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Rocker schlagen Flüchtling zusammen – und werden im Netz dafür gefeiert

Flüchtlinge sind jetzt offenbar Freiwild.
Foto: imago | Thomas Frey

Der Vorfall an sich ist schön hässlich genug: Wie mehrere Zeitungen berichteten, kam es am Samstag in Deutschland zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe Rocker und einem 40-jährigen Flüchtling aus dem Irak. Zeugen beobachteten, wie der vor einer Gaststätte stehende Mann von mehreren Rockern angegriffen und zu Boden gestoßen wurde, berichtete die Polizei.

Die Tatverdächtigen, allesamt Mitglieder des Fuldaer Chapters des Gremium MC, sollen auf den am Boden Liegenden eingeschlagen und getreten haben und anschließend in ihr Clubhaus geflüchtet sein. Das Opfer trug Prellungen und eine Nasenbeinfraktur davon. Die Polizei verhaftete schließlich sieben Tatverdächtige im Clubhaus, die aber fürs Erste wieder auf freiem Fuß sind.

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Warum genau die Männer den Iraker angegriffen haben sollen, wurde weder im Polizeibericht noch in irgendeinem der Artikel zum Thema erwähnt. Stattdessen betonen alle Berichte, dass noch völlig unklar sei, was den Angriff der Rocker ausgelöst habe. „Es gibt noch keine Erkenntnisse zur Motivation für die Tat", bestätigte ein Sprecher der Fuldaer Staatsanwaltschaft gegenüber VICE. Mittlerweile gäbe es zwar Anhaltspunkte, dass es außer dem Iraker noch zwei weitere Opfer gegeben habe—aber wegen der Sprachbarriere gestalte sich die Ursachenfindung bisher schwierig. Die Tatverdächtigen selber hätten keine Aussage dazu gemacht, warum sie den Mann angegriffen haben.

Außer den Beteiligten weiß es also erstmal niemand, was da los war. Was sogenannte „asylkritische" Facebook-Nutzer aber nicht davon abhält, den Angriff jetzt schon als Heldentat zu feiern. „Das wahr einmal Zeit , endlich mal zuzuschlagen !", lautet ein Kommentar unter dem Post der Facebook-Seite „Multikutli-Watch" zum Thema. „Haut drauf Jungs,…macht ja sonst keiner", schreibt ein anderer, „Der hat es halt verdient", ein Dritter. Und das sind noch die harmloseren Kommentare. Eine kleine Auswahl der nicht so harmlosen:

Nur sehr vereinzelt äußern die User hier irgendeinen Zweifel, dass die Rocker wirklich einen „guten" Grund hatten, den Mann anzugreifen. Was vielleicht auch daran liegt, dass die Seite „Multikulti-Watch" die ganze Geschichte mit den Worten „Was ist da wirklich geschehen? Wir wissen wie die Medien lügen. Welches Mädchen hat das vermeintliche irakische "Opfer" begrapscht, wen beklaut?" eingeleitet hat. Offenbar reicht die vage Vermutung aus, um die Fans der Seite völlig davon zu überzeugen, dass der Flüchtling irgendetwas getan haben muss, um den Angriff zu verdienen.

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Das könnte auch ein Grund sein, dass in den Kommentaren auffallend viele Frauen schreiben, dass sie den Rockern dankbar für den „Schutz" seien, den die Polizei nicht mehr bieten könne:

Die Idee, Rocker zur Hilfe zu rufen, um die einheimischen Frauen vor den vermeintlich enthemmten Asylbewerbern zu schützen, geistert seit der Kölner Silvesternacht immer wieder durch bestimmte Teile der rechten Szene, wird aber auch anderswo aufgegriffen. So fühlte sich ein anderer Rocker des Gremium MC (diesmal aus Tübingen) vor Kurzem erst berufen, mit einem pathetischen Statement auf die Stimmung zu reagieren:

„Wie alle auf einmal nach Hilfe von uns rufen, Beiträge liken und teilen. Jetzt sollen wir helfen und beschützen?! Gestern noch wurde auf uns herabgeschaut … Wenn wir heute sagen "Wir helfen", dann werden wir auch zu unserem Wort stehen, denn wir können nicht nur "Ehre, Respekt und Loyalität" schreiben, wir kennen die Bedeutung und leben auch danach!!!"

Warum auch immer seine „Brüder" aus Fulda jetzt den Asylbewerber angegriffen haben—die Multikulti-Gegner auf Facebook sind offenbar überzeugt, dass es grundsätzlich nur gute Gründe geben kann, Asylbewerber anzugreifen. Natürlich wimmelte es speziell auf dieser Facebook-Seite schon vor der Kölner Silvesternacht nur so von Fremdenfeinden und Rassisten. Aber spätestens seitdem scheint zu gelten: Alle Flüchtlinge sind jetzt Freiwild.