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Bringt die irakische Regierung Lesben und Schwule um?

Dieser Mann sagt, dass Lesben, Schwule, Bi-Sexuelle und Transsexuelle im Irak von Todeskommandos verfolgt werden.

Vor einigen Tagen hat die International Gay & Lesbian Human Rights Commission einen Bericht vorgelegt, der behauptet, dass im Irak Lesben, Schwule, Bi-Sexuelle und Transsexuelle von Todeskommandos verfolgt werden. Dem Bericht zufolge wurden Anfang letzten Monats Bekanntmachungen an den Häusern von als lesbisch, schwul, bi-sexuell und transsexuellen Verdächtigten in Bagdad und Basra angebracht. Sie hätten vier Tage, ihre Sexualität zu reformieren oder der Zorn Gottes würde sie treffen. Laut Quellen im Irak wurden diese 40 Menschen entführt, gefoltert und schließlich ermordet. Außerdem soll laut einiger Quellen die irakische Regierung in diese Morde involviert sein. Ich habe mit Ali Hili, einem schwulen Iraker, der in London lebt und Begründer der gemeinnützige Organisation Iraqi LGBT ist, gesprochen. VICE: Hallo Ali, ich gehe mal davon aus, du hast von den Berichten über die LGBT-Todeskommandos im Irak gehört?
Ali: Na ja, für uns war das nichts Neues, diese Welle der Gewalt dauert seit 2005 an. Die Medien haben sich nicht um das Thema gekümmert oder es einfach ignoriert. Passiert so etwas häufig?
Das tut es, ja. Wir haben bisher 750 Todesopfer gezählt. Guter Gott. Wie erfahrt ihr von den Toten?
Wir bekommen diese Informationen von vertrauenswürdigen Quellen aus dem Irak. Sie werden uns mit Totenschein verifiziert. Oder per Bild oder Video.

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Ein erschütterndes Bild, das ein Opfer der Badr-Organisation zeigt.

Wisst ihr, wer diese Gräueltaten begeht?
Die Milizen und die Polizei. Das Badr-Corps [so wurde die Badr-Organisation genannt, als sie noch eine Miliz war] und Al-Mahdi, eine Miliz, die den Süden Iraks kontrolliert.

Macht die irakische Regierung irgendwas dagegen? Wie sieht es um die offizielle Rechtslage der Schwulen und Lesben im Irak aus?
Unsere Regierung unterstützt die Mörder in großem Maß. Ich denke, der Hauptgrund für die Morde im Moment ist, dass man den Leuten prinzipiell grünes Licht vom Innenministerium gegeben hat, ihren Genozid fortzuführen. Man macht überhaupt nichts, um Kriminelle zur Strecke zu bringen oder um diese grundlose Gewalt zu stoppen. Dennoch behauptet das Innenministerium, es hätte angeblich nichts mit diesen Verbrechen zu tun. Gibt es irgendeinen Schutz für Schwule und Lesben im Irak?
Die Rechtslage für sexuelle Minderheiten ist eine Grauzone, wir haben keine Rechte in der Verfassung, es gibt keine Erwähnung von unseren Rechten im Allgemeinen. Punkt. Das Problem mit dem Gesetz im Irak ist im Moment, dass unsere Regierung sich nicht dazu äußern möchte, ob sie entweder für oder gegen die Rechte von Schwulen und Lesben ist. Also gibt es keine Stellungnahme?
Nein. Und das haben wir der amerikanischen Regierung zu verdanken. Seit ihrem Einmarsch hat sie jede Erwähnung von Strafen für Schwule und Lesben entfernt. Und sie hat nichts dafür getan, die Rechte für sexuelle Minderheiten in der Verfassung zu verankern. Was passierte also vor der US-Invasion mit Leuten, die dabei erwischt wurden, LGBT zu sein?
Wenn man zwei Menschen bei sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit erwischte, das betraf auch Penetration, bedeutete das drei bis sieben Jahre Gefängnis. Aber während meines gesamten Lebens im Irak habe ich nie davon gehört, dass Leute dafür bestraft wurden. Vielleicht ein oder zwei Mal, aber nicht flächendeckend. Lag es daran, dass man sie nicht erwischt hat oder interessierte das niemanden?
Eigentlich konnte man durch Bestechung der Polizei relativ leicht davon kommen oder wenn man die richtigen Leute kannte. Man kann sich ziemlich leicht rauswinden, wenn man Geld oder Einfluss hat.

