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Drogen

Badesalz, Orgien, Mord und Anti-Virus-Software

Wenn die Gesellschaft eines von der Seifenoper, die sich gerade im Leben des Multimilliardärs John McAfee abspielt, lernen kann, dann Folgendes: Die psychotrope Substanz MDPV—auch unter dem Namen Badesalz bekannt—, konsumiert man am besten rektal.
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John McAfee

Wenn die Gesellschaft eines von der Seifenoper, die sich gerade im Leben des Multimilliardärs John McAfee abspielt, lernen kann, dann Folgendes: Die psychotrope Substanz MDPV—auch unter dem Namen Badesalz bekannt—, konsumiert man am besten rektal. „Nimm nicht zu viel,“ schrieb McAfee vor zwei Jahren unter seinem Nicknamen Stuffmonger in ein Psychonautenforum. „Benetze deinen Mittelfinger mit etwas Spucke, press ihn auf die Dosis und führ ihn ein. Hört sich schmerzvoller an, als es ist. Wir befinden uns an einem Schauplatz (Drogen/Libido), durch den ich steuere wie jeder andere hier. Wenn ihr euch meinen Rat zu Herzen nehmt (mag für manche ekelhaft klingen), werdet ihr es nicht bereuen.“ Der Ratschlag lag ganz im Zeichen der eitlen Wichtigtuerei, zu der er neigte. Aber so fern von der Wahrheit war es gar nicht entfernt. Es schien, als würde John McAfee jede wache Sekunde damit verbringen, den verdammten Tag zu nutzen. Er war ein Mann, der Sex-Yoga praktizierte. Einer, der den lächerlich gefährlichen Sport Aerotrekking ausübte. Der mit einer Entourage aus Speichelleckern um sich die Welt durchschritt, sein Geld in überdimensionale Yachten, Designer-Chemielabors, Bodyguards und Pumpguns investierte und es als sein Lebensziel ansah, seinen Penis in so viele junge Frauen wie nur irgendwie möglich zu stecken. Laut von Gizmodo gesammelten Berichten enger Freunde waren „Drogen, die bei Frauen sexuelles Verhalten auslösen“ so etwas wie sein Heiliger Gral. Er lebte für das Vergnügen. Für die einfachste, hedonistische Form des Vergnügens und—wenn man die Augen etwas zusammenkniff—konnte man in ihm sogar eine Art gestörten Volksheld sehen.

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Aber jetzt ist jemand tot, und es fällt um einiges schwerer, über den Witz zu lachen.

Gregory Faull

Letzten Samstag fand die Polizei in McAfees Haus in Belize die Leiche seines Nachbarn Gregory Faull mit einer Schusswunde am Hinterkopf. Seitdem ist der Vater der Antivirussoftware auf der Flucht, wobei er das Wired Magazine alle halbe Stunde mit Updates über sein Befinden beliefert. Ja, das Wired Magazine.
Silicon-Valley-Gewohnheiten wird man nicht so schnell los.
 
Er erzählte ihnen, er hätte sich zur Tarnung die Haare gefärbt. Er sagte, er habe sich vor den Polizisten, die sein Haus durchsuchten, versteckt, indem er sich selbst im Sand eingrub, mit einer Pappschachtel überm Kopf.
Wie es sich für einen Mann gehört, der verstärkt das auch als Paranoia-Blizzard bekannte MDPV konsumiert, behauptete er, dass dies alles Teile eines Komplotts mit dem Ziel, ihn zu zerstören, seien. Und als ob es noch einen Beweis dafür gebraucht hätte, dass es sich bei McAfee um einen Mann an der Schwelle zum Wahnsinn handelt, verglich er sich selbst auch noch mit Julian Assange.
 
Damals, als der Besitzer von Tumblr noch nicht geboren war, war McAfee der König des Virusschutzes. Während er Ende der 80er als Ingenieur bei Lockheed arbeitete, verschwendete er viel Zeit mit dem Versuch, Viren dingfest zu machen, bis er über die Idee für ein Programm stolperte, das sie automatisch löscht. Im Jahr 1992 ging er mit der McAfee Company an die Öffentlichkeit und strich 100 Millionen Dollar ein. 1994 zwang man ihn dazu auszusteigen, nachdem er überall behauptet hatte, dass das Michelangelo-Virus am 6. März 1992 alle Computer der ganzen Welt lahm legen würde. Es tat es nicht.
McAfee stand blöd da. Er stand aber auch ziemlich reich da. Unglaublich reich. Nun, da ihm das Geschäft, das er gegründet hatte, aus den Händen gerissen worden war, befand sich McAfee im zarten Alter von 47 Jahren praktisch im Ruhestand. Was sollte ein Mann voller Tatendrang und voller Visionen mit dem Rest seines Lebens anfangen? Die Antwort darauf: „In zunehmendem Maße wahnsinnig werden.“ Schon Generationen von unglaublich reichen und überdurchschnittlich einfallsreichen Individuen vor ihm erging es nicht anders.
 
