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Psychoaktive Pilze gegen Depressionen und Angstzustände

Mehrere Studien haben mittlerweile nachgewiesen, welche positiven Effekte Magic Mushrooms auf Gehirnaktivität und Krebspatienten haben können.
Bild von Pilzen
Titelfoto:Janine | Wikimedia | CC BY 2.0

​ Neuesten Studien zufolge kann die psychoaktive Wirkung von Magic Mushrooms Depressionen, Angstzustände und Existenzangst besser lindern als alle traditionellen Antidepressiva und Medikamente gegen Angstzustände.

Wissenschaftler versuchen in aktuellen Studien mithilfe von Bildgebungsverfahren zu verstehen, wie sich der aktive Wirkstoff in den Pilzen, das Psilocybin, auf das Gehirn von Krebspatienten und Menschen mit psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Zwangsstörungen auswirkt.

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Ende Oktober veröffentlichten Wissenschaftlicher am King's College in London die Ergebnisse einer Studie, in der sie Gehirnscans von 15 gesunden, freiwilligen Testpersonen untersucht haben, die Psilocybin eingenommen hatten. Ihre Gehirne zeigten eine deutlich erhöhte Vernetzung in Hirnregionen, die normalerweise nicht miteinander kommunizieren. Dieser Effekt könnte  ​Synästhesie erklären, die Kopplung von Wahrnehmungsbereichen, die sich zum Beispiel darin äußert, dass man Zahlen mit Farben oder Klängen assoziiert.

„Wir haben herausgefunden, dass sich der psychedelische Zustand mit einer weniger eingeschränkten und deutlich vernetzteren Hirnfunktion in Zusammenhang bringen lässt, was auch mit den Beschreibungen des psychedelischen Zustandes übereinstimmt", schrieben sie.

Die Autoren der Studie waren nicht zu sprechen, doch eine anderer Wissenschaftler erklärte uns, dass Hirnscans zur Zeit nur eine der Methoden seien, um die Wirkung von Psilocybin verstehen zu lernen.

Laut Stephen Ross, Professor für Psychiatrie an der NYU und Leiter der Abteilung für Alkoholismus und Drogenmissbrauch am Bellevue Hospital, werden mittlerweile über 400 Dosen psychoaktiver Pilze in speziellen Studien an Universitäten in den USA verabreicht, darunter an der NYU, am John Hopkins, an der UCLA und der University of New Mexico. Und das, obwohl es sich dabei um eine illegale Droge der  ​ersten Kategorie handelt.

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Ross ist Leiter einer dieser Studien, in der die psychologischen Effekte von Psilocybin auf Krebspatienten untersucht werden. Obwohl die Daten noch nicht vollständig analysiert und veröffentlicht wurden, zeigen erste Ergebnisse, dass die Psilocybin-Dosen, die die Patienten erhielten, die Einstellung zu ihrer Krankheit verbessert haben. An der randomisierten Studie in New York nahmen 30 Patienten teil, die wegen schwerer Angstzustände und Depressionen aufgrund ihrer Krebsdiagnose zu Ross gekommen waren. Einige von ihnen erhielten Psilocybin, andere ein Placebo. Ross zufolge hielt die Wirkung einer Dosis bei den Leuten, die mit Psilocybin behandelt wurden, bis zu sechs Wochen an.

Ross: „Sie kamen mit Krebs zu uns, sie lagen im Sterben, sie hatten Angst, an Krebs zu sterben, sie litten an schrecklichen Angstzuständen und Depressionen. Nachdem sie Psilocybin genommen hatten, ging es allen viel besser. Der  ​Disstress nahm bei allen Patienten deutlich ab. Ihr Einstellung zum Krebs hat sich grundlegend gewandelt."

