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Was ihr über die Oscars wissen solltet

Klein sind wir selber. Hier unsere großen Worte zu den Oscar-Nominierten.

Diesen Sonntag ist es wieder so weit: Die Welt darf vier elendslange Stunden dabei zusehen, wie reiche Menschen sich gegenseitig Preise verleihen. Aber nicht nur irgendwelche mickrigen Preise wie „Bester Hobbyschütze", „Super-Mami" oder einen Golden Globe—nein, es geht um die goldenen Königsstatuetten unter den Preisen, die Academy Awards. Für die Nichtfilmstars unter uns bedeutet das mittelmäßige Mottopartys, amerikanische Snacks und viel zu lange wach und/oder nüchtern bleiben. Aber da es in unserer Gesellschaft nicht um den durchschnittlichen Pöbel, sondern die wenigen statistischen Ausreißer geht, die dem Pöbel den Prunk vorleben, mit dem er selbst sowieso nichts anzufangen wüsste, ignorieren wir mal kurz, dass wir selbst auch nicht gerade berühmt (oder reich oder sonst was) sind und diskutieren uns die Klassenunterschiede anhand der Nominierten in den Hauptkategorien bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller und beste Hauptdarstellerin weg.

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BEST PICTURE

Wir starten mit den Nominierten in der Königsdisziplin, die bei der Oscar-Verleihung üblicherweise erst am Ende kommt: denen in der Kategorie bester Film. Der erste Gewinnerfilm wurde 1928 gekürt und heißt Wings. Wir haben drei Männer mit Magisterabschluss im Fach Theater-, Film und Medienwissenschaft bei uns und kein einziger hat bisher von diesem Streifen gehört. Letztes Jahr gewann übrigens The Artist, der nur so tut, als wäre er aus den 20er-Jahren und von dem natürlich schon alle gehört haben (Poser). Hier die diesjährigen Nominierten:

Amour

Markus: Ich weiß, das lässt mich in eurem Ansehen sinken, aber ich hab mich bisher noch nicht überwinden können, dem Wintertief mit so was Auftrieb zu geben. Ist Amour das Gegenteil von Popcorn-Kino? Also quasi Herumkauen auf Maiskernen? Ich würd’s Haneke ja wünschen, aber ich glaub, Amour ist zu wenig Unterhaltung für den Preis.

Christian: Doppelnominierungen in den Kategorien „Bester Film" und „Bester nicht englischsprachiger Film" sind ja eigentlich schon Diskreditierung genug. Wie gut muss ein „ausländischer" Film sein, um mit den „englischsprachigen" (soll heißen: US-amerikanischen) Produktionen mithalten zu können? Um dann selbstverständlich doch nur in der Nebenkategorie abgespeist zu werden …

Dalia: Ich glaube, das ganze könnte wie bei Carrie sein. Amour gewinnt, Haneke geht auf die Bühne und wird dann mit Schweineblut übergossen. Nur, dass sie ihm dann noch schnell den Best-Foreign-Language-Film-Oscar in die Hand drücken, damit er Seth MacFarlanes Kopf nicht mit Telekinese zum Platzen bringt.

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Josef: Wenn Amour gewinnt, zahl ich wieder in meine Pensionskasse ein.

Ole: „omg plz get #teamhaneke trendn o plz plz plz. ill brayk u of a piese of my oscar like in meen girls plz lol"

Argo

Christian: Verstaubte Polit-Thriller haben ja schon was für sich, dennoch ist Afflecks Argo eine mir überraschend und herzlich willkommene Fokusverschiebung auf die gänzlich unpolitischen Fädenzieher hinter dieser Geschichte. Argo ist nicht nur ein spannender Heist-Film, sondern zu aller erst ein Film über (die Filmindustrie) Hollywood. Auch wenn ihr mich dafür hasst, ich hoffe, er gewinnt „Best Picture".

Markus: Argo war schön. Ich mag Filme, die den Druck von dir nehmen, alles über Zeitgeschichte wissen zu müssen. Hier musst du im Wesentlichen gar nichts wissen, außer, dass die ganze Geschichte gut ausgeht. Sonst kommt es einem vielleicht komisch vor, warum nur von den sechs Typen die Rede ist, die aus der Botschaft entkommen sind, während die hundert anderen, die immer noch dort festsitzen, erst im Abspann wieder erwähnt werden. Also bitte, Mini-Spoiler: Happy End (aber kein Best Picture).

