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Bye-bye, Friedrich

Die vier besten Gründe, warum Hans-Peter Friedrich schon lange vorher hätte zurücktreten sollen.
Foto: imago| Sven Simon

Gestern ist Hans-Peter Friedrich von seinem Amt als Landwirtschaftsminister zurückgetreten, weil er Mist gebaut hat. Im Oktober 2013 warnte er den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass gegen den SPD-Politiker Edathy Ermittlungen liefen. Das wusste er, weil er damals noch Innenminister und damit der oberste Dienstherr der Polizei war. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Friedrich, wegen Verrats von Dienstgeheimnissen, vielleicht aber auch wegen Strafvereitelung.

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Was genau jetzt mit Friedrich passiert, ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass Friedrich jetzt endlich weg ist. Noch ein, zwei Wochen wird man über ihn und seine berufliche Implosion berichten, und dann werden wir uns nie wieder mit dem überforderten CSU-Klops beschäftigen müssen. Friedrich verdankte seinen Posten als Innenminister dem plötzlichen Abgang Guttenbergs, und dass er dem nicht gewachsen war, hat man bis zum Ende gemerkt.

Zum Abschied haben wir noch einmal die absoluten Tiefpunkte aus Friedrichs freiheitsgefährdender Betätigung als Innenminister gesammelt. Um die Bedeutung dieses Ereignisses für die Demokratie festzuhalten—und auch einfach deshalb, weil Nachtreten Spaß macht, wenn der Arsch nur groß genug ist.

1. Friedrichs Privatkrieg gegen das Internet

Niemand weiss genau warum, aber Friedrich hatte wahnsinnige Angst vor dem Internet. Für ihn stellte es „ein wesentliches Instrument für die Radikalisierung von Menschen" dar. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Bücher, Telefonate, Graffiti und Unterhaltungen in Kneipen nach dieser Logik genauso 'wesentliche Instrumente für die Radikalisierung von Menschen' sein können, machte sich Friedrich also daran, das Internet zu kontrollieren.

Dazu versuchte er als erstes, die gute alte Vorratsdatenspeicherung wieder aufleben zu lassen und die Speicherung von Handy- und Internetdaten für mindestens sechs Monate zu fordern. Weil er allerdings die Debatte um Vorratsdatenspeicherung vermeiden wollte, versuchte er einfach, die gleich Idee ab jetzt als „Mindestdatenspeicherung" zu verkaufen. „Dieser Begriff ist besser," meinte der Minister, „denn bei Vorratsdatenspeicherung wird man merkwürdig angeschaut." Allerdings, schliesslich hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt, weil man mit den gesammelten Daten von praktisch jedem ein vollständiges Profil erstellen konnte.

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Besonders hinterhältig war seine Angewohnheit, jedes größere Verbrechen als Anlaß zu nehmen, eine Ausweitung der totalen Überwachung zu fordern. Die NSU-Morde? Vorratsdatenspeicherung, sofort! Anders Breivik erschiesst Kinder in Norwegen? Weg mit der Anonymität im Netz! Kinderpornographie? Mesut Özil wird beleidigt? Alles muss gespeichert werden! Friedrich war kein Verbrechen zu schmutzig, um es nicht für sein Steckenpferd, die totale Überwachung des deutschen Bürgers, zu instrumentalisieren. Hauptsache, es bleiben keine „rechtsfreien Räume" im Internet, in die sich Friedrich abends nicht reintraut.

2. Die Überwachung der Linken

Analog hatte Friedrich Überwachung genauso gern. Im Januar 2012 wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz 27 Abgeordnete der Linkspartei beobachtete. Friedrich log erst über das Ausmass der Überwachung und verteidigte sie dann damit, dass es „erhebliche Hinweise" auf „verfassungsfeindliche Tendenzen" bei der Linkspartei gäbe. Obwohl bei der Linken eine Menge skurriler Typen herumhüpfen, muss man die Augen schon sehr zusammenkneifen, um in ihnen eine ernsthafte Gefahr für die Verfassung zu erkennen.

Friedrichs anderes Argument war noch bescheuerter: wenn man aufhöre, die Linken zu beobachten, dann müsse man ja auch aufhören, die NPD zu überwachen. Angesichts des Versagens des Verfassungsschutzes in der NSU-Affäre war das schon eine Unverschämtheit. Schlimmer war der Verdacht, dass es eigentlich der Innenminister selbst war, der die Verfassung gefährdete: indem er nämlich den Geheimdienst dazu einsetzte, politische Gegner zu diskreditieren und mit mordenden Nazis gleichzusetzen.

