FYI.

This story is over 5 years old.

Campus, Sex und Ravioli

Scheiß auf beschissene Mitbewohner

Wenn deine Mitbewohnerin sich die Batterien aus deiner Xbox für ihren Vibrator klaut, sollte dir langsam klar werden: Das Leben ist zu kurz, um sich mit Wichsern rumzuärgern.

Unser Zuhause sollte unser Rückzugsort sein. Es sollte ein Ort sein, an dem wir uns kurz erholen können, bevor wir wieder in die grelle Außenwelt mit ihren faden Unterhaltungen, überteuerten Kaffees und dem ewigen Wettbewerb um den besten Job zurück müssen. Auf keinen Fall sollte unser Zuhause das Leben noch nerviger und komplizierter machen.

Für die, die es sich nicht leisten können, alleine zu leben, passiert aber genau das. Wir leben mit Mitbewohnern, die unser Leben unendlich viel komplizierter machen: mit ihren Ansprüchen, ihrer Angewohnheit, alle unsere Pfannen für Toast mit Ei zu versauen, und indem sie darauf bestehen, die Heizungen aufzudrehen und die Fenster offen zu lassen—also einfach Geld aus dem Fenster zu werfen.

Anzeige

Für Beispiele solcher und schlimmerer Verbrechen gibt es ihatemyroomate.net. Hier lässt alle paar Stunden ein neuer anonymer Poster seinen Frust über die Ungerechtigkeit seiner Situation aus. Ein Beispiel: „Sie bringt irgendwelche hässlichen Typen mit und fickt dann sehr laut mit denen. Und sie hat die Batterien aus meinem X-Box-Controller für ihren Vibrator geklaut, bei Gott, ich werde das krankheitsverseuchte Ding nicht anfassen, um sie zurückzuholen."

Die Website ist gleichzeitig unterhaltsam und deprimierend: die schiere Masse von Einträgen scheint den krassen Egoismus der Menschheit zu beweisen. Wir lernen: Menschen sind Wichser. Warum wollen wir trotzdem mit ihnen zusammenleben?

Alleine schon durch die unleistbaren Mieten werden WGs erst einmal nicht aussterben. Von den ganzen Praktikanten, Slackern, Geringverdienern, Sparfüchsen etc. mal abgesehen.

Was genau macht einen schlechten Mitbewohner aus? Hier sind die Todsünden, die ich aus ihatemyroommate.net, psychologischen Statistiken und leider auch meinen eigenen, bitteren Erfahrungen zusammengetragen habe.

EGOISMUS

Egoismus ist ein Symptom einer narzisstischen Persönlichkeit, die mittlerweile 30 Prozent der jungen Menschen haben—und die leben am öftesten in Wohngemeinschaften. Aus irgendeinem Grund hat sich dieser Anteil in den letzten 30 Jahren verdoppelt, während das Empathievermögen gleichzeitig um 40 Prozent abgenommen hat. Offensichtlich wird diese Wandlung katastrophale Folgen für die Gesellschaft haben, und wie an allem, woran die Gesellschaft krankt, sind daran die Eltern schuld. Aber ihr müsst euch damit herumschlagen. Weil sie nicht mit ihren Fehlern umgehen oder daraus lernen können, ist es einfach Folter, mit Egoisten zusammenzuleben.

Vor Jahren lebte ich als Anfang-Zwanzigjähriger mit einem gerade Dreißigjährigen zusammen, der die klassischen Symptome eines Egoisten aufwies. Ich war ihm so egal, dass ich mich eigentlich kaum mit ihm unterhalten konnte. Wenn wir uns unterhielten, wechselte er oft mitten im Satz das Thema, oder er hörte ganz auf zu reden und dachte lange über irgendetwas nach—etwas, das wohl wichtiger als unsere Unterhaltung sein musste.

Anzeige

Zuerst machte mich das wütend, aber mit der Zeit erwartete ich einfach weniger von ihm. Nur sein Hang zu Krach machte es mir schwer. Jeden Morgen knallte er sämtliche Türen und galoppierte dann die Treppe runter wie ein Rennpferd auf Koks. Nachts saß er im Wohnzimmer und hörte laut Musik auf seinem Laptop. Dabei skypte er mit Menschen auf der ganzen Welt und rief „WIEVIEL UHR IST ES BEI EUCH? HIER IST ES FAST MITTERNACHT", immer und immer wieder.

Am elendsten machte mich, dass ich so wenig unternahm. Egoisten kann man nicht heilen. Anstatt ihn immer wieder zu bitten, leise zu sein, hätte ich einfach ausziehen sollen. Ich wollte immer noch irgendwo wohnen, wo ich glücklich sein könnte, aber irgendwie war es einfacher, mich in meinem Leid zu suhlen, als irgendwas zu unternehmen. Zum Trost las ich die Horrorgeschichten auf ihatemyroommate.net: über Drogenabhängige, Trinker, Leute, die Geld stehlen, und andere, die Nutten bestellen. Aber der Krach und Schmutz, den mein Mitbewohner ständig machte, versaute mir mein Zuhause.

SCHMUTZ

Auf der Website schreibt eine Frau: „Die dicke Hipster-Frau hat Menstruationsblut auf dem ganzen Klo verteilt. Sie hat Kacke auf dem Klositz liegen lassen. Das ist doch einfach nur lächerlich." Ein anderer schreibt: „Er lässt seine Schamhaare überall im Bad herumfliegen und macht ihn nur einmal alle drei Monate sauber. Ich muss Flip-Flops tragen, wenn ich mein Bad benutzen will, und trotzdem schleppe ich immer ein bisschen mit mir in mein Zimmer, wo es an meinen Socken hängenbleibt und unausweichlich in meinem Bett landet."