Peter: Da Django mangels Ernsthaftigkeit und korrekter Sensibilitäten nicht gewinnen kann, drücke ich meine Daumen Argofuckyourself. Argo ist ein überraschend brauchbarer und kurzweiliger Thriller, dem ich zugutehalte, dass er eine coole Fiktion ist, und eben keine wahrheitsgetreue Aufarbeitung der Ereignisse am Rande der Geiselnahme von Teheran. Ich habe auch nichts persönlich gegen Regisseur/Hauptdarsteller Ben Affleck, nur weil er sehr erfolgreich ist und mit einer geileren Frau als ich Sex hat. Live and let fuck. Der „Hollywood rettet Menschlenleben“-Plot schmeichelt den Mitgliedern der Academy sicher, aber die werden sich trotzdem viel lieber mit dem politisch aufgeladenen Zero Dark Thirty solidarisieren. Buh!

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Josef: Ich weigere mich, einen Film von Ben Affleck abseits von Daredevil anzuerkennen.

Dalia: Die Vanillegeschmacksrichtung unter den Nominierten, ein bisschen lustig, ein bisschen ernst und die Latino-Hauptfigur spielt Ben Affleck. Argo ist der Film, der jeden Sonntag Mutter anruft.

Ole: Ben Affleck ist jetzt wieder ein Star? Gibt's dann demnächst auch eine Gigli-Fortsetzung?

Beasts of the Southern Wild

Markus: Die Sensationsstory dieses Films, der völlig abseits des Studiosystems mit Filmförderungen entstanden ist und trotzdem für den Best Picture Award nominiert wurde, kann gar nicht oft genug nacherzählt werden. Am besten in einer selbstgebauten Weltuntergangsfestung, mit kaputtem Topf auf dem Kopf und riesenhaften Wildschweinen vor der wassergefluteten Tür. Beeindruckender als Monsters, wichtiger als Where The Wild Things Are. Ich schätze zwar, dass das nicht für den besten Film reicht, aber gut wär’s schon.

Christian: Ein wahrhaft schöner Märchenfilm für Erwachsene, über den schon so viel Gutes gesagt und geschrieben wurde. Mich hat er einfach nicht so wirklich packen können, sorry.

Dalia: Ich habe ihn zwar noch nicht gesehen, aber schon nach den ersten zehn Sekunden Trailer angefangen zu heulen. Wenn irgendwas mit kleinen Kindern ist, vor allem arme kleinen Kinder, dann fängt das bei mir immer automatisch an. Auch Hillbillypartys und alles andere das mit „Wir haben nicht viel (nicht mal was die Zähne im Mund betrifft), aber wir haben uns" anfängt, lässt mich salziges Feucht auf meinen überteuerten Laptop auf meinem überteuerten Schreibtisch vergießen.

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Peter: Meh. Statt dem vom Trailer versprochenen mitreißenden und lebensbejahenden Feel-Good-Film sah ich einen uninspirierten Schlafmacher über arme Menschen, die abseits von Zivilisation in einem Sumpfgebiet vor sich hin leben. Ich will nicht dass dieser Film gewinnt, einfach weil er mir nicht gefällt.

Josef: Mein Lieblingstitel, von dem ich noch keine Ahnung habe, was oder wer da los ist.

Ole: … und habt ihr gewusst, dass das alles Laienschauspieler sind? So ein magischer Film.

Django Unchained

Christian: Was heißt hier, Argo gewinnt!? Hat der Vollidiot nicht Django gesehen? Klar hab ich das, und klar ist Django der so viel bessere Film, der Geschichte (neu) schreibt—sowohl für den Film als auch die USA—und dabei so verdammt schlau ist, dass jeder Pseudo-PC-Einwurf die reinste Lachnummer und nur Beweis für die Notwendigkeit dieses Tarantino’schen Meisterwerks ist. Aber er wird halt trotzdem nicht gewinnen.

Josef: Tarantino sprengt sich selber in die Luft.

Ole: Wie immer. Super einzelne Szenen, aber viel zu langer Film. Aber besser als Basterds.

Markus: Mit Überlängen hab ich natürlich weniger ein Problem als vielmehr eine Affäre, wie jeder weiß, der schon mal einen Text von mir gelesen hat. Aber besser als Basterds? Meh. Wenn, dann ein Ehren-Oscar für Coolness.