Bezeichnenderweise traten Ross zufolge in der Psilocybin-Studie  keine „schlechten Trips" auf. In seiner Studie wurden die einzelnen Teilnehmer auf ernsthafte psychische Erkrankungen und Abhängigkeit untersucht. Diejenigen, die als stabil genug eingestuft wurden, erhielten die jeweilige Dosis in Pillenform in einer sicheren Umgebung—einem wohnzimmerähnlichen Raum, in dem auch zwei Psychotherapeuten anwesend waren. Die Therapeuten hielten die Hand des Probanden, während dieser die Droge einnahm, und besprachen seine Haltung dem Krebs gegenüber mit ihm. Anschließend erhielt der Patient einen Blendschutz und konnte sich unter Aufsicht des Therapeuten für ungefähr acht Stunden auf ein Sofa legen und sich ausruhen. Die ersten drei oder vier Stunden schien es so, als ob der Patient schlafen würde. Dann wachte er auf und erzählte von dem, was erlebt hatte.

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Ross: „Sie beschrieben interessante Begegnungen mit transzendenten Kräften und Reisen in andere Abschnitte ihres Lebens. Sie erzählten davon, wo sie gewesen waren, und da die Absicht hinter diesen Erfahrungen war, zu lernen, mit dem Krebs umzugehen, ist es auch kein Wunder, dass sie von Folgebegegnungen mit dem Krebs erzählt haben. Dass sie den Krebs wie eine schwarze Wolke in sich sahen oder dass Familienmitglieder auftauchten und sie festhielten und die schwarze Wolke daraufhin verschwand.

Ross erklärte uns, dass alle psychoaktiven Drogen, einschließlich Psilocybin, LSD und Peyote, einen Serotoninrezeptor im Gehirn aktivierten. Wissenschaftler verstehen aber bisher noch nicht, was danach passiert und was die psychedelische Wirkung auslöst.

Ross: „Die Bildgebungsverfahren zeigen uns, was passiert und wie die Droge grundlegend das Bewusstsein verändert. Es sieht so aus, als ob Psilocybin Menschen mit ihrem Unterbewusstsein in Verbindung bringt. Normalerweise schränkt unser Gehirn unsere Wahrnehmung ein und zeigt uns ein kleineres Bild von der Welt. Diese Drogen geben den Probanden größeren Zugang zu äußeren Stimuli."

Die  ​Studie ist eine von vielen, die zur Folge haben könnten, dass Psilocybin zukünftig als verschreibungspflichtiges Mittel gegen psychische Erkrankungen eingesetzt wird. Die UCLA und das John Hopkins untersuchen derzeit ebenfalls die Wirkung von Psilocybin auf Krebspatienten mit Depressionen und Angstzuständen. Andere Studien, einschließlich einer Studie der University of Arizona und einer Studie der University of New Mexico, haben die Wirkung von Psilocybin auf Zwangsstörungen (es schwächt die Symptome ab) und Alkoholabhängigkeit (die Studie läuft noch) untersucht.

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Die Droge wird noch zwei Untersuchungsphasen durchlaufen müssen, bevor sie überhaupt von der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde (der  ​Food and Drug Administration) als Arzneimittel zugelassen werden kann, laut Ross könnte das aber schon in drei bis fünf Jahren der Fall sein. „Es gibt aktuell keine Medikamente, mit denen wir Existenzangst oder Todesangst behandeln können. Medikamente gegen Angstzustände helfen da nicht. Psilocybin schon und wir versuchen immer noch herauszufinden, wie genau es den Menschen dabei hilft, mit ihren Ängsten umzugehen."

Dr. med. Francisco Moreno, Dozent für Psychiatrie an der University of Arizona und einer der Wissenschaftler, die an einer Studie zum Einfluss von Psilocybin auf Zwangsstörungen beteiligt sind, sagte VICE News, dass die Ausprägung der Symptome von Zwangsstörungen dank Psilocybin erheblich abnahm und das bei Patienten, denen eine Standardbehandlung nicht hatte helfen können.

Moreno: „Ich denke, dass Psilocybin in einer medizinisch überwachten Umgebung sicher ist. Unsere kleine Pilotstudie deutete im Querschnitt auf die Wirksamkeit einer einzigen Dosis hin. Jedoch wurde es noch nicht in einem echten klinischen Umfeld getestet." Moreno sagte, er glaube nicht daran, dass Psilocybin bald legalisiert werde: „Ich denke nicht, dass es in absehbarer Zeit zugelassen wird, aber ich hoffe, dass es mehr Studien geben wird, die die Wirksamkeit und Sicherheit belegen."


Titelfoto:  ​Janine | ​Wikimedia | ​CC BY 2.0