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Wie schwul ist die katholische Kirche wirklich?

Gestern sprachen wir mit David Berger über kreuz.net und heute erzählte er uns, wie sich schwule Priester im Saunaclub verhalten.

Vor ein paar Tagen haben wir mit David Berger über kreuz.net gesprochen und wie er es anstellen will, mit Hilfe eines Kopfgeldes von 15.000 Euro diesen Verlierer-Verein zu Fall zu bringen. Das war aber noch nicht alles, David war ja bekanntlich eine der großen Nachwuchshoffnungen der deutschen konservativen Theologen, was aber nichts daran ändert, dass er mittlerweile seit 22 Jahren mit seinem Partner zusammen ist, den er auch zu Veranstaltungen in Rom mitnahm, wo er offiziell der Cousin war, der im Hotel im Nachbarzimmer schlief. David weiß eine Menge über die ganzen schwulen Strukturen, die sich über Jahrhunderte hinweg in der katholischen Kirche etabliert haben und natürlich hat er uns auch davon erzählt. VICE: Du hast schon über die benediktinische Wende gesprochen, abgesehen davon, dass damit eine viel größere Homophobie und ein viel größerer Konservatismus einhergeht, kapselt sich die Kirche auch viel mehr von der normalen Gesellschaft ab, oder?
David Berger: Es ist die alte Mentalität: Wir mauern uns in unsere Festung und unsere Bastion ein, und draußen ist die böse Welt—und wir sind die reine Welt der Heiligen. Das erinnert ein bisschen an Kinder, wo in der Familie ganz viel Stress vorhanden ist. Dann versetzten sie sich in ihrer Fantasie in Barbies rosa Traumhaus und leben nur in diesem Traumhaus, wo alles wunderschön ist und sich alle gut verstehen. Das ist mein Eindruck von der katholischen Kirche. Weil man hinten und vorne nicht zurecht kommt mit den Konflikten, die sich mit der säkularen Welt ergeben, zieht man sich, zwar nicht in Barbies rosa Traumhaus, aber in Benedikts Sakristei zurück. Das ist ja alles so eine märchenhafte eigene Welt, vor allem, wenn man diese Messen sieht, die nach dem Tridentinischen Ritus ablaufen. Schon ziemlich schwul, oder?
Ja, sowieso. Es musste ja auch schwul sein, man darf ja nicht vergessen, die katholische Kirche hatte ja eine ganz wichtige Funktion in Hinblick auf die homosexuelle Welt. Es gab ja bis vor wenigen Jahren über Jahrhunderte hinweg nicht die Möglichkeit, sich zu outen und schwul zu leben, sondern man konnte entweder als komischer Onkel auf dem Land leben, und alle haben dann gefragt: „Warum bist du noch nicht verheiratet?“ Oder man musste eine Notheirat eingehen, die einen nicht glücklich gemacht hat. Und dann ist man eben katholischer Priester geworden.
So musste man sich vor keinem rechtfertigen, dass man nicht verheiratet war. Es war ja zu dem Beruf zugehörig, dass man nicht verheiratet ist. Da hat die katholische Kirche ein Berufsprofil entwickelt, das wie gemacht war für schwule Männer. Zudem ein Schutzort, auch wenn das natürlich schon damals mit bestimmten Mitteln der Erpressung und Unterdrückung einher gegangen ist. Aber immerhin so, dass sie ihre Identität, in diesen Männergemeinschaften, vielleicht in Ansätzen leben konnten. Das hat sich dann aber auch geändert, als die Gesellschaft offener geworden ist.
Genau zu diesem Zeitpunkt entsteht ein ganz radikaler Priestermangel. Die Leute haben jetzt andere Möglichkeiten, schwul zu sein, sie müssen nicht mehr katholischer Priester werden. Aber diese besondere Dichte an homosexuell veranlagten katholischen Priestern, die wir über Jahrhunderte in der katholischen Kirche hatten, hat natürlich auch eine Liturgie entstehen lassen, die aus heutiger Perspektive, falls es so etwas überhaupt gibt, vielleicht schwule Anklänge hat. Warum hat die Kirche überhaupt dieses riesige Problem mit Schwulen?