Peter: Wir wissen alle, dass der geniale Django Unchained der beste Oscar-Film ist. Dialoge, Schauspiel, Regie, Kamera, Inszenierung—alles first class. Wir wissen aber auch, dass er den Best Picture Award nicht gewinnen wird. Um ernsthafte Chancen zu haben, fehlt es dem Unterhaltungsfilm an der Schwere eines ernsthaften Historiendramas, wie z. B. Schindler’s List oder eben Lincoln, der heuer gleich mit zwölf Nominierungen an den Start geht. Der Oscar für das beste Originaldrehbuch wäre—milde formuliert—angebracht.

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Dalia: Nein, die 5000 Mal, die „Nigger" gesagt wurde, haben mich nicht gestört. Ja, die 2500 Mal, bei denen die anderen Leute im Saal dumm gelacht haben, weil „Nigger" gesagt wurde, haben genervt.

Les Misérables

Christian: Ich bin wahrscheinlich das einzig arme (oder dumme) Nerd-Häufchen hier, das sich tatsächlich—der Vollständigkeit halber—diese zweieinhalbstündige Katzengejammer-Nummernrevue mit verdreckten Heulfressen im Super-Close-up angetan hat, um somit ein tatsächliches Urteil an dieser Stelle abgeben zu können. Klar, was erwartet man sich auch von pompös aufgeladenen Historien-Musical-Epen. Dennoch haben wir hier eine neue Super-Liga von Oscargeilem Musical-Bockmist und Verhundsung von Weltliteratur, die seines gleichen sucht.

Ole: Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber anscheinend spielt Russell Crowe mit. Singt er auf Französisch?

Dalia: Arme Menschen, die singen, erinnern mich an Bettler in der U-Bahn, die kurz davor sind, sich anzupissen oder dich abzustechen.

Markus: Bei der Verkündung der Oscar-Nominierung haben sowohl Emma Stone als auch Seth MacFarlane den Filmtitel „Lei Mis-err-ab" ausgesprochen. Ich weiß schon, dass Französisch verwirrend ist, weil sie nur die Hälfte der Buchstaben aussprechen, aber hier fehlt definitiv ein L. Wie in: lustlos, langatmig und Lobotomie.

Josef: Russel Crowe singt, wie Lindsey Lohan Auto fährt.

Life of Pi

Christian: Der Tiger ist schön. Und sieht auch verdammt echt aus.

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Dalia: Ich bereue zwar nicht, für diesen Film eine 3D-Brille über meine eigene Brille aufgesetzt zu haben und damit den einen Street Credit, den ich hatte, verloren zu haben, aber außer schön sein, hat mir Life of Pi nicht besonders viel geboten.

Josef: Süß das mit dem Zebra.

Markus: Life of CGI. Wenn ihr beeindruckende Pupillen-Bonbons braucht, schaut euch lieber noch ein paar Mal The Fall an.

Lincoln

Markus: Ja, Daniel Day-Lewis ist ein Gott des Method-Acting und liefert nicht nur den besten Lincoln, sondern überhaupt eine der besten Figuren ab, die das Mainstreamkino vor und bei und abseits von Steven Spielberg je gesehen hat. Ja auch dazu, dass Lincoln indirekt DAS Obama-Denkmal des Jahrzehnts ist und einen am Ende auch noch innerlich aufjubeln lässt, obwohl man natürlich vorher schon ganz genau weiß, dass der Kongress gegen die Sklaverei stimmen wird. Nur bin ich mir nicht sicher, ob der Film auch ohne Nominierung und Obama—also als Film an sich, abseits der ihn umgebenden Zeitgeschichte—dieselbe Kraft hätte und glaube daher einfach mal nicht, dass er das Rennen macht.

Christian: Schon noch etwas besser als die Vampirjäger-Version, aber dennoch kein Django oder gar Fackeln im Sturm. Für ein Bürgerkriegsepos braucht es halt doch mehr als stark ausgeleuchtete Prunkräume, zu lange Monologe und Pathos-Musik.

Josef: Nichts für Theaterliebhaber und Spielberg-war-früher-besser-Leute.

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Silver Linings Playbook

Markus: Behinderte einmal anders, aber trotzdem sonntagnachmittagskomödientauglich? Alles, was ich über diesen Film weiß, steht im letzten Satz.

Josef: Ich bin sicher verkorkster als das Anstaltspärchen.

Christian: Einfach nur schön.

