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Musik

Musikreviews

Grünschnäbel, Zeitgeistdiktate, der Horror der Konsumgesellschaft und Musik für Leute, die schon mal angeschossen oder von einem Zug überfahren wurden. Unsere Reviews.

WALTON
Beyond
Hyperdub

Mein Gott, Walton! Wird so Typen wie dir die Live-Suite bereits in die Wiege gelegt und die Analogsynthsoße in den Hirsebrei gemischt? Sample-Jonglieren dann im Kindergarten und Beatbasteln in Pre-School? Mal wieder einer dieser Grünschnäbel, die schon von Anfang an fast alles richtig machen. Gerade mal 22 Jahre alt und shuffelt bereits locker bei den Hyperdub-Größen mit. Erfreulich: Statt sich dem Zeitgeistdiktat heulsusiger Soulverblubberung zu unterwerfen, komprimiert er hier ganze Umlaufbahnen aus Bassmusic, Grime, House, Dubstep und was seine Sample-Bibliotheken sonst noch so hergeben, dass es eine wahre Freude ist.

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SAMPLEMUSE

NO AGE
An Object
Sub Pop

Aha, Verdinglichung als Konzept. No Age prangern hier auf ihre ureigene schrammelige Weise den Horror von Massenproduktion und Konsumgesellschaft an und verpacken tausende Exemplare dieses Albums mit denselben schwieligen Händen, mit denen sie vorher ein weiteres Zwitterkind aus Noise-Minimalismus und Pop-Zauber entbunden haben. Klingt jetzt vielleicht ein bisschen eklig, aber die neue Platte sieht in Wirklichkeit wieder extrem süß aus. Alles hier will sagen: Musik muss fühlbar bleiben, Musik muss ein Ding sein, das dir auf die Füße fallen kann. Solltest du also dieses Album irgendwo runterladen, beweist du, dass dir mittlerweile wirklich alles egal ist oder einen äußerst schrägen Sinn für Humor.

U.F.O.

HANNI EL KHATIB
Head in the Dirt
IL/Vertigo/Universal

Hanni El Khatib sagt über seine Musik, sie würde sich in erster Linie an Leute richten, die schon mal angeschossen oder von einem Zug überfahren wurden. Das schränkt den Adressatenkreis natürlich etwas ein, könnte aber zugleich der Grund sein, weshalb Khatibs von Black Keys-Sänger Dan Auerbach auf Erfolg gebürstete Rocksongs bei mir keinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Für einen Moment habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich noch mal kurz auf den Weg zum Hauptbahnhof zu machen und vor den nächsten Regionalexpress zu schmeißen, aber dann habe ich irgendwie doch lieber die Platte ausgemacht und mir bei YouTube ein paar Folgen Saber Rider and the Star Sheriffs angeschaut.

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APRIL EAGLE

DEAFHEAVEN
Sunbather
Deathwish

Akzeptieren wir die Fakten. Black Metal hat sich von der Geburtszange des Teufels, also vom Internet, aus seiner räudigen Nische entbinden lassen. Jetzt ist es in der Welt und jeder darf Mal drüber rutschen, Umweltschützer, Hipster und irgendwelche Schluffis, die das einstmalige ästhetisch-habituelle Normativ mit Filzlatschen treten. Die Hauptfiguren dieser Band beispielsweise sporten entweder Nickelbrille und das über lange Zeit im Osten dieser Republik sehr populäre Rattenschwänzchen oder betreiben live pfauenhaftes Vollspackogetue. Es ist durchaus schwer, in der Delivery noch mehr zu versagen, aber dafür ist Sunbather eine der stärksten musikalischen Leistungen, die aus den zerfleddernden Anrainergebieten des Black Metal bislang zu hören war. In seiner feinstofflichen Textur und seiner Stimmungstiefe sogar so eigen, dass es auf das bisschen Gekrächze und Blastbeatgepolter gleich ganz verzichten könnte.

COUNT KRIECHTNACKT