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Ein Wiedersehen mit dem Berliner Opfer des Kanada-Kannibalen

Was macht eigentlich Kadir Anlayisli? Kadir ist der Typ aus dem Internet-Spätkauf in Berlin-Neukölln, der den „Porno-Killer“ Luka Magnotta aus Kanada erkannte und ihn so in den Knast brachte.

Was macht eigentlich Kadir Anlayisli? „Wer ist eigentlich Kadir Anlayisli?“, fragst du dich vielleicht gerade. Kadir ist der Typ aus dem Internet-Spätkauf in Berlin-Neukölln, der Anfang Juni den „Porno-Killer“ Luka Magnotta aus Kanada erkannte und ihn so in den Knast brachte. Magnotta nutzte einen der PCs im hinteren Teil des Ladens, um den aktuellen Stand seiner Fahndung zu checken. Kadir erkannte ihn, rief die Polizei, Magnotta wurde verhaftet—und ein Held ward geboren. Endlich konnte sich die gesamte Presselandschaft in diesen trostlosen Tagen unserer Zeit mal wieder über einen Helden freuen. Wir haben damals auch über Kadir und „die Geschichte hinter der Geschichte“ berichtet. Wir wollten also wissen, wie es Kadir heute, knapp drei Monate nach dem Spektakel um seine Person, so geht und haben ihn im Späti in der Karl-Marx-Straße noch einmal besucht. RTL war diesmal nicht da. Die hatten mich damals noch gefragt, ob Kadir für mich ein Held sei.

Held hin oder her, reich ist er bestimmt geworden damit, oder? Das hieß es zumindest damals auf der Straße und in manchen Medien. Das Kopfgeld stünde ihm ja zu. Oder vielleicht hängen Hunderte Ehrenkunden im Späti, die ihm Kanada ausgestellt hat? Ne. Nix. Kanada hat sich nicht mal bei ihm gemeldet. Kein Anruf, nichts. Nicht einmal die Kanadische Botschaft, obwohl die ja gar nicht so weit weg ist. Das enttäuscht ihn schon ein bisschen. „Das finde ich schwach, dass von der kanadischen Regierung nichts kommt. Die wissen ja, wo ich arbeite.“ Ins Frühstücksfernsehen nach Kanada wurde er auch nicht eingeladen, obwohl die damals bei ihm angerufen hatten.

Was ihn auch nervt, ist, dass viele in seinem Umfeld wirklich denken, er sei jetzt tatsächlich reich oder habe zumindest einen Haufen Kohle durch die ganze Sache verdient. Denn bisher sind nur 500 US-Dollar von der amerikanischen Tierschutzvereinigung „Rescue Ink“ geflossen. Die versprachen ihm eigentlich 5000 US-Dollar Belohnung. Magnotta hatte schließlich auch Katzen getötet. Bisher ist aber nur ein Zehntel davon eingegangen. Interessant auch, dass Katzen, monetär gesehen, so wie es aussieht, mehr wert sind als Menschen. Die Familie des Opfers hält es nicht für nötig, ein Wort des Dankes zu schicken. „Finde ich irgendwie auch traurig. Ist ja ihr Kind gewesen.“ Kanada zeigt kein Interesse an Kadirs Mut, aber PETA & Co. lobten Kadir in den Himmel. Andererseits freut sich Kadir, dass viele Leute meist positiv auf ihn reagieren. Er wird in Neukölln immer noch erkannt, die Leute winken ihm zu und freuen sich, ihn zu sehen. Es kommen auch immer noch Touristen vorbei, vor allem aus Kanada, die um ein Foto mit ihm bitten. Die Geschäfte laufen mittlerweile auch wieder besser und eigentlich sogar besser als vorher. Wie eigentlich die deutsche Polizei reagiert habe, frage ich ihn. Auch keine Reaktion? „Doch, doch! Ich habe eine Urkunde erhalten und 100 Euro Belohnung. Das hat mich richtig gefreut. Die haben sich ganz stark bei mir bedankt und mir gesagt, wie mutig das war.“ Und ein Gutes hat das Ganze dann doch noch für Kadir, auch wenn die „Millionen“ ausbleiben: Kadir lebt nach eigenen Angaben seit fast 40 Jahren in Deutschland, ist aber noch kein deutscher Staatsbürger. Das wäre er aber sehr gerne. Die Berliner Polizei hat ihm nun wegen seines Heldenmutes ihre aktive Unterstützung für seinen Staatsbürgerschaftsantrag zugesagt. Ach, Deutschland … „Die kanadische hätte ich auch noch gerne“, scherzt Kadir bei der Verabschiedung. Trotz des globalen, 15-sekündigen Wahns um seine Person ist der ruhige Späti-Verkäufer tatsächlich und zum Glück auf dem Boden geblieben. „Ich habe nur getan, was jeder getan hätte“, betont er noch einmal.