Dalia: Warum schaut alles an diesem Film nach cheesy Rom-Com aus!? Als ich zum ersten Mal das Plakat gesehen habe, dachte ich mir: der eine von Hangover 2 und die eine von Hunger Games … und habe meine Augen so stark verdreht, dass ich mein Gehirn gesehen habe. Und jetzt ist der Film überall nominiert. Nachdem der Arzt meine Augen richtet, werde ich ihn mir wohl anschauen müssen.

Ole: Das erste Mal seit Ewigkeiten, dass de Niro wieder so getan hat, als ob er ein Schauspieler wäre und nicht nur eine SNL-Version von sich selbst.

Zero Dark Thirty

Christian: Hier hätten wir dann zu guter Letzt doch noch unseren eindeutigen Sieger. Bigelow ist ein Genie und quasi jeder einzelne ihrer Filme ein Meilenstein des (Action-)Genrekinos. Nun hat sie den (Vor-)Film zu Homeland gebracht und ganz nebenbei eine der besten Frauenfiguren des letzten Jahrzehnts gezeichnet (wieder mal). Die Frage nach der Authentizität von Folterszenen ist jedoch scheinbar schwerwiegender, als dass bei Lincoln zwei Abgeordnete anders gestimmt haben, als im Film dargestellt.

Dalia: Die Verschwörungstheoretikerin in mir geht davon aus, dass Zero Dark Thirty gewinnt. Was ich nur OK fände, wenn Dick Cheney den Oscar entgegennimmt und endlich zugibt, dass er das Drehbuch geschrieben hat.

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Markus: Meine Meinung zu diesem Film habe ich schon zur Genüge in meiner Review kundgetan. Vielleicht nur das noch: Wer das Werk auf die fünf Minuten reduziert, in denen es angeblich nicht deutlich genug zeigt, dass Folter scheiße ist, der ist nicht nur die Ursache für Jersey Shore, sondern hat auch mich und die New York Times gegen sich. Ernsthaft: Was glaubt ihr denn, wie Großmächte Kriege gewinnen? Mit Zuckerzigaretten und Gratis-Hotdogs?

Josef: Markus hat hierzu schon ALLES gesagt.

Ole: Man kann nie genügend Kathryn-Bigelow-Filme in seinem Leben gesehen haben.

Auf der nächsten Seite geht es weiter mit den Nominierten in der Kategorie bester Hauptdarsteller.

BEST ACTOR IN A LEADING ROLE:

Schauspieler—die Sorte Mensch, mit der niemand befreundet, aber die jeder gern selbst sein will. Vor allem die männlichen Exemplare sind laut, aufdringlich, selbstbewusst, gutaussehend, müssen immer alles berühren, weil sie so einfühlsame und sinnesbetonte Wesen sind und onanieren ausschließlich vor dem Spiegel. Den ersten Oscar dieser Kategorie erhielt Emil Jannings; DER deutsche Star der Stummfilmzeit, den wirklich jeder von Der letzte Mann kennen sollte und auf den zum Glück noch keine der vorhin beschriebenen Eigenschaften zutraf. Hier sind die Nominierten:

Bradley Cooper

Markus: Ein Typ, zwei Wörter, drei Fragezeichen. Der Typ ist Bradley Cooper, die zwei Wörter sind „eh OK“ und die drei Fragezeichen stehen für mich direkt hinter seiner Nominierung. Das Beste und Kantigste an ihm war bisher sein Make-up in Hangover.

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Josef: Der sieht mir zu sehr nach einem australischen Tauchlehrer aus. Unlike.

Christian: Bradley Cooper ist nicht nur betrunken lustig mitanzusehen, sondern kann tatsächlich auch ein bisschen schauspielern. In der Indie-Rom-Com mimt er den psychotischen Loser-Typen auf äußerst sympathische Weise, und man möchte fast glauben, gestört zu sein, macht fröhlich.

Dalia: Ist perfektes Mittelmaß noch Mittelmaß?

Ole: Es reicht.

Daniel Day-Lewis

Christian: Daniel Day-Lewis ist Daniel Day-Lewis. Diesem Mann einen Oscar zu geben, war noch nie verkehrt, das weiß auch die Academy.

Markus: This is a bingo! Mein und dein und absolut jedermanns Favorit. Außerdem ist er ein langsamer Leser, genau wie ich.

Ole: Er ist halt das, was Joaquin Phoenix gerne wär.