Ich sehe das Grundproblem darin, dass man ganz viele Homosexuelle in der katholischen Kirche hat, die ihre Sexualität nicht ausleben dürfen, können oder wollen. Dann kommt es zu einem Verdrängungseffekt, die haben ja nichts gegen Homosexualität generell, sondern gegen selbstbewusst und offen gelebte Homosexualität. Was dann auch bei dir irgendwann das Problem war?
Mit der versteckten, heimlichen Homosexualität ist alles in Ordnung. Das wird geduldet. Uta würde sagen: „Bis in höchste Kreise ist das die wichtigste Basis, um Karriere zu machen.“ Aber sobald es öffentlich, selbstbewusst gelebt wird, sobald Homosexualität zum Schwulsein, zu einem Lebensstil wird, indem man sagt, man ist schwul und hat damit kein Problem, das führt ihnen vor Augen, wie man selbstbewusst und locker mit seiner Sexualität umgehen kann. Da findet dann sofort ganz viel Projektion statt. Wir wissen ja aus neueren amerikanischen Studien, dass Homophobie immer aus unverarbeiteter, unverkrafteter eigener Homosexualität herrührt. Ich denke mir, so etwas ist in der katholischen Kirche ganz offensichtlich. Das sieht man ja auch bei kreuz.net.
Wenn man genauer hinsieht, ist es so eine Mischung aus nicht zugestandener Faszination von dem Ganzen. Warum brauche ich sonst ganze Bilderstrecken vom CSD? Warum muss man von dem „Urinduscher“ David Berger in allen Einzelheiten Bilder mit freiem Oberkörper veröffentlichen? Wenn ich nur eine Abscheu davor habe, dann beschäftige ich mich doch damit gar nicht. Das ist, wie wenn mein Hund ein Häufchen macht. Da pack ich das ein und steck es ganz schnell weg, weil ich damit nix zu tun haben will. Wenn ich jetzt darin wühlen und die ganze Zeit sagen würde „Ahh, ist das eklig!“, da glaubt mir doch keiner, dass ich das wirklich eklig finde, auch wenn ich 100 mal sage, dass ich das eklig finde. Haha. Wie sieht es mit dem Zölibat aus? Gibt es Leute im Klerus, die Sex haben?
Das ist ganz unterschiedlich. Bei den Priestern gibt es sie. Ich habe ja hauptsächlich mit den Priestern zu tun gehabt. Ich hatte den Vorteil, dass ich wirklich Laie war, aber trotzdem bei den Priestern in den Klöstern gewohnt habe, in der päpstlichen Thomas-Akademie, wo 80 bis 90 Prozent Priester, Bischöfe und Kardinäle waren. Ich glaube, es gibt da drei Gruppen. Es gibt da die Sublimierer, die ihre Sexualität und Sinnlichkeit in irgendeiner anderen Weise ausleben, häufig mit extremer Religiosität. Sie geißeln sich, was für mich ja auch eine Form von Sinnlichkeit ist, dann gibt es diejenigen, die alkohol- oder tablettensüchtig sind oder werden. Schließlich gibt es die Verdränger, die trotzdem ihre Sexualität ausleben. Und wie tun sie das?
Ich bin solchen Priestern oft in eindeutigen Situationen begegnet, als die noch ihr Hosentürchen zugemacht haben und als ich sie dann darauf angesprochen habe, ob sie auch schwul sind, haben sie sich strikt dagegen gewehrt. Damit ist das Problem dann natürlich auch gelöst, weil sie ja nicht schwul sind. Das sind die, die sich sehr radikal über Homosexualität äußern, wenn sie am nächsten Morgen in den Vorlesungen stehen. Und dann gibt es die Pragmatiker. Das sind meistens die freundlichsten Menschen, mit denen man am besten zurechtkommt. Zum Beispiel ein katholische Priester aus dem Kölner Raum, der mir erzählt hat, dass er seinen messefreien Tag immer auf den Tag legt, wo in der Kölner Gay-Sauna Phoenix der Eintritt billig ist, da dann am meisten los ist. Der stand nackt in der Sauna vor mir und hat zu mir gesagt: „Sie sind doch der David Berger.“ Wir sind dann ins Gespräch gekommen. Das ist ein ganz netter, alter, dicker Mann, wie man sich einen Priester vorstellt, aber dann ist er gleich wieder im Dampfbad verschwunden. Für die ist das nur eine pragmatische Frage. Die glauben an das eh alles nicht mehr. Die können nicht mehr raus aus dem Job. Solange die loyal bleiben und keinen Aufstand machen, können die in der Sauna machen, was die wollen.

Stefan Lauer auf Twitter