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Auge in Auge mit einem mutmaßlichen NSU-Sympatisanten

Heute wurden die Räumlichkeiten von David Petereit im Rahmen der Ermittlungen zum„NSU“ durchsucht. Vor einiger Zeit trafen wir diesen furchtbaren Nazi persönlich.

Bestimmt erinnert ihr euch noch an unseren kleinen Ausflug ins beschauliche mecklenburg-vorpommersche Dorf Jamel, das in der Presse schlicht und ergreifend als „Nazidorf“ tituliert wird. Neben der Entdeckung dieses grässlichen „Happy Holocaust“-Grills unterhielt sich unsere stellvertretende Chefredakteurin Barbara in diesem Kontext auch mit David Petereit, seines Zeichens ehemaliger Herausgeber der Neonazi-Publikation Der Weiße Wolf und stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Meckpomm. Seit heute Morgen werden nun seine Räumlichkeiten vom Bundeskriminalamt im Rahmen der Ermittlungen zu der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ durchsucht. Wir haben mit Barbara über ihr damaliges Zusammentreffen mit Petereit gesprochen.

VICE: Hey Barbara, wie war das so, als du Petereit getroffen hast?
Barbara Dabrowska: Ich hatte im Rahmen meiner Recherche für den Artikel letztes Jahr einen Termin mit Herrn Köster im NPD-Bürgerbüro ausgemacht. Als ich ankam, war ziemlich schnell klar, dass er uns versetzt hatte und erst in einer Stunde kommen würde. David Petereit sprang dann ein, um uns bei so etwas wie Laune zu halten. Ich nehme an, du hast ihm ganz schön Feuer unterm Arsch gemacht. Wie hat er sich geschlagen?
Er war wahnsinnig bemüht darum, freundlich zu wirken und eine gewisse Nähe aufzubauen, weil wir beide was mit Medien machen … wenn du sein Infoportal MUPInfo so nennen willst. Trotzdem fand ich ihn, genau so wie Köster, sehr verbissen und auf eine ganz unangenehme Art und Weise hardcore. Das sind Typen, die sich z.B. weigern, ein ausländisches Auto zu fahren, und mit wirren Wirtschaftstheorien ankommen; nach dem Motto, es würde allen auf der ganzen Welt viel besser gehen, wenn jeder in seinem Land bleiben würde und nicht ständig alle über die Grenzen in andere Länder gehen würden. Er hat sich quasi selbst als Humanisten positioniert, dem das Wohl der Weltbürger am Herzen liegt und es eben allen besser gehen würde, wenn nicht die Deutschen den Polen die Arbeitskräfte klauen, dann die Polen den Ukrainern usw. Ich musste mir ziemlich oft mit den Fingernägeln in die Unterarme kneifen, um meine Haltung zu wahren. Was war dir besonders unangenehm?
Er hat von sich aus diese Geschichte angesprochen, wo sein Kollege Köster auf eine am Boden liegende Frau eingetreten hat und es dann so erzählt, als sei Köster bei der ganzen Nummer das Opfer einer Hetzkampagne gewesen, und wenn man so etwas hört und weiß, wie es wirklich war, läuft es einem kalt den Rücken runter. Ich meine, dass jemand vermummt war und deswegen „als Frau nicht zu erkennen“, macht es nicht besser, auf ihn einzutreten. Das war so ein Moment, wo ich einfach dachte: „Wow, wie kann jemand nur so meilenweit von meiner Vorstellung von Menschlichkeit entfernt liegen und das Ganze auch noch mit so einer beeindruckenden Überzeugung rüberbringen?“ Wenn jemand immer wieder die Begriffe Opfer und Täter so gegensätzlich verwendet, dass man tatsächlich denkt, er ist voll und ganz von der Richtigkeit seines Handelns und seiner Einstellungen überzeugt—auch wenn das für mich menschlich nicht nachvollziehbar oder tolerierbar ist—dann denke ich mir natürlich: „Keine Ahnung, wozu der fähig wäre …“ An Köster und Petereit sieht man ja schon äußerlich, wie sich die Nazis positionieren wollen, um in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen. Nichts mit Glatze und Springerstiefeln, sondern schön bieder …
Ja, das dachte ich vor dieser Begegnung auch, aber gerade diese anzugtragenden Typen, die aussehen wie Familienväter—was sie, glaube ich, sogar beide sind—und sich wie im Falle von Petereit sogar ganz gut ausdrücken können und, ich muss es leider zugeben, sogar so etwas wie Humor besitzen, das fand ich nach diesem Erlebnis viel gruseliger. Vielleicht war es Kopfkino, aber ich habe damals wirklich gehofft, dass sie nicht wissen, wo ich übernachte. Das sind Typen, die—im Gegensatz zu eher harmlosen Mitläufern—im ganzen Land Kontakte und Strukturen haben und dann bekommt man immer wieder dieses ganz schizophrene Bild von ihnen mit, also dass sie einerseits diese nach außen hin seriöse und gemäßigte Seite haben und dann trotzdem selbst in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt sind, dass es nicht mal diese klare Abgrenzung gibt zwischen „Fußvolk“ und „Anführern“ gibt, sondern jeder von denen einfach selbst in sich schon diese zwei Seiten hat. Irgendwie war ich sehr beeindruckt von dieser grenzenlosen Dummheit, dass sie ihr eigenes Image immer wieder aufs Spiel setzen, statt sich die ein oder andere gewalttätige Auseinandersetzung einfach mal zu verkneifen und dadurch viel besser nach außen hin den Schein zu wahren, dass die NPD seriös ist und Gewalt nur von richtigen Klischee-Nazis verübt wird. Dummheit?
Naja, also theoretisch könnten sie dem Verfassungsschutz das Leben doch viel schwerer machen, indem sie konsequenter trennen würden zwischen „gewaltbereiten Nazis“, quasi dem Fußvolk, und den „Politikern“, die sich fein raus halten und so tun, als würden sie ihre rechten Ideologien ganz gemäßigt und zum Gute aller Menschen durchsetzen. Bei leichtgläubigen und frustrierten Wählern leisten sie ja ganze Arbeit, indem sie ihnen bei Problemen zur Seite stehen, z.B. bei Hartz-IV-Issues, oder mit Festen für Kinder, wo arme Kids aus unterprivilegierten Familien auch mal was Schönes erleben. Aber Gott sei Dank macht ihnen ihre eigene Dummheit, bzw. Unfähigkeit, ihren Hass oder ihre Frustration besser zu zügeln, immer wieder einen Strich durch die Rechnung und dann geben sie sich ja ganz easy als die gewaltbereiten Demokratiefeinde zu erkennen, die sie sind.
 