Josef: Ich respektiere seinen Methodbart. Dalia: Wenn er euer Arbeitskollege wäre, würdet ihr ihn hassen. Er würde den miesen Bürojob, den ihr macht und für den ihr viel zu wenig Geld kriegt, total ernstnehmen und dich anschreien, wenn du zu lange Rauchpause machst. Aber weil er Schauspieler ist, himmeln ihn und den Stock in seinem Arsch alle an.

Hugh Jackman

Christian: Das hat nun wirklich niemand verdient. Bleibt nur zu hoffen, dass Jackman irgendwann im Laufe des Abends seine Krallen ausfährt, und nicht seine Stimmbänder.

Markus: Alle wissen, dass Jackman gerne tanzt und singt. Alle wissen auch, dass er damit erst recht nicht aufhört, wenn man ihn auch noch mit einem Oscar ermutigt. Denkt drüber nach.

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Josef: Doctor Cox hat hierzu schon ALLES gesagt. Dalia: Für mich heißt er „Jack Human". Danke, Tracy Morgan!

Ole: Ich werde jede Chance nutzen, um Huge Action als Nickname für ihn zu etablieren.

Joaquin Phoenix

Ole: Seit dieser Weirdo-Rap-Doku kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen.

Christian: The Master ist Schauspielerkino par excellence. Nicht umsonst sind die drei zentralen Darsteller mit Oscarnominierungen gesegnet, wenn auch nur mit Außenseiterchancen. Nichts desto trotz ist Joaquin Phoenix zweifellos das größte Schauspieler-Kaliber seiner Generation. Bis er das in einem Academy gefälligen Film unter Beweis stellen darf, wird er jedoch wohl leer ausgehen. Außerdem will man sich’s in dem Saal wohl nicht mit den Scientologen verscherzen.

Josef: Ich sag mal, er hätte beim HipHop bleiben sollen. Oder ist meine Meinung auch Fake?! Markus: Wenn ihr von Hollywood als eine riesengroße Hautmembran denkt, die sich über die gesamte Filmindustrie zieht, dann hat Joaquin Phoenix diese Haut mit I’m still here Verbrennungen achten Grades zugeführt. Seither ist dort, wo früher sein aufsteigender Stern am Himmel stand, ein trauriger, beleidigter, pink leuchtender Fleck aus Ignoranz, der bei jedem neuen Film, den Phoenix macht, wieder mit kühlendem Gel eingeschmiert werden muss. Das wird nichts mehr.

Denzel Washington

Markus: Dieses Jahr geht es bei den Oscars erstaunlich viel um Afroamerikaner—in Filmen, die ausschließlich von Weißen gedreht wurden. Die Verschwörungstheoretiker unter uns, die der Academy vielleicht eine gewisse Dramaturgie bei der Preisvergabe unterstellen, würden wohl meinen, dass der Zug für die Race Card schon 2001 abgefahren ist, als Denzel Washington und Halle Berry die Oscars für beste Darsteller erhielten (und Sidney Poitier den Ehren-Award). Ich hoffe zwar, dass es so nicht abläuft, habe aber früher auch komische Bücher über Bilderberger gelesen, also enthalte ich mich hier lieber.

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Christian: Denzel is the man, keine Frage. Trotzdem ist Flight ein höchst seltsamer (und bestenfalls mittelmäßiger) Film, dessen dubiose Botschaft (You fly better, when you’re drunk) ich einfach nicht ganz durchschaue.

Dalia: Der Schärfste in dieser Runde, obwohl ja Joaquin Phoenix, als er noch Hobo war, auch seine Reize hat.

Ole: Er sollte den Oscar als Entschuldigung für Markus Lanz bekommen.

Josef: Als besoffener Pilot völlig glaubwürdig.

Auf der nächsten Seite geht es weiter mit den Nominierten in der Kategorie beste Hauptdarstellerin.

BEST ACTRESS IN A LEADING ROLE:

Schauspielerinnen sind nur ein bisschen besser als ihre männlichen Pendants, was vor allem daran liegt, dass Frauen, die vor dem Spiegel masturbieren, kein ganz so verstörendes Bild abgeben. Die erste Gewinnerin war Janet Gaynor (nicht verwandt mit Gloria Gaynor), die damals gleich in Seventh Heaven (nicht verwandt mit der Serie Seventh Heaven), Street Angel und dem großartigen Sunrise die Hauptrolle gab. Als Letztes durfte Meryl Streep einen Goldmann mit nachhause nehmen. Hier sind die neuen Nominierten:

Jessica Chastain

Christian: Diese Frau hat in den letzten vier Jahren in gefühlten 34 fantastischen Filmen (davon drei große Meisterwerke) mitgespielt und ist somit Oscar-überfällig. Eine derartige spannende Figur wie jene Agentin auf der Jagd nach Osama bin Laden in einem Film von Kathryn Biglow würde sich dafür mehr als nur anbieten!

