Schwangerschaft als palästinensischer Widerstand

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The Up Close and Personal Issue

Schwangerschaft als palästinensischer Widerstand

Palästinensische "Sicherheitshäftlinge" schmuggeln ihr Sperma aus israelischen Gefängnissen, um trotz langer Haftstrafen Kinder zu bekommen.

Hana El Zanen, 27, ist die Mutter des einjährigen Hassan, der mithilfe von IVF zur Welt kam. Ihr Mann Tamer, 29, hat sechsmal lebenslänglich bekommen. Er wurde in diesem Zimmer verhaftet. Gaza, Palästina

Aus der The Up Close and Personal Issue

Zwischen 6.000 und 7.000 Palästinenser sitzen als "Sicherheitshäftlinge" in israelischen Gefängnissen. Israel inhaftiert sie, wenn sie wegen mutmaßlicher oder verurteilter Vergehen als Bedrohung oder potenzielle Bedrohung der nationalen Sicherheit eingestuft werden. Diese Häftlinge können ihre engsten Angehörigen nur alle zwei Wochen 45 Minuten lang sehen und erhalten keinen Ehebesuch. Mit Partnerinnen und anderen Erwachsenen dürfen sie zwar keinen Körperkontakt haben, doch am Ende jedes Besuchs dürfen sie zehn Minuten lang mit ihren Kindern spielen. Während dieser kurzen Besuche haben manche der Männer ihren Frauen Sperma zukommen lassen, damit sie durch die künstliche Befruchtungsmethode der In-vitro-Fertilisation schwanger werden können.

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Bis April 2013 hatten religiöse Autoritäten in Palästina noch keine Position zur In-vitro-Fertilisation eingenommen. Inzwischen ist die Prozedur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Ein religiöser Erlass des obersten Fatwa-Rats Palästinas hat im April 2013 die Einschränkungen geklärt: Der Mann muss eine lange Haftstrafe haben, die Ehe muss vor der Inhaftierung vollzogen worden sein, und es darf keinen anderen Weg zur Schwangerschaft geben. Das Ehepaar muss auch Formulare ausfüllen und mehrere Zeugen vorbringen, die bestätigen können, dass die Probe vom Ehemann stammt. Seither finden jene, die auf diese Weise Kinder bekommen, mehr Akzeptanz.

Inzwischen bieten Fruchtbarkeitskliniken in den besetzten Gebieten immer häufiger kostenfreie IVF-Behandlungen für die Frauen Inhaftierter an. Die Kliniken Razan in Nablus und Basma in Gaza haben zahlreiche Spermaproben eingefroren, die aus Gefängnissen geschmuggelt wurden. In den vergangenen vier Jahren sind Schätzungen zufolge 40 Babys auf diese Weise entstanden.

Lydia Rimawi sagte mir, sie und die anderen Frauen in dem Programm würden daran glauben, dass die Häftlinge eines Tages freikommen, und dann, so finden die Frauen, sollte eine Familie auf sie warten. Auch beschrieb sie die kulturell bedingte Überzeugung, eine Frau könne den Alltag nicht alleine bewältigen, als einen Faktor, der Frauen zu diesen Schwangerschaften bewege. Lydia ist der Meinung, schwanger zu werden, während ihr Mann im Gefängnis sitzt, helfe bei der Fortführung des palästinensischen Widerstands.

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Mithilfe von IVF geborene Zwillinge im Hauptkrankenhaus von Gaza-Stadt. Zwillinge kommen bei IVF-Schwangerschaften überdurchschnittlich häufig vor. Gaza, Palästina

Häftlinge füllen das Sperma in Röhrchen oder Kugelschreiber, die sie in Snacks verstecken. Eine der Methoden, um das Sperma aus dem Gefängnis zu schmuggeln, ist es, während der zehnminütigen Spielzeit die Snacks den Kindern zuzustecken. Bethlehem, Palästina

In der IVF-Klinik des Razan Medical Center, der bekanntesten Einrichtung für Fruchtbarkeitsbehandlungen in Palästina, bereitet ein Techniker das Einfrieren einer Spermaprobe vor. Nablus, Palästina

Lydia Rimawi mit ihrem zweijährigen Sohn Majd, der durch IVF zur Welt kam. Rimawis Dorf liegt zwischen Ramallah und Nablus. Um ihren Mann zu besuchen, steht sie um 5 Uhr auf, nimmt ein Taxi zur Hauptstraße, fährt per Bus nach Ramallah und steigt dort in einen zweiten Bus, der vom Roten Kreuz und der Organisation Palestinian Prisoners Club bereitgestellt wird. Dieser bringt sie zur israelischen Grenze, welche sie zu Fuß überquert. Von der Grenze aus bringt ein dritter Bus sie ins Gefängnis. Rimawis Mann wurde 2001 zu 25 Jahren Haft verurteilt. Rima, Palästina

Spuren eines Lebens in der Schwebe im Haus von Iman Barghuti, deren Mann lebenslänglich bekommen hat. Sie hält das Haus und seine Sachen bereit, als könne er jeden Moment zurückkehren. Ramallah, Palästina

Fateh, 54, ist Großmutter von Zwillingen, die durch künstliche Befruchtung zur Welt gekommen sind. Betlehem, Palästina

Ein Porträt von Atta Abdelgami, 45, der zu drei mal lebenslänglich verurteilt wurde. Er ist verheiratet mit Rula Ali Ahmed Abdelgarni, 32. Das Paar hat zwei Kinder mit Hilfe künstlicher Befruchtung bekommen. Tulkarm, Palästina

Eine Frau besucht ihren Mann im Ofer-Gefängnis, welches Ramallah am nächsten liegt und viele palästinensische Häftlinge hat. Westbank, Palästina