Nach Angaben der Gay Star News, werden auch „Emos“ von den Todeskommandos ins Visier genommen. Dieses Bild verwendet Iraqna News, um zu zeigen, was Emos sind. Wie war das Leben als Schwuler im Irak so?
Um ehrlich zu sein, war es vor der Invasion ziemlich gut. Mir passte der damalige Diktator nicht und ich war gegen ihn und seine Politik im Allgemeinen. Abgesehen davon war das Leben für sexuelle Minderheiten viel entspannter. Wir hatten Clubs und Gegenden, wo Menschen kommen, gehen und machen durften, wie und was sie wollten. Niemanden hat das gestört. Es gab einen öffentlichen Cruising-Treffpunkt im Zentrum von Bagdad, der von Polizei-Patrouillen geschützt wurde. Das glauben Leute nicht mehr, wenn ich ihnen heute davon erzähle. Wann wurden die LGBT-Clubs geschlossen? Wann verschwand der Schutz für eure Gemeinschaft?
Als die Amerikaner und das Vereinigte Königreich in den Irak einfielen. Das beendete die säkulare Zeit im Irak und es wurde sehr mittelalterlich, es wurde eine fanatisch religiöse Phase des Iraks. Das Ganze brachte uns eine schiitische Regierung mit einer aus dem Iran importierten Ideologie. Sie nahmen deren Lebensstil und kulturelle Gewohnheiten an und zwangen sie der irakischen Gesellschaft auf. Gibt es private LGBT-Treffen? Oder gibt es keine schwule Gesellschaft mehr?
Wir treffen uns, wir haben ein Netzwerk, aber es ist geheim. Schwule und lesbische Beziehungen sind unmöglich im Moment. Wir raten jedem, der dort lebt oder arbeitet, unterzutauchen. Wir raten den Leuten, ihr Aussehen und Verhalten zu ändern, um mehr im Einklang mit der restlichen irakischen Gesellschaft zu stehen. Wir raten Männern, kein Make-up, enge Kleidung oder lange Haare zu tragen. Einfach männlicher zu sein. Es ist traurig, aber das könnte ihnen das Leben retten. Wie fanden die Leute heraus, wer Mitglied eurer Gruppe ist?
Wir haben alles offen gemacht. In manchen Gegenden haben wir über 12.000 Broschüren verteilt, um Werbung für uns zu machen. Wir haben Beweise für Leute, die eingesperrt und geschlagen wurden, nur um Namen und Informationen über unsere Mitglieder preiszugeben. Momentan wird von 40 Leuten berichtet, die getötet wurden, weißt du etwas darüber?
Seit letztem Monat gab es eine Welle von Angriffen gegen Einzelne, besonders in armen, schiitischen Gegenden im Süden der Stadt. Dies sind Gegenden, von denen wir wissen, dass sie am gefährlichsten sind. Sie haben sich umgeschaut nach Leuten, die dafür bekannt sind, „pervers“ zu sein, wie sie es nennen. Sie haben nachgeforscht und verhört. Sie haben die Leute geschlagen und gefoltert, um so viele Informationen wie möglich heraus zu bekommen, andere zu identifizieren und sie zu töten. Wer tut so etwas? Sind das Milizen oder die Polizei?
Beide. Es sind Regierungstruppen, die die Todeskommandos leiten, welche seit 60 Jahren Sunniten und andere gezielt umbringen. Auch die südliche Miliz, ein Flügel der Mahdi-Armee, ist beteiligt. Danke für das Gespräch und viel Glück.