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Sex

Der Porno-King

Mike Hunter ist einer der wenigen deutschen Porno-Produzenten, der den Walk of Fame der 80er mit seinen Füßen treten konnte.

Foto: Grey Hutton

Es soll eine Zeit gegeben haben, in der Pornografie verboten war und der Intimbereich der Frau nicht aussah wie der von einer Zwölfjährigen. Die Pornos erzählten Geschichten und man konnte den Darstellern nur zusammen mit anderen willigen Männern in abendfüllenden Streifen im Kino beim Rumgeficke zusehen. Gerd Wasmund war in den 70er Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Pornoproduzenten und produzierte, lizensierte und vertrieb zahlreiche Filme, die zuerst in den glorreichen Sex-Kinos zu sehen waren und später durch VHS-Kassetten dem Begriff Home „Entertainment“ Center seine heutige Bedeutung verliehen.

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Um sich den Einstieg in den internationalen Markt zu erleichtern, suchte sich Wasmund einen Künstlernamen, den man auch im Ausland mit Sicherheit aussprechen konnte, und produzierte als „Mike Hunter“ über 100 Pornofilme und machte damit verdammt viel Kohle. Er träumte wie die meisten europäischen Produzenten davon, irgendwie in Hollywood oder dem Porn Valley im Norden von Los Angeles Fuß zu fassen, und versuchte, mit der Produktion von zweitklassigen Action-Filmen in Hollywood bekannt zu werden. Mike Hunter ist daher einer der wenigen deutschen Produzenten, der den Walk of Fame der 80er mit seinen Füßen treten konnte. Ich traf mich mit ihm in seiner Wohnung in Köln und wir unterhielten uns über seine Erfahrungen im Pornogeschäft, seine Zeit in Hollywood und die widersprüchlichen Moral der Amis.

VICE: Wie sind Sie in das Pornogeschäft gekommen?
Mike Hunter: Ich hatte hier in Deutschland damals eine große Druckerei und alle Leute kamen, als Pornografie noch verboten war, und wollten bei mir Pornos drucken lassen. Irgendwann bin ich so in das Geschäft reingekommen. Dann, gegen 1974, ging es um Filme, und weil ich schon immer Filme gemacht habe, wurde aus dem Hobby ein Beruf. Was waren die Konsequenzen für Sie, als Sie illegal Pornos produzierten?
Die Konsequenz war, dass manchmal eine Hundertschaft bei mir in der Druckerei stand und auf meinen Maschinen rumgesprungen ist, um sie anzuhalten.
Irgendwann haben sie bei mir im Laden ein paar Hefte, amerikanische Pornohefte, in denen Bondage gezeigt wurde, gefunden und dafür kam ich dann vor Gericht. Ich wurde also bestraft und der Richter sagte: „Hier bin ich der König, du kannst draußen der König sein, aber hier bin ich der König.“ Dann sagte ich, dass ich ihm seine Krone nicht wegnehmen will und habe ihn noch ein bisschen verarscht. Die Presse hat darüber natürlich gelacht. Wie war die Verfolgung in Deutschland?
Natürlich haben bei mir manche Staatsanwälte darüber gelacht, was sie machen mussten, aber das ist eben unsere verlogene Gesellschaft. Wir haben eben eine Doppelmoral-Gesellschaft, wie in Amerika auch. In Amerika darfst du noch nicht einmal eine Flasche Bier trinken, dann wirst du schon bestraft. Dann macht man eine Tüte drum und es ist OK. Was war damals typisch deutscher Porno? Heute ist es ja eher SM und Bondage.
Die Amerikaner haben damals mehr Bondage gemacht als wir hier, wobei das alles im New Yorker Untergrund stattgefunden hat. Das war hier in Deutschland gar nicht der Fall. Wie gingen Frauen außerhalb der Pornobranche mit Ihnen um?
Viele haben mich durch Zeitungen erkannt, aber ich hatte damit kein Problem, dass Frauen das wussten. Es gab mal eine Situation, in der mehrere junge Frauen auf einmal in mein Büro stürmten und Mike Hunter sprechen wollten. Meine Sekretärin hat gefragt, um was es gehen würde und sie sagten, dass Mike Hunter sie betrogen hätte. Ich meinte, dass sie reinkommen sollen. Dann sahen sie mich und sagten: „Das ist er nicht!“
Da hat sich damals einer als Mike Hunter ausgegeben und hat den Mädels wohl Geld abgenommen und hat ihnen irgendwelche Rollen versprochen. Die haben das Geld natürlich nie wieder gesehen und den Typen wahrscheinlich auch nicht mehr.

