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Warum wir Photoshopper so hassen

Alles ist gephotoshopt und jeder lügt. Wahrscheinlich bist selbst du gerade damit fertig geworden, dich auf deinem Facebook-Profilbild besser aussehen zu lassen.

Alles ist gephotoshopt. Schau dir ein zufälliges professionelles Bild an oder irgendein Facebook-Partyfoto und du wirst feststellen, dass es auf irgendeine Art und Weise nachbearbeitet worden ist. In den meisten Fällen sind diese Methoden vergleichbar mit den ganzen Tricks, die beim Entwickeln und Bearbeiten angewendet wurden, als Film noch das Maß aller Dinge war. Manchmal ist es wirklich ungeheuerlich. Auf jeden Fall ist man im Internet davon besessen, Photoshop-Arbeiten aufzudecken, zum Beispiel als Apple seine Produkte verwechselte. In China ist es ein nationaler Zeitvertreib geworden, die Regierung beim Zensieren mit Hilfe von Photoshop zu erwischen. Die Leute flippen dermaßen aus, wenn sie gefälschte Bilder finden, dass es zu einer Art Metamem geworden ist, sich über diejenigen Leute lustig zu machen, die sich über die Leute lustig machen, die alles als Fake bezeichnen.

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Das Aufspüren von Bildern, die mit Photoshop bearbeitet wurden, passt zu unserer allgemeinen Besessenheit, Schummler zu entlarven. Ganz gleich ob es jemandem dazu dient, zu beweisen, dass er aufmerksam ist, oder ob es ihm eine krankhafte Freude bereitet, vor anderen mahnend den Finger zu heben, es scheint als seien wir dazu veranlagt, Trickser bloßzustellen. Ist das aber wirklich der Fall? Könnte es sein, dass unser innerstes Bedürfnis, auf Fergies digitale Brust-Aufpolsterung aufmerksam zu machen, ein evolutionär entstandenes Merkmal ist?

Jemand hat sich da wohl was machen lassen Wenn das Bedürfnis, Schummler zu schnappen, ein Merkmal ist, dass sich entwickelt hat, muss Schummeln an sich vorher schon eine praktikable Strategie gewesen sein. Und so ist es auch. Die Natur ist voll von Schwindlern, die alle versuchen, etwas darzustellen, was sie nicht sind und klauen, um mehr Nahrung oder mehr Geschlechtspartner zu bekommen, als sie normalerweise hätten.
Schummeln tritt auf, wenn Tiere ihre symbiotischen Beziehungen ausbeuten. In Korallenriffen gibt es Fische, die sich davon ernähren, andere Fischen von Parasiten zu befreien, die wir uns als ihre Kunden vorstellen können. Es ist eine ziemlich eindeutige Win-Win-Situation. Wenn ein Kunde auf einen Putzer zusteuert, wird der Kunde von energiezehrenden Parasiten befreit und der Putzer verdient sich leicht ein Mahl. Ab und zu wird aber einer dieser Putzer ein bisschen gierig. Anstatt nur Parasiten zu verdrücken, könnte dieser Schummler genauso gut an seinem Kunden knabbern. Vielleicht schnappt er sich auch noch einen Bissen Schuppe oder etwas anderes, was dem Kunden zum Nachteil gereichen würde. Es ist ein einfacher Schwindel für den Schummler, tut aber allen anderen weh, einschließlich anderer Putzerfische, die sich nun mit argwöhnischeren oder abwehrenden Kunden auseinandersetzen müssen.  
Oder denken wir doch mal an Mimikry. Giftige Schmetterlinge haben grelle, gesättigte Farben. Anstatt sich zu tarnen, haben sie einen visuellen Schrei gegen Räuber entwickelt:  „Hey! Friss mich nicht. Ich werde dich töten!“ Um Gift herzustellen, braucht man jedoch eine Menge Energie. Das hat zum Teil zur Folge, dass Schmetterlinge mehr Zeit mit Fressen verbringen müssen—Zeit, die theoretisch besser zur Fortpflanzung genutzt werden könnte. Es lohnt sich dennoch, Gift zu produzieren, wenn Räuber Bescheid wissen und es vermeiden, dich aufzufressen.
  Nur einer ist giftig. Du willst dich aber trotzdem nicht mit dem anderen anlegen.

Die Situation ist aber zu günstig, um nicht Profit daraus zu schlagen. Viele ungiftige Arten sind im Lauf der Evolution dazu übergegangen, wie giftige Arten auszusehen. Die Situation ist für die Nachahmer großartig: Sie müssen sich nicht mit der anstrengende Giftproduktion herumschlagen und können trotzdem Angreifer dazu bewegen, sich aus dem Staub zu machen. Für die „echten“, giftigen Schmetterlinge, die die Arbeit machen, ist das ein grauenhafter Deal. Jedes Mal, wenn ein Räuber einen ungiftigen Schwindler frisst (aus Versehen, jugendlichem Leichtsinn oder einfach nur Hunger) und dabei nicht stirbt oder kotzt, wird die abschreckende Wirkung dieser giftigen Farbkombination schwächer. Imitatoren bewirken, dass der tatsächliche Schrecken des Giftes nicht mehr so stark ist.
Was soll also ein Tier mit echten giftigen Abwehrmechanismen tun? Die Natur stellt ein Heer von Verteidigungsstrategien zur Verfügung. Im Prinzip fallen sie in zwei Hauptkategorien: diejenigen, die Schwindeln unmöglich machen und diejenigen, die den Schwindel zu einem riskanten oder schmerzhaften Vorhaben werden lassen.  
Die erste Verteidigungsstrategie fällt mit Luxus zusammen. In der Welt des Luxus leben Menschen, die versuchen, Imitate herzustellen, die zum Bedürfnis nach einer immer pompöseren Zurschaustellung von Reichtum beitragen könnten. So funktionieren Pfaue: Nur ein sehr gesunder, sehr erfolgreicher Pfau kann es sich leisten, diese extravaganten Federn wachsen zu lassen und die Damen wissen das. Das gleiche Prinzip gilt auch bei einem Bentley. Du kannst ihn nicht kopieren, auch wenn du es noch so lang probierst.   Was passiert aber, wenn das Kopieren oder Betrügen unerhört leicht wird? Photoshop setzt die Schwelle herunter und dadurch besteht die einzige Verteidigungsmöglichkeit darin, Schwindlern mit einer gehörigen Portion Gassenjustiz zu begegnen. Falls die Putzerfische im vorangegangen Beispiel ihren Kunden ein Stück abbeissen, greifen die Kunden an.
Im Internet ist es nicht möglich, in einen Faustkampf mit jemandem, der dich beschissen hat, zu geraten. Also versuchen wir, denjenigen bloßzustellen. Jeder, der schon mal versucht hat, bearbeitet Fotos online zu stellen, sollte wissen, dass das Internet auch mit Gewalt zurückschlagen kann. Ansehen wird in Frage gestellt und ganze Werke werden von den vorwurfsvollen Augen der Menge gemustert. Es dient alles einem Zweck: Die Risiken sind gewaltig für jeden, der versucht mit seinen tollen Photoshop–Fähigkeiten zu bescheißen. Es ist also natürlich, dass unsere Abneigung gegen Schwindler tiefer unter die Haut geht.