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Die EU zerfällt, und die Deutschen sorgen sich um ihren Pauschalurlaub

„Reiseschecks und Bargeld"—Deutsche Medien erklären, wie man die Krise in Griechenland ausnutzen kann.
Foto: imago/Geisser

Screenshot: ZDF

Die Griechenland-Krise hat ihren Höhepunkt erreicht, und der Austritt Griechenlands aus dem Euro scheint auf einmal sehr real. Aber während Politiker und Experten wahlweise fieberhaft nach Lösungen suchen oder ohnmächtig dem kommenden Kollaps der europäischen Idee entgegensehen, hat das deutsche Fernsehen schon längst die wirklich entscheidende Frage gestellt: „Was, wenn die Stimmung der Griechen auf die Erholung schlägt?" Grexit hin oder her, aber ist der wohlverdiente Pauschalurlaub sicher? Werden die Griechen uns mit ihrer Armut den Griechenlandurlaub versauen?

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Nachdem das Auswärtige Amt am Sonntag nämlich für Griechenland-Reisende den Hinweis ausgegeben hatte, „sich vor der Reise mit ausreichend Bargeld zu versorgen", ist man hierzulande zum ersten Mal wirklich beunruhigt. Dass viele Griechen im Moment nicht wissen, ob sie sich nächste Woche noch Lebensmittel kaufen können, weil es dann vielleicht keine Zahlungsmittel in ihrem Land mehr gibt—geschenkt.

Wirklich wichtig: Was wird der Ouzo kosten? Dass der EU-weite Einbruch der Börsenkurse Portugal am härtesten erwischt hat, was ein ziemlich klares Signal ist, dass die Märkte genau verstanden haben, wer der nächste Rauswurfkandidat ist? Nicht so wichtig wie die Frage, wie das mit der Stornogebühr für Pauschalreisen aussieht.

Die deutschen Medien—vom ZDF über den Stern bis zur Rheinischen Post—beeilten sich, diese drängende Fragen zu beantworten. Auf jedem Kanal wird man jetzt lückenlos darüber informiert, wie man möglichst stressfrei die griechische Sonne genießen kann, ohne mit der griechischen Krise irgendwie in Berührung zu kommen.

Die große Erleichterung: „Prinzipiell hätte ein Staatsbankrott oder eine neue Drachme nur geringe Auswirkungen für Touristen" hat zum Beispiel Zeit Online vom Deutschen Reisebüro-Verband erfahren. Auch der Deutsche Reiseverband würde nicht von einer Reise abraten. "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass eine Reise gefährlich oder problematisch werden könnte", erklärte eine Sprecherin der RP.

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Aber ist das nicht irgendwie unangenehm, wenn um einen rum also so super-depri sind, weil ihr Land gerade Bankrott gegangen ist? Nein, versichert der Pressesprecher von Thomas Cook im ZDF: „ „Wir gehen davon aus, dass unsere Gäste in den griechischen Urlaubszielen, selbst für den Fall, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet, kaum oder gar nichts davon spüren werden."

Screenshot von sz.de, mit Link zu echtem Artikel: Griechenland ist am Abgrund, also Bauchbeutel nicht vergessen!

Na dann ist ja gut! Aber wie klappt das denn logistisch? „Die meisten Flüge nach Griechenland und auf die Inseln in der Ägäis werden von deutschen Airlines abgewickelt", weiß man bei Zeit Online. „Insofern sind keine Probleme zu erwarten." Allerdings, es kann schon Engpässe mit dem Benzin geben, da sind sich alle einig. Gottseidank hat die Süddeutsche, investigativ wie immer, sogar einen Reporter losgeschickt, um die Lage im ungewissen Terrain auszukundschaften. Ergebnis: „Am Sonntag ließ sich der Mietwagen am Flughafen Heraklion problemlos volltanken" meldet der Späher. Um dann noch hinzuzufügen: „Ganz normal, ohne Schlangen, zu den in dem Krisenland üblichen hohen Preisen." Na ja, ein bisschen Krise muss man halt aushalten.

Mit einer gesunden Mischung aus genügend Bargeld, Kreditkarten und „ein paar Reiseschecks" sollte man finanziell also eigentlich wunderbar zurechtkommen (anders als die Bewohner natürlich, die sich untereinander möglicherweise bald mit Schuldscheine oder einer ausgedachten Varoufakis-Online-Währung bezahlen müssen). Ein bisschen aufpassen muss man natürlich schon: „Bargeld bedeutet auch ein Diebstahlrisiko—wenig erholsam", erklärt die Sprecherin im ZDF. Glücklicherweise hat der SZ-Mann ein paar gute Tips: „Also, das Geld gut im Gepäck verteilen, den Großteil im Hotelsafe einschließen und nie mehr zeigen, als man in der konkreten Situation gerade benötigt." Man weiß ja nie, zu was so ein verzweifelter Grieche in der Lage ist!

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Grundsätzlich aber kann man sich sicher sein, dass man „bekommt, was man bezahlt hat" (SZ), und dass der „Euro für den Ouzo" (ZDF) auch nach dem Grexit akzeptiert wird. Natürlich könnten ein paar aufgebrachte Chaoten Streiks oder Demonstrationen anzetteln, um gegen die Wahl zwischen Privatverarmung oder Staatsbankrott zu protestieren, vor die ihr Premier sie jetzt stellen will. „Das dürfte eher die großen Städte betreffen und weniger die Urlaubsinseln," beruhigt uns das ZDF.

Und um die Eingangsfrage zu beantworten: Die Stimmung der Griechen wird dem deutschen Urlauber natürlich nicht „auf die Erholung schlagen." Erstens wird alles viel billiger, was ja immer geil ist, und zweitens wird der Grieche sich hüten, seine Stimmung durchscheinen zu lassen. Schließlich erinnert uns Zeit Online: „Die Tourismusbranche ist die wichtigste im Land mit Einnahmen von 13,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr… Insofern müssen die Regierung in Athen, aber auch die EU, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds massives Interesse an einem funktionierenden Tourismussektor haben."

Kühles Bier gegen den Krisenstress—danke, Foutini! Screenshot: ZDF

Der Grieche wird die Zähne also zusammenbeißen. Oder wie es das ZDF ausdrückt: „Nicht ändern aber dürfte sich die Gastfreundschaft der Griechen—sie dürften weiter alles tun, um ihren Urlaubern eine schöne Zeit zu machen." Das ganze untermalt mit Bildern von leicht bekleideten Griechinnen, die total erholten Deutschen am Strand Drinks servieren.

Der Grexit—Im Grunde also großartige Nachrichten für deutsche Urlauber. Die Griechen unterwürfiger, der Ouzo billiger, und man tut auch noch was Gutes für das Land. Da kann man wirklich nicht meckern.