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Wie hat man sich damals in der Pornoszene präsentiert? War es ähnlich wie mit den Luden auf St. PaulI?
Ich selber habe mich nie wirklich mit der Szene oder dem Rotlichtmilieu abgegeben. Ich kannte zwar sehr viele, aber ich wollte sogar eher den Mädels aus der Prostitution raushelfen. Einige haben es geschafft, aber nur 20%. 80% sind wieder dahin zurück, wo sie her gekommen sind. Das kann man auch nicht ändern. Wenn einmal jemand drogensüchtig ist, kann man dem kaum noch helfen. Ich kenne einige hübsche Mädchen von damals, die den Strudel dann runtergerasselt sind.

Foto: Grey Hutton Warum sind Sie nach L.A. gegangen?
Ich bin 1987 nach L.A. gegangen und zwar war ich da schon im Unterhaltungsfilm tätig.
Ich wollte weiter in die Produktion rein, um schneller an die großen Filme heranzukommen. Natürlich habe ich dort auch noch einige Pornofilme gekauft und sie hier wieder weiter verkauft, aber in L.A. habe ich mit Porno nichts mehr zu tun gehabt. Das Problem ist einfach: Wenn Sie dort einmal Pornos gemacht haben,  wollen die Sender nichts mehr mit Ihnen zu tun haben. Deswegen habe ich dort mit Unterhaltungsfilmen gedealt und produziert. In welcher Situation war Porno, als Sie nach L.A. gekommen sind?
Generell war Pornografie in Los Angeles zu der Zeit verboten und viele Produzenten und Darsteller kamen ins Gefängnis. Es gab zum Beispiel einen Ed Selzer, der die Pornofilme immer verkauft hat, und er ist auch angeklagt worden und war dafür im Gefängnis. Als er dann aus dem Gefängnis rausgekommen ist, sagte man ihm, wenn er jemals wieder Pornografie anfasst, bekommt er lebenslänglich. So ist das Gesetz in Amerika. Er hat sie ja noch nicht mal gemacht. Er hat nur gehandelt. Finanziert wurden viele Pornos allerdings von einigen Politikern, die Geld in die Pornografie gesteckt haben und damit auch einiges verdient haben. Später wollten sie das ganze dann schnell wieder verkaufen.

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Wie war Ihre Zusammenarbeit mit Lasse Braun?
Das war alles in den 70er Jahren. Alberto Ferro [Lasse Brauns bürgerlicher Name] brauchte immer Geld und wir waren damals im Super-8-Sektor, haben also kleine Filmchen gedreht, bei den so genannten Partys, Scheiß- und Piss-Partys waren das, da war dann die beste Gesellschaft teilweise dabei. Und irgendwann, nachdem er Sensations mit Reuben Sturman gemacht hat, ist er dann Pleite gegangen. Ich weiß nicht, ob sie Reuben Sturman noch kennen, aber der ist ja nach dem ganzen Ärger mit dem FBI wegen den Pornos und der Verbindung  zur Mafia im Knast verstorben. Was gab es noch für Partys? Waren Drogen im Spiel?
Damals in den 70er und 80er Jahren gab es wenige, die auf Drogen standen. Erst 1996, schätze ich mal, sind immer mehr Drogen in das Geschäft gekommen, so wie ich es gesehen habe. In Amerika war das ein bisschen anders. Da waren die Drogen schon vorher im Spiel. Alberto war so ein Mensch, der immer auf irgendwas high war. Er hatte immer seine eigenen Ideen gehabt und hat dadurch viele Leute um viel Geld gebracht. Dann hat er versucht, alle beim Film zu erpressen. Wenn kein Geld kommt, drehe ich nicht weiter. Klar, wenn man so drauf ist wie er, kann das nichts werden. Warum wollte man in Ihren Pornos mitspielen?
Viele wollten wegen dem Geld mitspielen, viele, weil sie Bock darauf hatten, viele Männer, aber die haben meistens versagt vor der Kamera. Damals wurde ja auch nicht mit Präservativ gebumst, sondern alles wurde perfekt gemacht, genauso wie Sperma. Das musste alles perfekt sein. Die Amerikaner haben ja viel getürkt. Wir nicht. Einige haben das auch gemacht, aber nicht alle. Viele haben dann Sperma mit einer Spritze rüber gespritzt.