Gab es eigentlich etwas, was du dich nicht getraut hast anzusprechen, als du dort warst?
Ich wollte sie erst mit dem „Happy Holocaust“-Grill konfrontieren, wenn ich ein Kamerateam bei mir hatte. Abgesehen davon hatte ich ein echt ungutes Gefühl bei dem Gedanken, ihnen meine polnische Herkunft zu offenbaren. Wenn man sich auf MUPinfo mal durchklickt, gibt es dort eine Menge Artikel, in denen Petereit oder irgendwelche Autoren, die für ihn tätig sind, ständig auf Polen herumreiten, die in der Gegend dort angeblich dauernd Einbrüche und Diebstähle begehen. Die Atmosphäre beim Gespräch war mir ohne diese Info schon unangenehm genug, da hab ich mir das gespart. Außerdem war es extrem schwierig, mir die ganze Zeit auf die Zunge zu beißen, wenn sie mit ganz dubiosen Begründungen dafür ankamen, warum ich mir nicht den Hinterhof des Thinghauses anschauen durfte, wo eben der Grill stand, den ich ja vorher schon beim Blick über den Zaun entdeckt hatte.
 
Wie ist es jetzt für dich, wenn du liest, dass der Typ wahrscheinlich tatsächlich etwas mit dem NSU zutun hatte?
Rückblickend taucht es natürlich mein Erlebnis noch einmal in ein ganz anderes Licht. Viele Momente, wo ich einfach ein ungutes Gefühl hatte, weil mir klar war, dass sie ständig etwas verheimlichen oder herumdrucksen, erscheinen jetzt natürlich im Nachhinein noch extremer. Die Welt der NPD und der Rechten scheint mir auf jeden Fall sehr viel enger vernetzt zu sein, als die meisten sich das vorstellen. Wo sonst gibt es so ein bizarres Gebäude, aus dem heraus jemand wie Petereit seine Propaganda verbreitet, in dem jemand wie Köster seinen Wahlkampf betreibt, in dessen Hinterhof ein makabrer „Happy Holocaust“-Grill steht und wo dann noch irgendwelche Partys gefeiert werden.
 
Klingt wie eine explosive Mischung …