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Popkultur

Online-Arschlöcher haben einen Jungen davon überzeugt, seinen Laptop zu grillen und seine Xbox zu zerstören

Mir war zwar schon bewusst, dass das Internet ein schlimmer Ort ist, aber diese Aktion schlug dem Fass endgültig den Boden aus.

Foto: youngthousands | Flickr | CC BY 2.0

Das Internet wurde schon von Trolls heimgesucht, als der Begriff noch gar nicht für solche Typen verwendet wurde. Damals sprach man einfach nur von „böswilligen Scherzen". Manchmal wird die Grenze des guten Geschmack jedoch mit so viel Anlauf überschritten, dass jeder Mensch, in dem zumindest noch ein Fünkchen Mitgefühl vorhanden ist, seinen Laptop für eine Weile zuklappen muss, um vergessen zu können, wie unmenschlich es im Internet teilweise zugeht.

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Genau dieser Fall ist bei mir letztens mehr oder weniger eingetreten, als ich zufällig auf das Video „Twitch Raids: Cooking a Laptop" gestoßen bin [wir hätten hier eh keinen Link eingebaut, denn solchen Arschlöchern darf keine Bühne gegeben werden, aber das Video wurde mittlerweile zum Glück bei YouTube gelöscht]. Twitch ist eigentlich eine gigantische Videospiel-Streaming-Plattform, die es den Usern ermöglicht, Live-Streams von digitalen League of Legends-Schlachten zu streamen oder anzuschauen. Natürlich hat das berüchtigte Internet-Forum 4chan dann auch direkt einen Weg gefunden, Twitch für allen möglichen Unfug zu missbrauchen—und schon waren die „Twitch Raids" geboren. Dabei handelt es sich um ein von der 4chan-Community erfundenes Spiel, bei dem der Twitch-Channel eines zufällig ausgewählten Opfers von Störenfrieden belagert wird. Oft ist es für die Troll-Horde dabei ausreichend, für ein bisschen Chaos zu sorgen, aber manchmal kann es bei weniger klugen Zielpersonen auch vorkommen, dass die wahren Soziopathen ihre hässliche Fratze zeigen.

Im besagten Video ist zu sehen, wie sich die Online-Gemeinschaft einen 13-jährigen Jungen herauspickt und ihn auf unglaublich gerissene Art und Weise dazu bringt, zuerst den Laptop seiner Mutter und danach noch seine eigene Xbox One zu zerstören. Es wird nicht ganz klar, warum gerade dieser Junge für die ganze Sache herhalten musste, aber es scheint vor allem an seinen eher beschränkten sozialen Fähigkeiten zu liegen. Und wenn man die Kommentare am Ende des Videos in Betracht zieht, dann hat wohl auch das Körpergewicht des Jungen eine gewisse Rolle gespielt.

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Videospiele beeinflussen inzwischen viele Bereiche unseres Lebens. Wir haben den Kult um die virtuellen Welten in einer Dokumentation untersucht.

Der erste Troll des Videos gibt vor, ein Support-Mitarbeiter von Twitch zu sein, und bringt den Teenager als Erstes dazu, „routinemäßig" System32 zu löschen. Das ist ein alter Trick, der schon um das Jahr 2000 herum aus den Fedoras der Online-Scherzbolde gezaubert wurde: Unbeholfene Internet-Nutzer werden dabei davon überzeugt, ihren Computer im Grunde unbenutzbar zu machen, indem sie System32 löschen—eine für Windows-PCs notwendige Datei. „Den Laptop grillen" ist normalerweise das Ergebnis dieser ganzen böswilligen Aktion, aber anstelle einer Kommunikation durch bloße Textnachrichten konnte hier dank der Twitch-Plattform die ganze Welt dem unglückseligen Tropf in Echtzeit dabei zusehen, wie er sich bis auf die Knochen blamiert.

