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Fotos

Die Schlafzimmer toter Kinder

Wenn Miranda Hutton die Zimmer toter Kinder fotografiert, ist das nicht so gruselig, wie es sich anhört.

Vor drei Jahren verstorben (Foto von 2010)

Miranda Huttons Rooms Project ist eine Fotostrecke, für die sie die Zimmer von toten Kindern fotografiert hat. Das ist unserer Meinung nach harter Tobak, also haben wir sie angerufen, um herauszufinden, wie sie damit umgeht, diese ergreifenden „Porträts“ zu machen.

VICE: Hi Miranda! Wie bist du auf das Rooms Project gekommen?

Miranda Hutton: Vor langer Zeit, als ich 17 war, starb eine Freundin von mir an Krebs. Ihre Eltern hatten es immer sehr gerne, wenn wir, auch nach ihrem Tod zu ihnen nach Hause kamen und in ihr Zimmer gingen. Dieses Zimmer hatte in unserem Leben einen besondere Bedeutung—wir waren da ziemlich oft. Später starb dann meine Mutter. Durch den Verlust geliebter Menschen habe ich angefangen, mich mit der Bedeutung, die Orte und Objekte bekommen, sobald die Menschen weg sind, zu beschäftigen.

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Das ist eine rationale Art, einen Verlust zu verarbeiten. Hast du direkt nach dem Tod deiner Freundin angefangen, Bilder von dem Zimmer zu machen?

Nein, sie ist vor fast 20 Jahren gestorben, aber ich habe erst 2003, 2004 angefangen, Fotos zu machen.

Hat sich das Zimmer über die Jahre nicht ziemlich verändert?

Eigentlich kaum. Kurz bevor sie ins Krankenhaus gekommen und dort gestorben ist, hat sie ihr komplettes Zimmer um- und alles aufgeräumt—es war immer ein totales Durcheinander—also dachte ihre Mutter, dass sie ihr Zimmer so zurücklassen wollte. Sie haben es jahrelang nicht abgestaubt. Es liegt so viel Staub, dass man was hochheben kann, und der Staub drum herum sagt dir, wo es vorher stand.

Ugh.

Ich weiß. Ich glaube, dass sich die Dinge in diesem Zimmer nicht veränderten, bevor ich damit begann es zu fotografieren. Meine Fotografie hat etwas ausgelöst, was die Leute dazu brachte, von ihren Erinnerungen zu erzählen, die sich in dem Zimmer abgespielt haben. Der Raum ändert sich sehr langsam, aber er wird stufenweise als Gästezimmer für die Enkelkinder verwendet.

Also glaubst du, dass dein Projekt den Eltern deiner Freundin hilft, darüber hinwegzukommen?

Nein, ich glaube ich kann da nicht helfen, aber es gibt etwas universelles in der Art, in der sich Menschen an etwas Vergangenem festhalten. Von den ersten Phasen der Trauer, bis sie langsam beginnen loszulassen. Meine Fotos zeigen diese Momente in einem sehr langen Trauerprozess. Aber ich glaube, dass es den Eltern hilft, wenn sie ihre Geschichte erzählen.

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Vor acht Jahren verstorben (Foto von 2004)

Sicher hast du Bilder von den Zimmern in ihren einzelnen Phasen gemacht.

Ich habe viel Zeit damit zugebracht, es zu fotografieren. Ich dachte sogar daran, einige Phasen in der Entwicklung zu fotografieren. Zu zeigen wie es mit der Zeit langsam dunkler wird und schließlich wieder hell. Einfach um zu zeigen, wie unbenutzt oder benutzt und verstaubt es es ist.

Die Fotos sind mit einem Weitwinkelobjektiv bei natürlichem Licht aufgenommen worden, dass aus den Fenstern kam.

Ja, zuerst hab ich Großaufnahmen von dem Zimmer meiner Freundin gemacht, aber als ich ein paar Schritte zurückging und von der Tür aus fotografierte, empfand ich es als weniger erdrückend. So hab ich bereits einen Blickwinkel für die nachfolgenden Bilder bekommen. Mit Weitwinkel auf Mittelformatkameras und ohne Blitz.

Ich nehme an, dass es etwas peinlich sein muss, Eltern zu fragen, ob du in die Zimmer ihrer toten Kinder kannst. Wie hast du das geschafft?