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Wo kamen Ihre Darsteller/innen her?
Ich habe Französinnen und amerikanische Männer bevorzugt. Und Engländer. Ich hatte mal einen Darsteller [Tim Blackstone], einen englischen Fernsehschauspieler, der konnte bis auf zwei Meter in die Kamera spritzen. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Er spritze und es ging unglaublich ab. Wenn er fertig war, hat er ein Buch gelesen und nach einer Stunde war er wieder so weit, da konnte er wieder abspritzen. Das war einmalig. Das war gigantisch. Ich habe nie wieder so einen Mann gesehen. Aus welchem Beruf kamen die Darsteller/innen generell?
Wie alle Schauspieler, die Geld brauchen, haben sie dann alles gemacht. Ingrid Steeger, Sylvester Stallone, Madonna haben Pornografie gemacht, jeder hatte mit Pornografie zu tun. Sie haben danach versucht, alles wieder aufzukaufen, ist ja klar. Was war es generell für ein Erlebnis, in Amerika zu drehen?
Die amerikanischen Pornodarstellerinnen sind auf jeden Fall freizügiger als die deutschen. Hier sagen die: „Ich mach das nicht, ich mach das nicht.“ In Amerika hieß es: „Das wird gemacht!“ Und dann wurde es gemacht. Dolly Buster, zum Beispel, die kannte ich noch mit kleinen Titten. Die habe ich rausgeschmissen beim Dreh. Da war eine Szene, eine Golden-Shower-Szene, unten in einem Schloss, im Weinkeller. Und dann pisste er die Mädchen an und sie drehte sich direkt weg. Dann habe ich sie rausgeschmissen. Ich hab gesagt: „Lass dich hier bloß nicht mehr sehen.“  Wenn sie den Mund aufmacht, wird mir schon schlecht.

Haben Sie das Gefühl, dass sich der Porno in Deutschland verändert hat.
In Deutschland ist der Porno zum einen härter geworden. Wir können hier in Deutschland auch freier drehen als in Amerika. Ich habe festgestellt, dass die Leute immer härtere Filme haben wollen und normale Pornos gar nicht mehr in Frage kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch viele, die wieder eher softere Filme haben wollen. Die heutige Jugend geht ganz frei in einen Sex-Shop oder in einen Erotik-Shop rein und sucht sich ihre Sachen raus. Bei uns kommen ungefähr 70% Frauen und 30% Männer. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie die erste VHS verkauft haben?
Als ich gemerkt hab, dass die Super-8-Geschichte kaputt geht, war ich natürlich sofort dran, das neuste Medium zu nehmen, obwohl noch keiner die Rekorder hatte. So eine Kassette herzustellen, war ja auch teuer. Die haben für die Minute, glaube ich, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, 1,5 Mark genommen. Die erste Kassette, die ich dann verkauft hab, war für die Dr. Müller Shops, da ist ja später erst Beate Uhse draus geworden. Die haben dann 500 Mark für eine Kassette bezahlt und haben sie für 1000 Mark wieder verkauft.
 
Wo liefen Ihre Filme?
Weltweit habe ich die verkauft. Selbst in verbotenen Ländern, in Brasilien zum Beispiel, liefen die. Selbst wenn Sie in Kenia nach Mike Hunter fragten, wissen die, wer das ist.
Da war ich erstaunt. Wie haben Sie das rausgefunden?
Von Leuten, die aus Kenia sind. In meinem Shop war eine, die im Urlaub da war. Ist aber Kenianerin und sie meinte, sie wusste gar nicht, wie bekannt ich da bin. Liefen Ihre Filme auch auf irgendwelchen Filmfestivals, die normalerweise Unterhaltungsfilme zeigten?
Die wurden zwar gezeigt, aber Festivals gab es nicht. Es gab immer eigene Pornoecken und man hat immer, egal ob in New York oder Mailand, versucht, ein extra Hotel für die Pornoleute  zu haben. Das ist die Doppelmoral in Deutschland. Stell dir mal vor, RTL2 oder RTL würden keine Pornos mehr zeigen. Dann würden sie tot sein.

Was machen Ihre Kollegen von damals heute?
Die meisten machen viele Fehler. Und die machen sie immer weiter. Die denken, es müsste immer so weiter gehen wie in den 70er und 80er Jahren. Das geht aber nicht so weiter. Sie müssen einfach umdenken und wenn sie nicht umdenken, geht es nicht weiter.