Nachdem System32 gelöscht wurde, kontaktiert ein zweiter Troll mit schlechter Frauenstimme den Jungen und überzeugt ihn davon, sich mit Skype in den Channel einzuschalten, damit die Community noch weiter dabei zusehen kann, wie Habseligkeiten zerstört werden. Troll Nummer 2 weist sein Opfer dann an, die „Elektrolyten" im Laptop der Mutter „zu entmagnetisieren", indem er eine Salzwasser-Mischung über die Tastatur schüttet. Irgendwie schaffen sie es dann auch noch, dass der Junge den Laptop mit Butter einschmiert. Natürlich muss das Ganze jetzt auch noch trocknen. Da der tragbare PC jedoch nicht in die Mikrowelle passte, musste der Ofen so lange als Hitzequelle herhalten, bis „alle kaputten Prozessoren" ausgeräuchert waren. Als Zugabe wurde letztendlich noch der Akku aus dem glühend heißen Laptop entfernt, in Alufolie eingewickelt und in die Mikrowelle gesteckt—bis das Ganze Feuer fing.

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Der Peiniger lässt dann nur noch ein plakatives „Du wurdest soeben getrollt!" fallen und meint zu dem Jungen, dass er seinen gegrillten Laptop essen soll.

Als das Video noch online war, war es quasi unmöglich, sich das Video anzuschauen, ohne dass sich dabei dein Inneres zusammenzog. Man hoffte einfach nur noch, dass alles bald vorbei ist. Aber anscheinend ist es diesen Monstern noch nicht genug, dass der Junge den Laptop seiner Mutter kaputt gemacht hat. Sie bringen ihn letztendlich auch noch dazu, seine Xbox One zu schrotten und danach in die Skype-Kamera zu schauen, um dem Internet sein „trauriges Gesicht" zu zeigen. Der Peiniger lässt dann nur noch ein plakatives „Du wurdest soeben getrollt!" fallen und meint zu dem Jungen, dass er seinen gegrillten Laptop essen soll.

Das Schlimmste an der ganzen Aktion ist jedoch, dass das junge Opfer möglicherweise autistisch veranlagt ist—oder einfach nur viel zu gutgläubig daherkommt. Im Laufe des Videos dankt er dem „Twitch-Support" mehrmals für dessen Bereitschaft, ihm „einfach nur aus Nächstenliebe" zu helfen, reißt abgedroschene Witze, macht plumpen Small-Talk und erzählt ein paar Nerds alles über seine Zukunftspläne—dabei wollen die ihn einfach nur leiden sehen. Er kommt wie ein einsamer Junge rüber, der sich nach einem Freund sehnt, und eine beachtliche Gruppe an Online-Großmäulern pisst sich auf einer großen Videospiel-Streaming-Plattform vor Lachen fast in die mit Chipsbröseln eingesaute Jogginghose.

Der YouTube-User, der das Video ursprünglich hochgeladen hatte, wurde inzwischen aufgrund von Verstößen gegen die Richtlinien im Bezug auf Spam, Betrug und irreführende Werbung gelöscht. Dort, wo das Video danach zu sehen war, bekam man bei den Kommentaren allerdings das kalte Kotzen (meistens wird der Junge als „behindert" bezeichnet).

Ich weiß zwar, dass ich mit diesem Artikel eine wichtige Regel breche und den Trollen neuen Nährboden gebe, aber durch dieses Video habe ich wirklich einen Teil meines Glaubens an die Menschheit verloren und musste meinem Ärger irgendwie Luft machen. Tyrannen werden auch in Zukunft andere Leute schikanieren und es wird auch immer wieder arme Wichte geben, die sich schikanieren lassen. Man sollte sich einfach nicht an diesem gefährlichen Treiben beteiligen und seine Verachtung denjenigen gegenüber äußern, die das trotzdem machen. Vielleicht kann ja irgendjemand, der das Video gesehen hat, den Jungen irgendwie ausfindig machen und lässt ihm nicht nur einen neuen Laptop und eine neue Xbox zukommen, sondern zeigt ihm auch, dass nicht alle Internet-User böswillige Arschlöcher sind.