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Markus: So, so gut! Ich weiß nicht, ob sie das neue Gesicht des Feminismus ist oder ich mich mit der Aussage als Chauvinist oute, aber auch wenn ich vielleicht die Welt nicht mehr verstehe—Jessica Chastain verstehe ich. Wenn sie nicht gegen ein Baby antreten würde, wäre das ihr Preis.

Josef: Die hat mir ein zu nervöses Gesicht. Da schütt ich immer mein Bier aus. Dalia: Meh.

Jennifer Lawrence

Markus: Miss Lawrence wirkt ein bisschen kartoffelig und ein wenig teigig. Das macht eine gute Hauptspeise, aber noch keine gute Hauptdarstellerin. Und bevor der nächste Hashtag-Aufschrei kommt: Ich meine NICHT ihr Aussehen, sondern eher die breiige Konsistenz ihres auf Film gebannten Wesens.

Christian: <3

Josef: Top!

Dalia: Meh.

Ole: Eher #teamlawrence oder #teamjen? #teamjenjen?

Emmanuelle Riva

Christian: Nicht zu unterschätzen, ist diese Grande Dame des französischen Kinos. Keine Frage, eine der ganz, ganz großen Darstellungen in diesem Kino-Jahr in einem ganz, ganz großen Kammerspiel von einem Film.

Dalia: Ich hätte nie gedacht, dass es mal ein Szenario gibt, bei dem ich zur alten Frau und dem kleinen Mädchen (Quvenzhané Wallis) halte. Anscheinend leben wir jetzt in einer Welt, in der die drei hübschen Schauspielerinnen mittleren Alters die Underdogs sind.

Markus: Hier haben wir eine ziemlich heiße Anwärterin auf den Award. Riva gehört sicher zu den Top-Tipps, was den Oscar angeht. Und auch wenn es gemein klingt oder positivdiskriminierend sein mag: Bei einer Schauspielerin ihres Alters muss man sich wirklich überlegen, ob man sie noch mal auf die Wartebank setzen sollte. Andererseits, wofür braucht jemand mit 85 noch einen Oscar? Jemand, der so lange durchgehalten hat, ist hoffentlich auch ohne unverkäuflichen Golddildo gefestigt genug im Leben. Zeit für die nächste Generation!

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Josef: Weiß ich jetzt nicht. Ole: Sorry, aber keine Oscars für Franzosen!

Quvenzhané Wallis

Markus: Sie ist die jüngste Darstellerin, die je in dieser Kategorie nominiert wurde und wahrscheinlich auch die unprofessionellste. Gleichzeitig ist sie aber auch die reizendste und wie wir alle wissen, steht Hollywood nicht nur auf Erfolgsstorys von kleinen Leuten, die das große System besiegen, sondern auch ganz besonders auf Nachwuchsgeschichten mit Tränen- und Stolz- und Wunderkind-Potenzial. Außerdem gibt die kleine Miss Wallis in Beasts of the Southern Wild wirklich eine Performance, die locker drei Goldtrophäen wert ist. Ah, und noch etwas ist mir beim Schauen eingefallen: Quvenzhané Wallis ist genau das, was Tideland gefehlt hat, um sich nach dem Schauen nicht gefickt zu fühlen. Schon, oder?

Christian: Eigentlich halte ich nicht viel von Kindern, die für Oscars nominiert werden. It isn’t really cute, nor impressing.

Josef: Was ist eigentlich mit Sally Field? Das wird dem Bandit aber gar nicht gefallen. Nicht ohne meine Sally. Peter: Der einzig positive Effekt eines Oscar-Gewinns und der damit einhergehenden medialen Aufmerksamkeit für Sumpf-Menschen wäre, dass sich Hollywood vielleicht endlich zu einer Neuverfilmung des Swamp Thing-Comics bequemt.

Ole: Quvenzhané Wallis: Zwei Jahre jünger als Paquin. Magie.

