​Putins Bikerbrüder in Wien
Fotos von Adrian Herk

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​Putins Bikerbrüder in Wien

Die kremlnahe Motorradgruppe Nachtwölfe war am Samstag in Wien. Wir habe uns unter die russophilen Schaulustigen gemischt.

Vielleicht muss man sich die marode Sowjetunion der späten 1980er Jahre ein bisschen wie Endzeitfilme à la Mad Max oder Waterworld vorstellen. Zumindest die Gründungsmitglieder der Nachtwölfe, Russlands größtem und berüchtigtstem Bikerclub, den es seit 1989 gibt, sahen das irgendwie so. Anführer Alexander „der Chirurg" Saldostanow, hat mal erklärt, dass Russland der Welt in Mad Max ein wenig ähnle, die von Zerfall und Bedrohung geprägt ist. „Der Chirurg" wünscht sich jedenfalls ein großes, starkes und geeintes Russland.

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Anders als etwa die legendären amerikanischen Hell's Angels zeichnen sich die Nachtwölfe nicht durch nihilistischen Outlaw-Lebensstil, sondern durch russisch-orthodoxen Glauben und ihren guten Draht zum Kreml aus. Wladimir Putin ist bekanntlich ihr prominentester Freund und Unterstützer und fährt bei ihren Show-Auftritten auch gern mal selbst Seite an Seite mit den Bikern.

Fotos von Adrian Herk

Die Nachtwölfe sind also in erster Linie Nationalisten, die zwar dem Kommunismus skeptisch gegenüberstehen, aber etwa Josef Stalin verehren, weil er das Land „groß" gemacht hat. Und ebenso ist es mit den militärischen Erfolgen der Roten Armee, zu deren Ehren die Bikergang siebzig Jahre nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg nun eine Art Jubliäumsfahrt bis nach Berlin geplant hat, um den gefallenen Soldaten zu gedenken.

In Litauen und Polen machte sich dagegen politischer Widerstand breit und man ließ die Biker offiziell nicht ins Land. Und auch in Deutschland sollen russische Biker am Berliner Flughafen aufgehalten worden sein. Nach Aufenthalten in Tschechien und der Slowakei haben sich die Nachtwölfe am Samstag dann Wien als nächste Zwischenstation ausgewählt.

Stattfinden sollte alles beim Heldendenkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz. Schon am Vormittag hat dort eine kleine russophile Kundgebung anlässlich des Jahrestages der gewalttätigen Ausschreitungen in Odessa stattgefunden. Gewettert wurde dabei vor allem gegen das „Kiewer Terrorregime" und die „Nazibanden" der ukrainischen Armee. Bei einem der Sprecher handelt es sich etwa um den REKOS-Politiker Patrick Poppel. Der Auftritt der Biker und die geplante Kranzniederlegung waren dann irgendwann ab dem späten Nachmittag geplant.

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Ab zirka 17:00 Uhr begannen sich vermehrt Schaulustige und vor allem Sympathisanten zu versammeln. Dabei handelte es sich um eine durchaus bunte Mischung—viele in Wien ansässige Russen, wie auch österreichische Biker, die sich mit den Nachtwölfen solidarisieren. Daneben schwang ein Mann mit Tito-T-Shirt die alte Jugoslawienfahne und der russische Botschafter erschien in Begleitung zweier uniformierter Militärattachets. Während allmählich die Fernsehteams ihre Kameras adjustierten, kommentierte man dies im Facebook-Event mit der Ankunft der „Lügenpresse".

„Eigentlich boykottiere ich ja das ganze amerikanische Zeug", sagte ein Herr in gut ausgefülltem Unterhemd, Kappa Kappe und ziemlich spacigen Crocs, als man sich beim nahegelegenen McDonald's noch mal stärkte, denn er warte schon seit 14:00 Uhr auf die russischen Rocker. Im Gespräch kam er schnell auch auf den Ukrainekonflikt, erzählte von grausamen Videos, die im Internet kursieren, in denen Separatisten gekreuzigt und verbrannt werden. „Die (Anm.: Ukrainische Armee) sind genauso schlimm wie die ISIS", sagte er dazu. Und hinter diesen Grausamkeiten würden im Endeffekt am Ende eh nur die Amerikaner stehen.

Eine Vielzahl der an die 500 Personen am Schwarzenbergplatz hätte dieser Meinung sicher beipflichten können. „Regierung und Volk sind in Österreich wie in der Ukraine zwei unterschiedliche Sachen", sagte ein Besucher und gab dazu gleich ein paar Tipps für „unabhängige Medien" ab. Währenddessen waren andere nicht nur überzeugt, dass die MH17 von den Ukrainern abgeschossen wurde, sondern auch, dass man die Erklärung über den Germanwings-Absturz lieber nicht so glauben sollte.

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Kurz vor 19:00 Uhr war von den Bikern immer noch nichts zu sehen, für Ersatzunterhaltung sorgte dafür die Ankunft eines Militärjeeps mit Sowjetfahne, der sogleich mit dem uniformierten Fahrer ein beliebtes Fotomotiv von japanischen Touristen und Biker-Fans wurde.

Etwa eine Viertelstunde später ertönte dann schließlich Motorenlärm und etwa zwanzig Maschinen bogen, beflaggt mit russischen Fahnen, auf den Platz ein. Eine martialische Rockerkarawane mit Brustpanzer und Bandana, wie man sie von Aufnahmen der Nachtwölfe kennt, war es zwar nicht, der Jubel und Applaus seitens des Publikums war aber trotzdem gesichert, während jemand „Putin Superstar! So einen brauchen wir in Wien auch!" rief.

Auffallend war, dass die Maschinen durchwegs mit slowakischen Kennzeichen versehen waren, es sich bei den „Nachtwölfen" also hauptsächlich um Sympathisanten des Clubs handeln dürfte. Die zwei einzigen „originalen" russischen Nachtwölfe fuhren mit einem Mercedes Kastenwagen mit. Sie waren es auch, die kurz darauf den Kranz zum Denkmal brachten. Flankiert wurden sie dabei vom russischen Botschafter und einem kleinen Jungen in sowjetischer Uniform. Das Publikum schien jedenfalls noch einmal von rührendem Nationalstolz überkommen und stimmte in „Russia! Russia!"-Sprechchöre ein.

Gegendemonstranten gab es keine, alles lief letztlich mehr als harmlos ab. Am brutalsten fiel da noch die Schar der Pressefotografen auf, als es bei der Kranzniederlegung oben am Denkmal ein wenig eng wird.

Da es sich bei den Bikern in Wien zum überwiegenden Teil nicht um die eigentlichen Nachtwölfe aus Russland handelte, sondern um Sympathisanten aus den EU-Staaten, werden wohl auch eine Weiterfahrt und Veranstaltungen in Deutschland schwer zu verhindern sein. Weitaus bedenklicher als die Veranstaltung in Wien an sich, war jedenfalls die Erkenntnis, dass die mediale Diskrepanz zwischen EU und Russland doch massiv ist und sich weiter zu verhärten scheint, während beide Seiten fest davon überzeugt sind, dass die jeweils andere die Gehirngewaschene ist.