Damals, als Teenager, war McAfee ein Hippie. Tatsächlich hat er die gleiche sinnsuchende Delhi-Nepal-Route hinter sich, die Steve Jobs in den Monaten, bevor er Apple gründete, bereist hatte. Während Jobs zu einer Art Hi-Tech-Maharishi wurde, weist McAfee mittlerweile Züge von Charlie Manson auf. Genau wie Manson fokussierte er all seine spirituelle Kraft darauf, seinen Geist wahrhaftig zu erweitern, indem er zum Beispiel versuchte, alle gesellschaftlichen Ketten loszuwerden. In seiner Welt existierten keine spießbürgerlichen Moralvorstellungen. Es gab nur Drogen, Geschlechtsverkehr, Extreme der persönlichen Macht und riesige Ansammlungen von Hunden und Pumpguns.

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Das Haus, in dem der Aerotrekking- und Badesalz-Fan McAfee wohnte.

Sicher, wir behaupten alle, dass wir, sobald wir der Riege der Superreichen angehören sollten, unseren Reichtum dazu nutzen würden, für etwas mehr Menschlichkeit zu sorgen. Ein Waisenhaus bauen. Die obligatorische „Weltreise“ machen. Aber im tiefsten Inneren wissen wir doch alle, was wir tun würden: Wir würden uns Nutten kaufen. Wir würden uns eine Festung in irgendeinem Schurkenstaat bauen lassen. Wir würden, genau wie McAfee, eine Art sexbesessenen Yoga-Ashram gründen, in dem wir von heimatlosen Kindern umgeben sind, die allesamt finanziell auf uns angewiesen sind. Bereitwillig würden wir die 150 Dollar teuren Taxifahrten von San Pedro zu unserem Lager zahlen, damit der Strom aus frischen Frauen, die uns bei unseren mit Badesalz angefeuerten Gang-Bang-Partys Gesellschaft leisten, niemals versiegt.

Wir könnten sogar, wie es McAfee scheinbar getan hat, der Küstenwache von Belize eine Millionen-Dollar-Yacht spendieren, darauf hoffend, dass dies von den merkwürdigen Chemikalien ablenkt, die wir in unserem Labor zusammenbrauen würden.

Die Tragödie des McAfees ähnelt der des König Midas. Hätte er anstatt für Lockheed für McDonald‘s gearbeitet, würde er sich heutzutage vermutlich jeden Tag zur Arbeit schleppen wie jeder andere auch. Stattdessen drückte die Gesellschaft einem Menschen mit dem emotionalen IQ einer Kartoffel aus heiterem Himmel hundert Millionen Kröten in die Hand. Und dann wundern sie sich, wenn sich das Ganze 20 Jahre später als nicht ganz so brillante Entscheidung herausstellt.

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Es ist eine traurige Geschichte. Aber kein Einzelfall in der New Economy.

Über 20 Jahre hinweg wurden uns ständig verwegene Neugründungsmagier aufgetischt, denen ihre ersten paar Millionen hinterher geworfen wurden.

Wenn sich diese Menschen von den Firmen, die sie gegründet haben, lösen und sich mit einem unerschöpflichen Scheckbuch auf der Straße wiederfinden, kann man davon ausgehen, dass seltsame Dinge geschehen werden.

Stellt euch vor, zu was für einem Firmen-Caligula sich zum Beispiel Zuckerberg, dieser Hundert-Milliarden-Dollar-Mann, entwickeln könnte, wenn er das Alter eines McAfees erreicht hat.

Silicon Valley wurde einst auf dem naiven Optimismus errichtet, dass die nächste Generation der Technologie von den „guten Jungs“ entwickelt wird. Googles berühmter Leitsatz enthält die Worte „Don't Be Evil“. Und trotz all der warmherzigen Schwingungen, mit denen große Technologie bisher immer einherging, gibt es keine Garantie, keine Rechnungen und keine Bilanzen dafür, dass das auch in Zukunft so sein wird.