Naomi Watts

Markus: Close but no cigar. Wobei Zigarren gut zu Miss Watts passen würden. Angeblich ist sie ja Raucherin, sagt zumindest meine Monoquelle das Internet. So oder so, ihr Glanz wird auch ohne Oscar auf keinen Fall verpuffen. Nächstes Mal dann. Und falls sie Raucherin ist, ist das auch besser so. Schließlich müssen alle Gewinner sofort zu den Presseinterviews weiter und dürfen nach all der Aufregung nicht mal eine Belohnungszigarette durchziehen.

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Ole: Ich mag sie nicht, da sie mich immer an Nicole Kidman erinnert.

Christian: Jeder mit ein bisschen Geschmack weiß die große Naomi Watts von Down Under zu schätzen. Vor dem Tsunami-Film hab ich mich bisher jedoch erfolgreich gedrückt. Nach dem Eastwood-Debakel schwant mir nur noch Böseres.

Josef: Hat sie echt so riesige Nippel wie in 21 Grams, oder war das King Kong. Ich wünsche ihr trotzdem nur das Beste.

Dalia: Meh.

Auf der nächsten Seite geht es weiter mit den Nominierten in der Kategorie beste Regie.

BEST DIRECTOR:

Regie. Nirgendwo tummeln sich größere Egos, Komplexe oder Kapriolen wie hier. Und bei allen Spinnereien und Eigenarten kann man nur sagen: zu recht. Regie ist Genie und Regisseure sind die Dirigenten des Zelluloids. Oder sowas in der Art. In Wahrheit kann niemand ganz genau sagen, was Regie eigentlich ist und warum sie als so viel wichtiger als alle anderen Sparten gehandelt wird. Sicher, manchmal sind Regisseure die Autoren des Kinos und zeichnen sich durch eine unverwechselbare Handschrift aus. Manchmal sind sie aber auch einfach nur verdammt große Schwindler, die es irgendwie nach oben geschafft haben und jetzt die Regieassistenten der Second Unit (und notfalls auch der Third und Forth Unit) an die Drehorte fahren lassen und währenddessen beim Austernschlürfen in einem Pool über Kuala Lumpur vor sich hin chillen, bis sie genauso aufgehen wie die Muscheln in ihrem Mund. Wie auch immer, unter den folgenden Nominierten sind aus beiden Kategorien ein paar Topvertreter dabei:

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Amour (Michael Haneke)

Ole: Eine gute Möglichkeit, noch was von Hanekes fantastischem Twitter-Account zu posten.

Christian: Das wäre ja besser als jede Ski-WM! Nachdem unverständlicher Weise Ben Affleck gar nicht mit im Boot sitzt, wäre die große Oscar-Sensation auch gar nicht so ganz ausgeschlossen, ich sag’s euch. Allein sein Twitter-Account ist Oscarwürdig!

Dalia: ÖST-ER-REICH rufen könnte das neue U-S-A rufen werden.

Josef: Österreicher auf Französisch machen traurig. Markus: Kürzlich erklärten die ÖVP-Abgeordneten im Parlament, dass die Stimmung in der Regierung wieder total gut sei, weil Marcel Hirscher die Weltmeisterschaft im Slalomfahren für UNS heimgeholt hat. Wenn jetzt auch noch Schönborn Papst und Haneke Oscar-Preisträger werden, steht einer großen Parlaments-Pyjamaparty eigentlich nichts mehr im Weg. Leider glaube ich nicht so recht daran, dass die Academy einen ausländischen Film in einer ihrer Hauptkategorien gewinnen lässt. Besonders nicht aus diesen unseren germanischen Ländern. Eine gewisse Skepsis hat sich nach Murnau und Lang da ja schon eingeschleust. Wie Seth MacFarlane bemerkt hat: „The last time, Germany and Austria collaborated on something, it was Hitler."

Beasts of the Southern Wild (Benh Zeitlin)

Markus: Hab ich schon erwähnt, dass dieser Film völlig abseits des Studiosystems mit Fördergeldern gedreht wurde? Oh. Aber wusstet ihr auch, dass das alles Laiendarsteller sind?

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Peter: Ich mag seinen Film einfach nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass ich mich an der Romantisierung von Armut gestoßen habe, die dem Film vorgeworfen wurde. Sollte das wirklich ein Message-Film werden, der uns sagt dass die edlen Armen bessere Menschen als wir sind, weil sie weder Apple-Produkte noch medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen? Egal, dieser Film war einfach ziemlich langweilig. Ich musste an Eric Cartman denken, der gefragt hat: „Why do poor people smell like sour milk?", und überlegte, ob arme Sumpfbewohner wohl auch so riechen. Wahrscheinlich bin ich zu deppert, aber ich habe nicht verstanden, warum (spoiler, I guess) da am Schluss auf einmal echte Monster kommen. Aber das finde ich noch heraus. Irgendein mitteilungsbedürftiger Vollblutfan wird mir sicher im IMDb-Forum erklären, wie das zu interpretieren ist, und warum die Where The Wild Things Are-Monster scheißen gehen können.

