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Popkultur

Pink Ist das neue Pink und wird pink bleiben

Julian Zigerli ist ein Modedesigner der definierend für die „Neue Männlichkeit“ ist. Wir haben mit ihm über Sex, Perfektion und die Normalisierung von Trends gesprochen.

FOTOS: JONAS HEGI

Styling: Kathrin Grossenbacher, Julian Zigerli
Haare und Make-up: Cait Dobozi

Julian Zigerli ist ein Schweizer Modedesigner aus Zürich, einer Stadt, die er als sexy mit einer gewissen Eleganz beschreibt, und vor dem Interview begrüßen wir uns auf Schweizerdeutsch, da wir Landsleute sind: ich Bernerin und er Zürcher. Dass ich mit ihm über den Zusammenhang zwischen Sex und Mode spreche, liegt nicht nur daran, dass wir unser Herkunftsland teilen, sondern auch daran, dass ich seine Art und Weise, Männermode zu machen, als Zusammenführung sämtlicher Entwicklungen der 1990er wie der Vogue-Bewegung und der Designs von Jean-Paul Gaultier zu einem Höhepunkt erlebe. Auch wenn er sich nicht als Designer andro­gyner Mode begreift, steht seine Kleidung für mich in Sachen Männermode für Innovation. Natürlich erlebt Pink immer wieder das eigene Revival. In den frühen Nullerjahren trugen die BWL-Studenten dieser Welt pinke Polohemden und viel zu enge Shirts, ebenfalls in Pink. Designer wie Julian Zigerli oder die Amerikaner Shayne Oliver von Hood By Air und Telfar Clemens haben es für Männer aber jetzt wirklich cool gemacht, Pink, Pantoffeln und enge Leggings zu tragen. Diese Designs in Pink sind ein Aufruf zu einem neuen Männerbild, das nicht von Ideologien und Symbolismen lebt, die irgendwann in den 1940ern festlegten, dass Mädchen rosa und Jungs blau zu tragen haben, sondern auf eine Zeit verweisen, als blau als zart und pink als aufregend und abenteuerlich galt.

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VICE: Deine neueste Kollektion für Herbst Winter 2014/15, The One and Only, ist der natürlichen Schönheit gewidmet. Wie ist es dazu gekommen?
Julian Zigerli: The One and Only repräsentiert die Traumvorstellung von der Suche nach dem Perfekten bzw. den Wunsch, eine konstruierte Person zu werden oder so eine perfekte Person an seiner Seite zu haben. Diese Perfektion, die man sich erwünscht oder der man nacheifert, gibt es aber nicht.

Sehnst du dich selber nach Perfektion?
Sich nach Perfektion zu sehnen, bedeutet, Zeit zu haben. Perfektion ist von Zeit abhängig, und in der Mode gibt es einfach generell zu wenig Zeit zum Kreieren. Es gibt vieles, das perfekt ist, aber nur in einem gewissen Moment. Man könnte es so sagen: Zeit und Raum bestimmen den perfekten Moment, aber die Perfektion ist immer nur ein Moment, nicht ein Objekt, und auch das Objekt ist nur in einem gewissen Moment perfekt.

Perfektion drückt die Einladungskarte zu deiner Show von The One and Only aus. Das Bild von dem nackten Mann ist zudem auch sehr sexy. Wie groß ist die Rolle von Sex in deinen Kollektionen?
Ich finde, Sex ist wichtig. Ich zeige gerne Fleisch, das sieht man auch bei der Präsentation der neuen Kollektion. Ich hätte Lust auf eine nackte Kollek­tion. Nacktheit als Konzept ist auch eine Art von Perfektion.

Du hast eben gesagt, dass Perfektion immer nur für den Moment existieren kann. Bedeutet das, im Umkerhschluss, dass wenn deine Mode zumindest ein Versuch der Perfektion ist, sie eher so was ist, wie ein Quickie?
Nein, Mode sollte eigentlich gar nicht so schnell sein, sie soll Zeitlosigkeit haben. Der Quickie repräsentiert ganz gut den Rhythmus: Alles geht immer sehr schnell. Sagen wir es so: Die Mode ist ein Quickie, weil alles schnell geht und man wenig Zeit hat, aber das mit der Kleidung ist eine Romanze.

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Wie ist die Zusammenarbeit mit Fabian Fobbe, Katha­rina Grosse und mit dem französischen Künstlerkollektiv Golgotha zustande gekommen?
Die Zusammenarbeit hat thematisch immer sehr zu meinen Kollektionen gepasst und hat sich ganz spontan und organisch ergeben. Eine Arbeit von Katharina Grosse war zum Beispiel das Inspirationsbild für meine letzte Kollektion. Mit Golgotha für The One and Only war es nicht anders, ihre Arbeit strahlt eine elegante Harmonie aus, auch wenn sie komplett dreidimensional und am Computer erzeugt ist.

Ein Problem der Kunst- wie der Modewelt ist die Genderfrage, die Definition von Geschlecht. Mittlerweile wird immer öfter von einer neuen Maskulinität gesprochen. Der Mann wird als sensibler und loyaler wahrgenommen und begreift sich auch selbst so. Bei Labeln wie HBA erweitert man den Begriff auf die neue schwarze Maskulinität. Wie sieht das in Europa aus?
Christopher Shannons Kollektion ist unglaublich, sie verkörpert für mich das Konzept neue Maskulinität am besten. Seine Kollektionen verbinden das Sportliche, das bei ihm eher männlich markiert ist (genauso wie bei mir), mit einem weiblichen Touch. Ein anderer wichtiger Designer ist J. W. Anderson: Er hat mit Männerkollektionen begonnen und kreierte mit der Zeit auch Frauenmode. Er hat es zu seinem Ziel gemacht, die Demarkationslinie zwischen Mann und Frau immer mehr aufzuweichen. Seine Designs sind jetzt hundertprozentig androgyn und widersprechen somit komplett den Klischees von ­Männermode und Frauenmode.

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Trifft dieses Konzept von neuer Maskulinität auch für deine Arbeit zu?
Vielleicht unbewusst. Ich finde schon, dass ich zu dieser neuen Gruppe von Designern gehöre, aber wenn man über meine Designs spricht, dann redet man eigentlich nie von Androgynität. Aber es ist ein gutes neues Kon­zept. Was ich so toll finde an der neuen Maskulinität, ist, dass es das Klischeedenken bezüglich weiblicher und männlicher Mode—pink gleich weiblich—aufgelöst hat. Die neue Maskulinität ist sicherlich ein Trend, aber er wird nicht auslaufen, so wie die meisten Trends, sondern normalisiert werden.

Julian trägt auf allen Bildern Teile aus seiner Herbst/Winter-Kollektion 2014.