Aber warum sind Menschen schmutzig? Aus zwei Gründen: weil sie es (genau wie den Egoismus) in der Kindheit so gelernt haben. Oder weil es ein Symptom von Ängsten oder einer Depression sein kann. Sie wissen, dass sie saubermachen sollten, aber ihnen fehlt der Wille und/oder die Energie dazu. Es ist verlockend, so jemanden einfach als Wichser abzutun, aber man muss sich bewusst machen, dass schmutzige Unterwäsche in der Küche genauso ein Nebeneffekt einer ernsthaften Geisteskrankheit sein kann.

Anzeige

SCHLECHTE STIMMUNG

Trotz solcher Gedanken hatte ich auch gute Tage. Ein Lied von Bruce Springsteen an einem sonnigen Tag—oder zumindest ein Lied von Bruce Springsteen über einen sonnigen Tag—gab mir Auftrieb, und ich ging beschwingt nach Hause. Dann trat ich durch die Tür und sah sein mürrisches Gesicht. Es war irgendwie überraschend, wie sehr sich seine Einstellung seit den ersten Wochen geändert hatte. Genauso überraschend war, wie viel glücklicher er schien, wenn er mit anderen Leuten abhing. Auf Skype, mit seinen oder sogar mit meinen Freunden. War ich der Grund für seine schlechte Laune, oder gab er sich einfach keine Mühe, sie vor mir zu verbergen?

Falls er deprimiert war, tat er mir leid, aber viel mehr konnte ich nicht tun, denn immer wenn ich ihn fragte, ob alles in Ordnung sei, sagte er ja und wurde still. Ich vermied es, nach Hause zu gehen, hing in Bars herum und wartete, bis er von der Arbeit zurückgekommen war und sich etwas beruhigt hatte. Da zu sein, wenn er gerade ankam, war ein Albtraum. Sein Krach und seine Laune schnitten durch den Frieden im Haus wie ein Samurai-Schwert durch Butter.

HATTE MEIN MITBEWOHNER RECHT, WENN ER MICH FÜR EINEN NAZI HIELT?

Egal wie sehr ich es versuchte, ich wurde dort nicht glücklich. Ich konnte nicht wie er in einem Vakuum leben, ich fühlte mich dem Haus verbunden wie meinem eigenen Körper—wie ich das bei allen Orten fühle, an denen ich lebe. Also zog ich aus, als es sich ergab. Der Grund, warum ich das hier nach all den Jahren schreibe, ist einfach: Ich befinde mich schon wieder in einer ähnlichen Situation. Ich schreibe das hier, um mich zu erinnern, wie lange ich unnötig leiden kann, bevor ich etwas unternehme. Und dass das Leben einfach zu kurz dafür ist.

Anzeige

Ist das nicht ein Happy End? Weil ich diese beschissenen Situationen erlebt habe, kann ich darüber schreiben, das hier verkaufen und es mir vielleicht eines Tages leisten, alleine zu leben. Das alles ist mir schon an ein paar anderen Orten passiert: Ärger über Krach und Schmutz. Hatte mein Mitbewohner Recht, wenn er mich (wahrscheinlich) für einen Nazi hielt? Ging mein Hass gegen ihn weit übers normale Maß hinaus, weil er sich meinem Willen nicht beugen wollte? Und hatten all die anderen Mitbewohner, mit denen ich mich über die Jahre angelegt habe, Recht, wenn sie dachten, ich sei der Wichser und nicht sie?

Keine Ahnung, echt. Auch heute kann ich nur mit Sicherheit sagen, wenn mein Mitbewohner das hier schreiben würde, würde er wahrscheinlich „Kontrollfreak" als Todsünde auflisten.

Gehört Elend also unausweichlich zur Wohngemeinschaft dazu? Mir fallen nur zwei Ausnahmen zu diesem eisernen Gesetz ein:

MIT DEM FREUND ODER DER FREUNDIN LEBEN

In jeder Beziehung muss man zusammen vorwärts kommen. Deshalb kann man schneller und mit weniger Groll Kompromisse eingehen. Selbst wenn wir Egoisten sind, ist uns die Beziehung wichtiger als bei einem Mitbewohner—weil es mehr Vorteile bringt, Konflikte zu lösen. Mitbewohner geben einem meistens keinen Oralsex.

MIT REGELN LEBEN

Gesetzte Regeln, die uns zu Kompromissen zwingen. Das gibt es in Kommunen und Kibbutzen, wo die Leute ganz zufrieden zu leben scheinen. Aber wenn es keine Autorität gibt, die die Regeln durchsetzen kann, wer garantiert, dass sie nicht gebrochen werden?

Ansonsten, keine Ahnung. Vielleicht finden wir durch Glück einen guten Mitbewohner. Natürlich gibt es die, aber schau dich mal um. Schau dir die Leute im Bus, deine Kollegen, die Leute beim Fortgehen an. Dann schau in den Spiegel.

Wenn das knochige Becken von Miley das meistgesuchte Ding im Internet ist, können wir kaum so tun, als hätte mehr als eine winzige Minderheit von uns genug Gehirnkapazität, um friedlich zusammenzuleben. Wir sind zu Kummer genauso verdammt wie zu Katern, schlechter Ernährung, einem unerfüllten Leben und einem wimmernden Tod.

„Ich hasse meinen Mitbewohner, weil er völlig besoffen um 2.30 nach Hause kam und versuchte, seine Plastikpistole zu pimpen. Er hat mich geweckt, um mich nach einem Schraubenzieher zu fragen. Dummes, wertloses, lebensverschwendes Stück Scheiße."

Es gibt gutes und friedliches Zusammenleben. Aber anders als Mileys Becken habe ich das noch nie gesehen.