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Das Vorwort zur neuen Jugendbibel von Papst Franziskus gibt uns einige Rätsel auf

In seinem Text schreibt Franziskus über das Bibellesen am Strand, das Einschlafen beim Beten und das Nichtstun. Wir hätten da ein paar Fragen.

Foto: US Papal Visit | flickr | cc by 2.0

Der Papst ist so etwas wie die beiden Alten aus der Muppet Show: Alle finden ihn lustig, er spricht meistens vom Balkon und die Kommentare, die er abgibt, haben absolut keine Relevanz für das restliche Geschehen. Das war nicht immer so.

In der Vergangenheit gab es Päpste, die weibliche Pilger vergewaltigten, sich beschwerten, wenn gefolterte Kardinäle nicht laut genug geschrien haben und ihre toten Vorgänger noch mal verstümmeln ließen. Es gab sogar Päpste, die den Mord anderer Päpste beauftragten und eine „Pornokratie" errichteten, in der die Dirnen regierten. (Es waren auch andere Zeiten, damals.)

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Für so einen Wandel vom Inquisitor zum Emoji braucht es viel Zeit und noch mehr Image-Kampagnen. Die neueste Maßnahme in diese Richtung setzt jetzt der sympathischste, liberalste, moränenartigste Papst aller Zeiten, Franziskus, mit seinem Vorwort für die nächste Jugendbibel.

Diese Bibel wird vom Wiener Unternehmen Youcat herausgegeben, das laut ihrer eigenen kleinen Genesis „einen richtig ,coolen' Jugendkatechismus" zum Ziel hat. Zumindest kann man ihnen nicht vorwerfen, dass sie zu wenig ambitioniert wären. Das Buch der Bücher kostet 14,99 Euro (umgerechnet in Jugendgeld: 1 Gramm Gras oder 30 Gramm Tränen) und ist ab 21. Oktober erhältlich. Wir haben hier die wichtigsten Sätze aus dem päpstlichen Vorwort analysiert und die Antwort in aller gebotenen Bescheidenheit direkt an Franziskus adressiert:

„Manchmal schlafe ich beim Gebet sogar ein. Aber das macht nichts."

Eins gleich vorweg: Ich mag's, wie du dich als Anti-System-Papst inszenierst, Franziskus. Mit deinem „Seien wir uns ehrlich, sogar mir schlafen bei diesem altersentschleunigten Bet-Scheiß manchmal die Füße ein" holst du galant alle ADHS-Fälle und jeden vom Kampf gegen die Hormone völlig übermüdeten Teenager ab. Und das, ohne sie aufzuwecken. Nächstes Jahr erwarte ich mir die ehrliche Erweiterung dieses Geständnisses in der Form von: „Manchmal schlafe ich sogar vor dem Beten ein". Aber du hast recht, man muss sich immer auch Möglichkeiten zur Steigerung offen lassen.

„Warum lest ihr nicht zu zweit, dritt, zu viert gemeinsam in der Bibel? […] Oder habt Ihr etwa Angst, Euch mit einem solchen Vorschlag voreinander zu blamieren?"

War das gerade ein Dare, Franziskus? Hast du deine jugendlichen Leser gerade wirklich mit „Traust dich nie" unter Druck gesetzt? Du weißt bestimmt, was man sagt: Je mehr Druck man braucht, umso schwächer ist dein Argument. Das wird auch dadurch offensichtlich, welches Setting du für das Bibel-Gathering vorschlägst: „Draußen in der Natur, im Wald, am Strand, abends, im Schein von ein paar Kerzen …" Ich meine, ich versteh schon, dass es zu den Grundprinzipien von Religion gehört, dass sich deine Idee und deine Anhänger viral verbreiten müssen, weil das Christentum sonst wie ein Meme von letzter Woche irgendwann abflaut. Aber können wir nicht wenigstens am Strand oder beim Wandern unsere Ruhe haben? Es ist ein bisschen wie das Telefonat mit diesem einen Typen, der zwar immer fragt, ob er gerade stört, aber auch dann, wenn man „Ja" sagt, 10 Minuten durchredet. Aber ganz abgesehen davon: Was bringt es, zu viert nebeneinander zu lesen? Was kommt als nächstes, zu acht in die Silent Bibel Disco gehen?

