgendeiner dunklen Provinzgasse stattfand.

Einige Russen haben kein Problem damit, ihren Rassismus offen zum Ausdruck zu bringen. Das musste der Fußballspieler Yaya Touré letztes Jahr bei einem Champions-League-Spiel feststellen, als Moskauer Fans ihm von der Tribüne aus rassistische Beleidigungen an den Kopf warfen. Wegen anderer ähnlicher Vorfälle wurde der Verein ZSKA Moskau bestraft: Drei weitere Spiele in der Königsklasse finden ohne Zuschauer statt. So haben die rassistischen Fans gar nicht erst die Möglichkeit, ihren Auftritt zu wiederholen. Touré hat auch schon angekündigt, dass afrikanische Spieler nicht bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland antreten werden, wenn sie sich nicht sicher fühlen.

Die Adolf-Hitler-Fanpage konnte zwar schnell gelöscht werden, aber im echten Leben ist Faschismus leider nicht so einfach auszumerzen.