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Berlin ist gegen Pro Deutschland

Vergangenes Wochenende nahm sich die German Defence League Berlin vor und präsentierten sich bei ihrem „Veranstaltungswochenende der Superlative", das allerdings ausblieb, als "gute" Christen.

Dass sich der braune Sud in Europa ein neues Konzept überlegt hat, ist spätestens seit Sarrazin oder Wilders in Holland bekannt. Letzte Woche marschierte die German Defence League zusammen mit Pro Köln durch die Kölner Innenstadt und demonstrierte gegen die „Islamisierung Europas", hinter der Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von Pro Deutschland, mehrere versteckte Agenden islamischer Länder sieht.

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Vergangenes Wochenende nahmen sich die Pro Deutschländer Moscheen in Berlin vor und präsentierten sich bei ihrem „Veranstaltungswochenende der Superlative", das allerdings ausblieb, als gute Christen. Es waren etwa 50 „pro-deutsche" Demonstranten erschienen. Außerdem zeigten sie die Mohammed-Karikaturen, was eine ziemliche Provokation darstellt, zumal am Samstag der letzte Tag des Ramadan war. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in letzter Sekunde das Ausstellen der Karikaturen erlaubt. Man verwies auf die Meinungsfreiheit.

Wir waren am Samstag bei den drei Demonstrationen in Berlin dabei und haben uns mit Muslimen, Pro Deutschländern, Linken und Schaulustigen unterhalten, um die Stimmung einzufangen. Erster Stopp war die As-Sahaba-Moschee in Berlin-Wedding, die zugegeben als eine Hochburg radikaler Salafisten gilt. Burhan Kesici, Generalsekretär des Islamrates in Deutschland, jedoch meint, dass die Medien aufbauschend über den Salafismus berichten: „Das ist heute eigentlich die falsche Diskussion. Heute geht es darum, gegen Pro Deutschland zu demonstrieren. Im Salafismus gibt es sehr unterschiedliche Strömungen. Es wird in Berichten nicht differenziert zwischen einzelnen Gewaltbereiten und den vielen, die friedlich hier leben. Insgesamt fühlen wir uns als Muslime provoziert und beleidigt durch diese Aktion. Es ist Ramadan."

Ähnliches erzählen mir zwei türkischstämmige Jugendliche aus dem Wedding. Beide machen gerade ihr Abitur und wollen BWL studieren. „Weißt du, ich geh dann vielleicht in die Türkei zurück, wenn ich hier nicht arbeiten kann. Die da drüben sagen ja, dass wir hier nichts verloren haben, aber wir sind beide hier geboren und wollen uns hier etwas aufbauen." Ein Palästinenser um die 30 macht sich über eines der Plakate von Pro Deutschland lustig, auf dem steht: „Unsere Frauen bleiben frei." Er meint dazu: „Das ist lächerlich. Meine Frau ist nicht frei? Rate mal, wer bei uns zu Hause das Sagen hat. Aber die machen das schon richtig. Geben sich bürgerlich und sind pro Israel, weil die mittlerweile verstanden haben, was sie sagen dürfen und was nicht."

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Eine Gruppe von Pro-Deutschland-Sympathisanten, die aber nicht an der Demonstration teilnehmen, diskutiert ein paar Verschwörungstheorien. Etwa, dass die arabische Welt uns vom Öl abhängig gemacht habe. So wie ja auch ausschließlich dein Dealer schuld ist, wenn du dir Drogen von ihm besorgst. Faschismus und Paranoia sind eine gefährliche Mischung. Außerdem sei der Christ an sich ja viel toleranter als der Moslem. Stimmt. Wenn man mal von der Inquisition absieht. Oder der vom Vatikan geduldeten Judenausrottung durch die Nazis.

Pro Deutschland bezeichnet sich übrigens als gut christlich. Das Christentum sei der einzig wahre Glaube für das moderne Europa. Dass das an der Lebenswelt von Millionen von Bürgern der EU völlig vorbeigeht, scheint ihnen dabei kaum aufzufallen. Auch dass die Forderung nach einem gestärkten Christentum in Europa leicht gegenläufig ist zu ihrem Argument gegen die fehlende Säkularisierung in islamischen Ländern, bemerkt kaum einer. Das vehemente Pochen auf gute deutsch-christliche Werte zeugt eher von einer eigenen Identitätskrise als einer wahren Gefahr von außen.