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3. Der Umgang mit der NSA-Affäre

Als Friedrich hörte, dass die Amerikaner mit PRISM bereits einen viel effektiveren Krieg gegen die Privatsphäre im Internet führten, war er erstmal begeistert. Als die deutsche Bevölkerung diese Begeisterung aber nicht teilte, schimpfte Friedrich zuerst auf diese „Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität" und verkündete, die Amerikaner würden auf keinen Fall gegen geltendes deutsches Recht verstoßen.

Irgendwann erklärte ihm dann jemand, dass es bei aller Liebe zur totalen Überwachung auch zu den Aufgaben eines deutschen Innenministers gehört, deutsche Bürger gegen Lauschangriffe aus dem Ausland zu verteidigen. Widerwillig reiste er also in die USA, um sich von Joe Biden über PRISM aufklären zu lassen. Nach seiner Rückkehr erklärte er, das Programm sei nicht nur ganz und gar harmlos für Normalbürger, es habe sogar allein in Deutschland 5 Terroranschläge verhindert. Ziemlich bald musste er zugeben, dass das frei erfunden war. Dazu erfand er auch noch ein neues „Supergrundrecht" auf Sicherheit, dass irgendwie über allen anderen stehe.

Im August 2013 erklärte er die NSA- uns Snowden-Affäre für beendet, die sowieso nur aus „falsche[n] Behauptungen und Verdächtigungen, die sich in Luft aufgelöst haben" bestanden habe. Für ihn war jedenfalls völlig klar: „Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt." Weil seither aber ständig neue Beweise für die Rechtsverstösse der NSA auftauchen, erklärte Friedrich irgendwann genervt, er habe als Innenminister besseres zu tun gehabt, als sich um den ganzen NSA-Mist zu kümmern.

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4. Sein Umgang mit Muslimen, Ausländern und Asylbewerbern

Gleich an seinem ersten Tag als Innenminister erklärte Friedrich, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Anfang 2012 sorgte die Bild mit der Schlagzeile „Jeder fünfte Muslim in Deutschland will sich nicht integrieren" für einige Aufregung. Dann herauskam, dass die Zeitung sich auf eine umstrittene Studie bezog, die das Innenministerium ihr frühzeitig zugespielt hatte. Friedrich stritt das ab, es kam aber trotzdem heraus.

Im selben Jahr gab er noch einmal eine Kostprobe seines interessanten Verhältnisses zum Grundgesetz. Das Verfassungsgericht hatte beschlossen, dass es verfassungswidrig sei, Geld- und Sachleistungen an Asylbewerber absichtlich niedrig zu halten, um weitere Asylbewerber abzuschrecken. Kurz nach dem Urteil erklärte Friedrich, es müsse weiter eine Differenz zwischen Hartz IV und Asylbewerberleistungen geben, "weil wir sonst noch mal mehr Wirtschaftsflüchtlinge anziehen".

Für Friedrich bedeuteten die angestiegenen Flüchtlingszahlen 2013 sowieso nur einen „alarmierenden" Anstieg von „Asylmissbrauch". Im Kampf gegen „Wirtschaftsflüchtlinge" kam Friedrich kurz darauf noch eine glänzende Idee: Roma sollen weniger bekommen. Leute aus „sicheren Herkunfstländern" wie Serbien und Mazedonien sollten reduzierte Leistungen erhalten (wie gesagt, dass Verfassungsgericht hatte eben die Leistungen generell für zu niedrig befunden). Ausserdem sollen die Serben sich einfach selber besser um ihre Roma kümmern, dann kommen auch nicht so viele hier her.

Während der Rest Europas angesichts der Lampedusa-Katastrophe zumindest Betroffenheit heuchelte, gab Friedrich sogleich bekannt, er sähe überhaupt keinen Grund, an der deutschen Asylpolitik irgendwas zu ändern. Kurz darauf plärrte er schon wieder, es brauche schärfere Regeln für „EU-Armutseinwanderer" aus Bulgarien und Rumänien, was ihm den Titel „Hassprediger" vom Linken-Chef Riexinger einbrachte.

Friedrich betonte immer wieder, man müsse einfach versuchen, den Menschen in ihren Herkunftsländern helfen, damit sie gar nicht erst herkommen. Vielleicht sollte er seine neugewonne Freizeit nutzen, um sich in den Konflikten in Syrien oder Eritrea mal ein bisschen konstruktiv einzubringen. Wer weiß, vielleicht können die Menschen dort dem liebenswerten Lockenkopf etwas abgewinnen. Hier in Deutschland hat er genug angerichtet.