„Nur auf diese Weise kann das Wort Gottes Kraft entfalten. Nur so kann sich unser Leben ändern, kann groß und schön werden."

Zuerst mal wusste ich generell nicht, dass Größe eine intrinsische Eigenschaft von Leben ist. „Der hat ein kleines Leben" habe ich im Alltag jedenfalls noch nie gehört. Und haben wir nicht auch schon genug Dinge, bei denen es ständig um den Größenvergleich geht, Franziskus? „Ich lese die Bibel, Oida, ich hab viel das größere Leben als du" ist ein Diss, über dessen Nichtexistenz ich bisher eigentlich sehr froh war. Anstatt alte Bücher mit neuen Eigenschaften aufzufüllen, könnten wir die übrig geblieben Wörter ja auch in neue Bücher packen. Solche, die nicht vor 2000 Jahren spielen und jetzt ein Make-over brauchen, das zirka so aufwendig ist wie die Renovation von Venedig. Wurst wird ja immerhin auch nicht besser, wenn man frisches Fleisch in schimmlige Därme füllt.

„Lest mit Aufmerksamkeit! Bleibt nicht an der Oberfläche wie bei einem Comic!"

Woah, woah, WOAH. Jetzt lehnst du dich ein bisschen weit auf den Petersplatz, Franziskus. Du bist wahrscheinlich auch einer von denen, die Menschen danach beurteilen, welche Zeitung sie ganz beiläufig aus ihrer Freitag-Tasche hervorlugen lassen. Nein, das Lese-Material selbst macht einen weder schlau noch dumm. Man kann die Bibel genauso oberflächlich lesen, wie man einen Comic tiefergehend ergründen kann. Es geht darum, wie man liest und nicht, was. Vielleicht solltest du mal ein Standardwerk zu Medienrezeptionsforschung unter die Kutte packen (und dann elegant darunter hervorlugen lassen).

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„Oft nehme ich sie her, lese ein bisschen darin, dann lege ich sie weg und lasse mich vom Herrn betrachten."

O…kay? Womöglich bin ich ja der einzige, der bei solchen Sätzen automatisch an das „Draw me like one of your French girls"-Meme mit einem Mops statt Kate Winslett denken muss. Jedenfalls klingt das ziemlich stark nach Müßiggang oder, um es in der Sprache der Youcat-Leser zu sagen, nach Slackertum, was dich irgendwie sympathisch macht, Franziskus. Es klingt, als ob da jemand Spaß bei dem hätte, was er gerade macht—und damit auch wie etwas, das deine Katholische Kirche selbst niemals gutheißen würde. Übrigens wurde dieser Chiller-Modus der Lektüre in der Vergangenheit auch von weltlichen Instanzen angegriffen; unter dem Begriff „Lesesucht" hat man im 18. Jahrhundert dasselbe kritisiert, was heute an Videospielen kritisiert wird—nämlich Herumsitzen, Weltflucht, Chillen. Also aufpassen, dass du nicht abrutschst.

„Fragt euch: ‚Was sagt das meinem Herzen? Spricht Gott durch diese Worte zu mir? Berührt er mich in der Tiefe meiner Sehnsucht?'"

Im Tech-Journalismus gibt es einen Grundsatz, der zirka so geht: Immer, wenn du im Titel eine Frage stellst, lautet die Antwort nein. Das gilt auch hier, in leichter Abwandlung. Auf die drei Fragen kann ich problemlos mit „nichts", „nein" und „nein" antworten und bin geneigt, ein „Nächste Frage!" anzuhängen. Dass du, Franziskus, diesen Grundsatz von Ian Betteridge nicht kennst, hat vielleicht damit zu tun, dass die Kirche mit Technologie-Journalismus (oder, wenn wir schon dabei sind, mit Technologie an sich) noch nie das beste Verhältnis hatte.

„Manchmal spricht er auch nicht. Ich fühle dann nichts, nur Leere, Leere, Leere … Aber ich bleibe geduldig da, und so warte ich."

Wir haben's verstanden: Beten ist langweilig—und Buddhismus ist vielleicht die richtigere Religion für dich, Franziskus.

Markus auf Twitter: @wurstzombie