Meistens durch Mund-zu-Mund Propaganda. Hinterbliebene Eltern gründen oft Selbsthilfegruppen und das war es auch, was die Eltern meiner Freundin taten. Ich war bei einem dieser Gruppen-Treffen, als drei weitere Eltern mich fragten, ob sie ein Teil dieses Projekts werden könnten. Also schrieb ich über mein Vorhaben auf einigen Websites für Hinterbliebene, wodurch sich mir einige Türen öffneten, aber das meiste war dann einfach doch Mund zu Mund Propaganda.

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Haben die Kinder etwas gemeinsam, vielleicht das Alter oder die Todesursache?

Nicht wirklich. Es gibt eine ganze Reihe verschiedenster Todesumstände. Autounfälle, Krankheiten und das in allen Altersgruppen. Das hellblaue Zimmer gehörte einem der etwas älteren Kinder. Du kannst es daran erkennen, dass es sehr aufgeräumt ist und sich abgesehen von den Bildern an der Wand nichts kindliches darin befindet.

Vor elf Jahren verstorben (Foto von 2005)

Sie sehen ein bisschen aus wie Vintage–Porträts, die auch über dem Kamin in alten Häusern hängen könnten.

Ich fürchte, ganz so ist es nicht. Das sind einfach nur Porträts von einer Band, auf die das Kind ziemlich stand. Ich erinnere mich nicht an den Namen, aber sie muss sie wohl aus einer Zeitschrift ausgeschnitten haben und sie sind unterschrieben. Sie müssen ihr viel bedeutet haben, wenn sie über ihrem Bett hängen.

Gibt es ein Zimmer, mit dem du dich besonders verbunden fühlst?

Für mich erzählen sie alle eine einzigartige Geschichte. Ich knüpfe enge Beziehungen zu den Eltern, die ich treffe. Wie du dir vorstellen kannst, ist es nicht die Art Fotografie, bei der ich einfach kommen kann, ein paar Schnappschüsse mache und dann wieder gehe. Ich habe viel Zeit damit verbracht, ihnen nahezubringen, worum es geht. Warum ich es tue und was ich mir von dem Projekt erhoffe. Und dann erzählen sie mir ihre Geschichten über das Zimmer und ihren Verlust. Jedes Zimmer spiegelt andere Umstände wieder. Ich könnte keins aussuchen, das mir mehr bedeutet, als das andere.

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Was ist die interessanteste Sache, die du beobachten konntest, während du an deinem Projekt gearbeitet hast?

Eine Sache ist, dass viele von den Zimmern als Zwischenlager für Koffer enden, was ziemlich symbolisch für das „darüber hinweg kommen“ ist. Dann ist da noch das violette Zimmer, das ich vor vier Jahren fotografiert habe und bei dem man fühlte, dass sich noch nichts getan hat. Man spürte aber, dass es den Eltern noch immer sehr weh tat—es war so rein. Aber es gibt auch Zimmer, in denen du fast sehen kannst, wie die Dinge sich weiterentwickeln. So wie der orangene Raum, den die Mutter als Atelier benutzt.

Eine andere interessante Sache ist, dass selbst wenn sich die Zimmer ändern, die Einrichtung immer dieselbe bleibt und es immer „sein oder ihr Zimmer“ sein wird. Susans Zimmer, oder Alisons Zimmer. Was auch immer. Ich hab nicht das Recht zu sagen, ob das gut oder schlecht für den Trauerprozess ist, oder was die Leute tun sollen. Ich finde jedoch, dass das ein sehr einzigartiger Prozess ist.

Vor vier Jahren verstorben (2005)

Vor 3 Jahren verstorben (2005)

Bist du aufgrund der Intimität deines Themas kritisiert worden?

Ja, ziemlich oft verstehen es die Leute einfach nicht. Ich weiß, es ist ein sehr schmerzhaftes Thema, aber auch aus diesem Grund mache ich das, da Eltern nicht nur um ihren Verlust trauern, sondern auch unter einer Art von Isolation leiden, die daher kommt, dass die Leute nicht wissen, wie sie die Tragödie überhaupt verarbeiten können und sollen. Manche Eltern sagten mir, dass andere Menschen wirklich die Straßenseite wechseln und sie meiden. Aber Verlust ist keine einzigartige Erfahrung – es ist etwas, was wir alle an einem Punkt in unserem Leben durchmachen müssen.