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Die Nicolas-Cage-Kunstausstellung war ein trauriger Witz

Das Internet liebt Nicolas Cage—allerdings aus den falschen Gründen. Jetzt wurden ihm mit einer absurden Ausstellung ein Denkmal gesetzt. Macht euch bereit für Cage im Sailor Moon Kostüm!
Alle Fotos: Sam Varela

Fotos: Sam Varela

Als einer der wenigen Schauspieler, die sowohl einen Eintrag bei IMDB als auch bei Know Your Meme haben, ist Nicolas Cage etwas ganz Besonderes unter den Celebritys. Nur so kann ich irgendwie verstehen, was das Internet mit diesem Mann gemacht hat. Cage war Jahrzehnte lang nur als halbwegs guter Schauspieler bekannt, der in den letzten Jahren immer wieder mal beschissene Rollen angenommen hat, um sich seine Kaufsucht zu finanzieren. Aber dann wurde auch eine ganze Generation nach ihm süchtig, die normalerweise lieber durch GIF-Bilder als mit Worten kommuniziert. Mir stellt sich dabei allerdings die ganze Zeit die Frage, ob es diesen Trend gibt, weil Nicolas Cage nun geliebt oder gehasst wird. Bei Berühmtheiten wie Morgan Freeman oder Bill Murray ist das anders, viel eindeutiger. Diese Männer werden wegen Nahaufnahmen ihres Gesichts verehrt und respektiert. Aber bei Nic Cage ist irgendwie alles möglich.

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Als ich von der Nicolas-Cage-Kunstausstellung in Downtown Los Angeles hörte, war ich deshalb sofort ganz heiß darauf, hinzugehen. Es handelte sich aber um keine normale Kunstausstellung: Das war eine richtige Party und nicht so wie diese spießigen, zugeknöpften Galerien, bei denen sich deine wohlhabenden Eltern mit genau so viel Wein betrinken, dass sie es für einen Moment bereuen, dich gezeugt zu haben, anstatt nach Spanien zu ziehen und expressionistische Bilder zu malen. Nein, dort gibt es auch Elektro-Musik und Schnaps. Eltern müssen draußen bleiben!

Der Eintritt betrug 20 Dollar (knapp 15 Euro) und die Getränke waren nicht enthalten. Aber hey, uns bot sich die Chance, die Bilder der ganzen DeviantArt-Profile in Echt zu sehen. Das war es wert!

Ich war eine halbe Stunde zu früh dran. Vor dem Eingang hatte sich bereits eine kleine Schlange gebildet. Einige Mädels haben sich so aufgetakelt, als ob sie gleich in einen Club gehen würden oder was auch immer junge, schicke Mädels heutzutage so machen. Neben ihnen stand ein Pärchen in Nicolas-Cage-Shirts. Jawoll! So was wollte ich sehen. Als sie sich umarmten, malte ich mir das Szenario aus, wie sie sich getroffen hatten. Sie postete in einem Internet-Forum ein Bild der Meerjungfrau Arielle mit Nicolas Cages Gesicht. Er antwortete darauf mit einem Bild von Prinzessin Belle mit Nicolas Cages Gesicht. Jemand anderes stellte daraufhin die Frage: „Warum postet ihr so was in einen Thread über Reizdarmsyndrom?“ Oh Mann, niemand versteht uns. Aber hier können sie ihrer Liebe freien Lauf lassen, ohne dass man über sie urteilt. Hier bei der Cage-Messe versteht sie jeder.

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Gegen 20 Uhr wurden wir dann reingelassen. Wir mussten erst drei Stockwerke in einem klapprigen Fahrstuhl nach oben fahren, der wahrscheinlich seit 50 Jahren nicht mehr gewartet wurde. Ich dachte mir: „Toll, ich sterbe bei einer Nicolas-Cage-Kunstausstellung.“ Wir sind jedoch heil im obersten Stockwerk angekommen und meine kleine Panikattacke war vorbei. Ich ging rein und in der Mitte des Raums saßen ein paar Leute auf Couches und redeten, während DJs in Pelzwesten Elektro-Musik auflegten. Weiter hinten konnte ich das Meiste der Kunst ausmachen. An den Wänden hingen Gemälde, Acryls und Farbdrucke. Die Räumlichkeiten waren ziemlich klein und muteten wie ein Labyrinth an. Wo ich auch hinschaute, Nicolas Cage blickte mir in die Augen. Er war überall.

