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Musik

Die YouTube-Community disst Kollegah

Kollegah hat am Wochenende beim Webvideopreis in drei Kategorien gewonnen, was die YouTube-Gemeinde regelrecht zum Ausrasten bringt.

Am vergangenen Samstag wurde der Webvideopreis verliehen, der „Oscar der Generation YouTube“, der im Jahresturnus in verschiedenen Kategorien an die interessantesten, innovativsten und im Allgemeinen besten Videos im ganzen, weiten Internet (YouTube) verliehen wird. Während dabei eine recht homogene Mischung aus epileptischen Jumpcut-Massakern und Szenegrößen wie Gronkh und Rocket Beans ausgezeichnet wurde, gab es in diesem Jahr eine Überraschung. Der Boss der Bosse aka Kollegah aka Felix Antoine Blume, der mit seinem aktuellen Album King gerade Deutschrap-Rekorde bricht, zeigte Selfmade-Videoproduktionen aus dem heimischen Kinderzimmer was eine Harke ist, und gewann gleich drei Trophäen für seinen Channel Bosshaft TV. Sein Muskvideo „Armageddon“ räumte in den Kategorien „Epic“ und „AAA“ (eine Art Sammel-Auszeichnung für die beste technische Umsetzung) ab, für sein Vorstellungsvideo „Freuet euch, der Boss ist da“ gab es den „Newbie“-Preis.

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Um euch einen kurzen Überblick über die Reaktionen zu geben: Die Leute sind ausgerastet. Neben der allgemeinen Aussage „Er hat es nicht verdient, weil ich ihn doof finde“ gab es dann aber doch das ein oder andere Argument, das objektiv erklären sollte, warum Kolle jetzt mehr wütende Internetkinder am Sack hat als Bushido investigative Stern-Reporter. Mein persönliches Highlight der ganzen „Die Welt ist gemein und unfair und bevor ich mich für das Internet vor eine Kamera stelle, setze ich vorsorglich immer meine ADHS-Tabletten ab“-Thematik ist dabei dieses Video, die die gesamte Ungeheuerlichkeit auf den Punkt bringen möchte:

Grundlegend lassen sich die Vorwürfe der rasenden Webvideo-Gemeinde folgendermaßen zusammenfassen:

1. Kollegah ist kein richtiger Youtuber

Bin grad #wvp14 am Nachholen und Leute, mal ganz im Ernst?!?! Kollegah gewinnt drei, DREI Preise, obwohl er nich ma n richtiger YTer ist!?!?

— Nummer 5 (@HasTigerhai) 25. Mai 2014

Mir persönlich ist nicht richtig klar, durch was sich jemand, der für Online-Plattformen Video-Content erstellt, zusätzlich noch verifizieren muss, um von der Generation OMG ernstgenommen zu werden. Den Betreibern des Webvideopreises anscheinend auch nicht, sonst hätten sie ihr Regelwerk wahrscheinlich den Vorstellungen desillusionierter, deutscher Teenis angepasst. Ihnen zufolge dürfen nämlich nur Leute ausgezeichnet werden, die ihre Videos selbst aufgenommen und geschnitten haben. Dass in aller Regel keine Einzelpersonen, sondern die jeweiligen Kanäle (einschließlich aller daran Beteiligten) ausgezeichnet wurden, wird dabei gerne vergessen. Dass auch im TV-Bereich umtriebige Teams wie beispielsweise Etienne und Simon von Rocket Beans/Game One bei Schnitt und Spezialeffekten allein aus Zeitgründen ebenfalls auf Cutter und Mediendesigner zurückgreifen, anscheinend auch. Don’t hate the player, hate the game. Wenn die Vergabekriterien seitens der Ausrichter nicht enger gesteckt sind, gewinnen dann eben die Profis.

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2. Das Voting-System ist unfair, weil Kollegah zu viele Fans hat

Wie wäre es wenn YouTuber gewinnen die vorher keine Promis waren? #wvp14

— Dr. Super-Kawaii (@Razerlikes) 24. Mai 2014

Der WVP wird zu gleichen Teilen von einer Jury und durch ein User-Voting entschieden. Sprich: Je mehr engagierte YouTube-Anhänger du hast, umso wahrscheinlicher ist es, dass du dir den Internet-Oscar in die Wohnzimmervitrine stellen kannst. Jetzt ist natürlich jemand, der in regelmäßigen Abständen durch Deutschland tourt, hunderttausende CDs verkauft und von TV-Show zu TV-Show pendelt, im Allgemeinen deutlich bekannter als Personen, die auf YouTube ihre Pickel ausdrücken. Was aber bedeutet dieses Prominenz-Gefälle für einen Nerd-Preis, der innerhalb einer recht speziellen Community verliehen wird? Wahrscheinlich nichts. Vor allem wenn man bedenkt, dass Kollegah auf keinem seiner Social Media-Accounts zum Voting aufgerufen hat.

3. Kollegah hat kein Niveau und vergewaltigt Frauen

Gut, wenn die Situation sowieso schon angespannt ist, sollte man vielleicht nicht seinen Rap-Kumpel Shneezin auf die Bühne holen, der vor der anwesenden YouTube-Meute seinen Penis zeigt und anschließend Biergläser auf den Boden schmeißt. Dass sich aber eine komplette Community in all ihrer Enttäuschung in „Rapper sind dumm und asozial“-Klischees verliert, während sie für sich selbst durchgehend gesellschaftliche Akzeptanz und Unvoreingenommenheit einfordert, ist dann doch ziemlich ärgerlich.

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#webvideopreis - Genau wir brauchen dringend mehr Preise um homophobe Assirapper auszuzeichnen. Demokratie funktioniert nicht. QED.

— Batz (@Batz) 25. Mai 2014

Na dann mal Gratulation zum deutschen Webvideopreis. (TW: Vergewaltigung) pic.twitter.com/TtrqTzrElq

— Martin Pittenauer (@map) 25. Mai 2014

Wer über den Penis hinweggekommen ist, hat dann aber auch direkt den nächsten großen Skandal gefunden. Der hat zwar nichts mit der Preisverleihung oder dem abgelieferten Web-Content zu tun, aber die Grenzen zwischen Recht und Unrecht scheinen zu verschwimmen, während man weinend über den stagnierenden Abonnenten-Zahlen zusammenbricht. Ich tue mir immer schwer damit, Rapmusik der etwas härteren Ausdrucksweise anderen Menschen erklären zu wollen und komme mir dabei auch immer ein bisschen vor, als wollte ich „Killerspiele“ vor 60-Jährigen CDU-Politikern verteidigen, aber ganz ehrlich: Eine acht Jahre alte Line, die zugegebenermaßen nicht zum sprachlich Cleversten gehört, was Kolle jemals abgeliefert hat, macht ihn noch lange nicht zum Posterboy der „Rape Culture“.

4. Die anderen Videos (die Videos der sich jeweils aufregenden Leute) waren besser

Wenn ich ehrlich sein soll, verstehe ich auch nicht genau, warum ausgerechnet der eher unspektakuläre Channel-Vorstellungsclip sowie ein eher klassisches Musikvideo ausgezeichnet wurden. Alleine mit seinem Volksmusik-Opus „Von Salat schrumpft der Bizeps“ dürfte Herr Blume aber dafür gesorgt haben, dass sich Y-Titty und Co. Nacht für Nacht in Fötus-Stellung in den Schlaf weinen. Nur mal zum Vergleich: Hier kommt das Video des YouTubers vom Anfang, der es seiner Meinung nach verdient hätte, den Preis für die beste Kameraführung abzuräumen:

In diesem Sinne: Wat is denn los mit euch?