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Ja, 116 Schichten Nagellack übereinander sind genauso widerlich, wie du es dir vorstellst

Sieht aus wie ein Abszess, ist aber ein "Nail Polish Mountain". Die gute Nachricht: Das Ablösen ist der reinste Porno.

Es ist soweit nichts Neues, dass wir Menschen uns irgendwie daran aufgeilen, Dinge zu schälen. Denkt nur mal an die pure Ekstase, die durch unsere Adern strömt, wenn die Bierflasche mal kalt genug ist, um das Etikett in Einem abzulösen. Oder an die multiplen Orgasmen, die uns überkommen, wenn wir genüsslich die Schutzfolie vom Display eines neuen Handys abziehen—fast so, als würde man ein ganz und gar makelloses Stückchen Glück häuten. Perfektion. (Übrigens: Ihr Freaks, die ihr diese Folie für immer auf euren Handys kleben lässt—was stimmt nicht mit euch? Wovor habt ihr Angst? Wisst ihr überhaupt, wie sich echtes Leben anfühlt?)

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Für diese wunderbare Neigung gibt es den Sammelbegriff "That Peeling Feeling"—inklusive Subreddit, YouTube-Videos, Hashtag und allem Drum und Dran. Das beschränkt sich jedoch größtenteils auf die bereits erwähnten Schutzfolien, die von iPads, Mikrowellen oder Autoradios entfernt werden. Einen richtigen Abschäle-Ständer kriegt man jedoch erst, wenn der eigene Körper die Oberfläche bildet. Egal ob für Wachs, Klebstoff oder eben 116 Schichten Nagellack.

Schon als im vergangenen Jahr "Bubble-Nails" einen kurzlebigen Internet-Hype auslösten, stand ein Großteil der Nageldesigner unter uns vor einer großen Frage: Was zum? Wir alle waren verwirrt, angeekelt, fasziniert und ratlos zugleich. Niemand wusste so recht, wieso ein Fingernagel plötzlich aussehen sollte wie eine halbe Weintraube, die wiederum an einer ganz üblen Sorte Nagelpilz leidet. Wir wollten ein bisschen brechen, wegschauen konnte aber auch niemand so wirklich.

Jetzt haben wir also den nächsten Salat: "Nail Polish Mountain"—und der Name ist Programm. Über 100 Nagellack-Schichten, die einen ganzen fucking Tag in Anspruch nehmen und letztendlich aussehen wie eine verpfuschte Version der Nagelpilz-Weintrauben. Das hier ist 2016 und wir alle haben irgendwie Schuld daran. Aber so eklig der Nagellackberg auch sein mag, so unerwartet befriedigend sind wiederum die Bilder seiner forcierten Absonderung.

Ahhh. Ja. GIFs via Revelist

Das Ganze nimmt die Freuden des bereits bekannten "Peeling Feeling" und hievt sie auf das nächste, körpereigene Level: "Peel Porn". Nicht unähnlich den Videos von ausgedrückten Pickeln, die wir vor zwei Jahren schon mal als mögliche Alternative zum Porno ausgerufen hatten. Unser Glück: "Peel Porn" kommt ganz ohne Eiter aus und ist damit auch für empfindliche Mägen geeignet. Das heißt, solange man sich von Videos fernhält, in denen ein Typ abartig viel abgestorbene Haut von seiner Fußsohle abzieht.

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Viele werden das nicht mehr wissen, aber zu meiner Zeit hatten wir in der Schule diese gelartige Flüssigkeit namens "Uhu", die man vorsichtig auf die Fingerspitzen auftragen musste, bevor man sie durch zackige Berührungen zu festen Kügelchen formen konnte. Die Rückstände konnte man dann oft ablösen wie kleine Hautfetzen nach einem Sonnenbrand auf der Schulter. Heute weiß ich, dass ich bereits damals meine ersten Berührungen mit Peel Porn gemacht hatte.

Für mich ist es darüberhinaus fast wie ein Instinkt, mit meine dicken Wurstfinger in heißes Kerzenwachs zu tunken. Ich kann gar nicht anders. Haben erst mal alle fünf Fingerspitzen ihren Wachsmantel bekommen, halte ich kurz inne und fühle, wie der heiße Dip auf meiner Haut fest wird. Manchmal gönne ich mir sogar noch eine zweite Schicht obendrauf, was kostet die Welt? Nichts ist vergleichbar mit diesem erlösenden Gefühl, das mich dann flutartig beschleicht, wenn ich die ausgehärteten Wachskuppen langsam von meiner Haut und meinen Fingernägeln löse und abstreife. Gott und meine Mama wissen, wie viele Adventskränze ich mit dieser Angewohnheit bereits ruiniert habe.

Genau so. Ja.

Aber zurück zu den Fingernägeln: Es ist schon ein besonderes Verhältnis, das wir zu diesen Dingern pflegen. Lackieren, kauen, feilen, einreißen, abbrechen, da geht einiges. Und ja, wir alle haben diesen einen Freund mit dem viel zu langen, leicht vergilbten Nagel am kleinen Finger, den er einfach nicht schneiden will, weil er Gitarrist ist oder so. Aus irgendeinem Grund ist die Länge von Fingernägeln aber nur noch halb so tragisch, wenn sie mithilfe von Lack und Acryl plötzlich auch an Dicke zunehmen können.

Am leichtesten erklären lässt sich diese Abneigung gegen Bubble Nails und Nagellackberge wohl mit Body Horror und der Angst vor der Deformierung des eigenen Körpers—und genau so wirken diese Kreationen auf ein ungewohntes Auge nun mal. Trotzdem: Kann man ruhig mal ausprobieren, zumindest für den Peel Porn.

Franz auf Twitter: @FranzLicht