„Auch wenn es paradox erscheinen mag, ist es trotzdem wahr, dass das Leben viel öfter die Kunst imitiert als die Kunst das Leben.“ — Oscar Wilde

Ich war mir sicher, dass ich gerade den gleichen Albtraum durchmachte, den Cages Ex-Frau Patricia Arquette oft erlebt haben muss. Nichts an der Kunst war irgendwie überraschend. Alles war so typisch, Nicolas Cage eben. Nicolas Cage schreit etwas über Bienen. Nicolas Cage als Elvis. Nicolas Cage in Sailor Moon. Nicolas Cage als Pokémon. Nicolas Cage in Arizona Junior.

„Ein Auge sieht, das andere fühlt.“ — Paul Klee

Im Grunde waren hier die gleichen Bilder zu sehen wie bei der Google-Bildersuche nach „Nicolas Cage funny“. Wenn du allerdings die Lust verspürtest, eines der Bilder in deinem Zimmer aufzuhängen, dann musstest du für einige Gemälde schon mehrere Hundert Euro auf den Tisch legen, für manche sogar mehrere Tausend (im Gegensatz zu den kostenlosen Online-Bildern). Ich denke also, dass wir das Ganze als Kunst ernst nehmen sollten.

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„Das Ziel der Kunst ist nicht, die äußere Erscheinung von Dingen darzustellen, sondern ihre innere Bedeutung.“ — Aristoteles

Eine Stunde war vergangen und immer mehr Cage-Fans tauchten auf. Die Ausstellung füllte sich und die Leute posierten vor den aufgehängten Memes. Je mehr mir bewusst wurde, was für ein Witz das Ganze war, desto mehr dachte ich über die Person Nicolas Cage nach. Was denkt er über das, was jetzt aus ihm geworden ist? Er wollte irgendwann in seinem Leben als Schauspieler ernst genommen werden. Er stammt aus der Coppola-Familie und wollte sich durch seinen Namen trotzdem keine Vorteile verschaffen, weshalb er auch den Nachnamen „Cage“ verwendet. Das verdient Anerkennung, oder? Ich würde sagen, dass Cage diese als Lob getarnte Verspottung nicht gutheißen würde, aber dann wurde mir dieses Bild gezeigt und ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Er wurde besiegt.

 „Kunst ist die Lüge, die uns die Wahrheit sehen lässt.“ — Pablo Picasso

Nun, ich weiß, dass sich jetzt viele von euch denken, dass ich das Ganze nicht so verdammt eng sehen sollte. Ich sollte mich einfach zurücklehnen und über einen Witz lachen. OK, das verstehe ich. Diese Ausstellung soll einfach nur eine Ausstellung von Fan-Art sein. Aber ich muss trotzdem immer wieder daran denken, dass hier eine Chance ungenutzt blieb. Viele dieser Werke—von talentierten Menschen beeindruckend angefertigt—hätten Fan-Art zu etwas Größerem machen können. Ich will jetzt hier nicht als Kunst-Snob rüberkommen, aber es gibt so viel über die Neugestaltung von digitaler Kunst als handfeste Kunst und über Popkultur im Verhältnis zur bildenden Kunst zu sagen. Auch hätte man Ruhm und Verlust der Persönlichkeit bei so einem Bekanntheitsgrad ansprechen können.

Es waren jedoch keine Aussagen über solche Themen zu finden. Alles, was gesagt wurde, war: „Hey, so würde Nicolas Cage als Pokémon aussehen, haha.“ Was mich im Grunde richtig runtergezogen hat, war dieser Witz, der eigentlich nichts anderes als Nicolas Cage selbst war. Dann hatte noch eine schreckliche Funk-Rap-Band einen Live-Auftritt. Das war zu viel—erst konnte ich diesen traurigen Witz nicht mehr ertragen und dann fing auch noch eine Funk-Rap-Band an zu spielen. Ich ging und stellte mir die Frage, ob Kunst tot sei. Falls ja, dann wird zumindest Nicolas Cage ewig weiterleben. So gewinnt jeder.