Nächster Stopp: Al-Nur-Moschee in Neukölln. Auch eine Moschee, die als „Hort der Fundamentalisten" gilt. Die Moschee dürfen wir nicht betreten. Sie ist wie eine Festung abgeriegelt. Dennoch unterhalten sich einige ihrer regelmäßigen Besucher mit uns. Einer erzählt mir, er sei mit einer Deutschen verheiratet und habe drei Kinder, die jetzt studieren. Er hat Angst, dass sie wegen ihres Glaubens und ihrer Herkunft keine Arbeit bekommen. Ein anderer meint, es sei schlimm, als was man in Deutschland als Moslem bezeichnet werde. Islamist, Salafist, das seien alles vereinfachende Generalisierungen. Vielleicht haben aber auch sie gelernt, was sie sagen können.

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In Neukölln lässt uns der Pressechef der Berliner Polizei auch auf die Seite von Pro Deutschland. Die beiden Demonstrationen werden wie vorher im Wedding und später in der Hermannstraße durch Absperrungen und Hunderte Polizisten getrennt und man befindet sich nur noch in Ruf- aber nicht Wurfweite. Der versammelte Haufen von German-Defence-League-Typen und anderen Aktivisten wirkt eher armselig.

Deshalb gibt sich Manfred Rouhs im Interview auch betont bürgerlich. Sie selbst rufen zum Abschluss dieser Kundgebung „Nazis raus!" zur Verblüffung der Gegendemonstranten. Während der offizielle Slogan der Veranstaltung lautete „Der Islam gehört nicht nach Europa", sagt Rouhs im Interview, man wolle deshalb noch lange nicht alle Moslems abschieben. Integration sei die Lösung.

Leider verrät Rouhs, übrigens früher mal NPD-Direktkandidat für die Wahl zum 11. Deutschen Bundestag, sich dann doch noch. Als Nazis wollen sie ja nicht gelten, deswegen distanzieren sie sich von der NPD und ähnlichen Zusammenrottungen von rechten Hinterwäldlern. Deswegen ist ihr Erscheinungsbild betont sachlich. Der ehemalige Kreisvorsitzende Pro Deutschlands von Berlin Mitte, vormals NPD-Mitglied, war nicht dazu bereit, bei Demonstrationen auf seine Bomberjacke zu verzichten. Das sieht natürlich dann dumm aus, denn „wir haben bei unseren Veranstaltungen eine Kleiderordnung. Der kam oft im typischen Skinheadoutfit und das geht nicht. Wenn man Politik machen will, muss man sich an eine Kleiderordnung halten", betont Rouhs. Auf seine eigene NPD-Vergangenheit geht er nicht ein.

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Der letzte Halt am Samstag war eine Kreuzung auf der Neuköllner Hermannstraße. Mehrere hundert Gegendemonstranten von Antifa, Ver.di, DIE LINKE und Muslime hatten sich versammelt und schmetterten über Megafon ihre großartigen politischen Botschaften wie etwa: „Nazi, Nazi, Nazi: Nein, nein, nein. Müsli, Müsli, Müsli: Yam, yam, yam." Ernstzunehmender ist die Aussage einer türkischstämmigen Gegendemonstrantin, die darauf hinweist, dass die Neue Rechte sich auf den Islam versteife, weil sie dann die Unterstützung der Springerpresse sicher habe.

Der Haufen rechter Demonstranten ist an der Hermannstraße nicht mehr zu sehen. Die gesamte Kreuzung ist durch Polizeieinsatzwägen und Metallabsperrungen abgeriegelt. Die rechten Botschaften werden von der viel lauteren Gegenseite übertönt. Das Polizeiaufgebot ist massiv und die Hitze scheint den gelangweilten Polizisten in voller Kampfmontur zu Kopfe zu steigen. Ein vielleicht 14-jähriger Junge, der versucht hatte, ein paar Eier auf den rechten Haufen zu werfen, wird von sieben vermummten Spezialkräften ohne Vorwarnung brutal umgerannt und im Polizeigriff abgeführt. Der Schutz der Rechten steht wohl im Vordergrund. Übrigens hatte Rouhs bei seiner vorherigen Rede stolz betont, dass sich in den Reihen von Pro Deutschland einige Polizisten befinden.

Die offizielle Aussage von Pro Deutschland ist, dass der Multikulturalismus in Deutschland gescheitert sei. Doch was heißt Multikulturalismus für Pro Deutschland? Ganz offensichtlich alle Andersdenkenden. Linke, gemäßigte und Nicht-Christen sind hier genauso gemeint wie Muslime. Anders sind die normativ-rechten Aussagen von Pro Deutschland nicht zu verstehen.

Fotos von Grey Hutton