Christian: Einen Newcomer und Quoten-Underdog aus dem Indie-Kino streut die Academy immer gern mal unter die Nominierten für Beste Regie.

Ole: Sich Benh zu nennen, wenn man Benjamin Harold heißt ist schon ein ziemlicher Johannes-B.-Kerner-Move.

Life of Pi (Ang Lee)

Markus: Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was es mit diesem Ang Lee auf sich hat. Er ist für mich wie John Malkovich in Being John Malkovich—eine arme Wurst, in deren Kopf die Party abgeht, wovon leider hier draußen niemand etwas merkt. Wie kann ein und derselbe Typ so viele gute und so viele sinnlose Filme fabriziert haben? Wenn Film wirklich das Medien der Regisseure und Regie wirklich die Kunst der gebündelten Vision ist, dann muss Ang Lee in Wahrheit ein VJ-Kollektiv aus Singapur sein, das seine Visuals gleichzeitig in New York und am Ballermann auflegt. The Ice Storm und Hulk waren super (#yolo #swag #stophating), aber wenn nicht mal die gereicht haben, wird das jetzt auch nichts.

Christian: Ang Lee kann schöne Tiger animieren lassen, die auch verdammt echt aussehen.

Josef: Ang Lee ist einer der ganz Großen. Da kann man auch schon mal CGI-Tiere tanzen lassen. Ole: Erinnert sich noch wer an Hulk? Das war kein guter Film.

Silver Linings Playbook (David O. Russell)

Christian: Silver Linings ist einfach ein super netter Film, genauso wie David O. Russel ein super netter Kerl ist und generell nur super gute Filme macht. Aber sein großes Regie-Meisterwerk war das ganz bestimmt noch nicht.

Josef: Etwas allergisch reagiere ich auf Prämisse und Ausführung dieses Films.

Markus: Ich wollte grade sagen, der Typ ist mir egal, aber dann hat mir IMDb verraten, dass der gute Mann auch Anchorman produziert hat. Jetzt bin ich verwirrt. Also fette Props oder sowas, aber trotzdem kein Oscar.

Ole: Erinnert sich noch wer an I heart Huckabees? Das war ein schlechterer Film als Hulk.

Lincoln (Steven Spielberg)

Christian: Altmeister Steven Spielberg hat natürlich die besten Chancen, hier wieder mal mit Gold nach Hause zu gehen. Nachdem absurderweise dieses Jahr die Top-Picks Bigelow und Tarantino, sowie eben Affleck, gar nicht mal nominiert sind (so geht’s auch, liebe Academy!), entpuppt sich die Königsdisziplin mal so spannend wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig aber natürlich auch so uninteressant wie schon lange nicht.

Ole: Eigentlich möchte ich mindestens jedes Jahr einen Spielberg-Film sehen. Nur nicht mehr Lincoln.

Dalia: Barbie- und Ken-Puppen haben keine Genitalien. Wenn man sie auszieht, ist da nur ein Hügel. Steven-Spielberg-Filme erinnern mich ein bisschen an Barbies und Kens Schambereich, makelloses Plastik und Eltern haben keine Angst, dass es ihre Kinder verstört.

Josef: Spielberg ist Lincoln. Er setzt sich neben dich, erzählt irgendwas Bedeutungsschwangeres und aus unerfindlichen Gründen MUSS man ihm einfach zuhören.

Markus: Ehrlich gesagt glaube ich, dass Spielberg bald mal wieder einen Preis braucht, damit er nicht mit dem Filmemachen aufhört. Das führt dann zwar sicher zu einem peinlichen „Awww you!"-Moment, aber was soll’s. Er hat zumindest Gespür für Timing. Auch Die Zeit und die NYTimes haben sich die Fingerkuppen zu Lincoln blutig getippt und jeden einzelnen Tropfen genossen. Gut, Spielberg hat schon ein paar von den Statuen, aber andererseits wollte er auch schon immer der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten werden. Alle anderen Nominierten haben hoffentlich andere Ziele. Dann wird jeder irgendwie glücklich. Mahalo!