FYI.

This story is over 5 years old.

The Hopelessness Issue

Sesamstraßenfolter

In Guantanamo Bay wurden vermeintliche Terroristen mit Musik gefoltert. Und die Musik aus der Sesamstraße war dabei das liebste Folterinstrument der Peiniger.

Photocredit: Foto von Picture Alliance

„Jeder, der mehr als dreimal Rolf Zuckowski gehört hat, weiß, dass Kinderlieder tierisch auf den Sack gehen können“, sagt der deutsche Dokumentarfilmer Tristan Chytroschek, der mit seinem Film Musik als Waffe im November den International Emmy gewann. Gut, natürlich nervt die Dudelei, aber als Folter würde das keiner von uns ansehen. Doch genau das geschah in Guantanamo Bay: Dort wurden vermeintliche Terroristen mit Musik gefoltert. Und die Musik aus der Sesamstraße war dabei das liebste Folterinstrument der Peiniger. Die medizinische Abteilung der CIA gab genaue Vorgaben, wie lange man Häftlinge mit Musik oder Lärm foltern darf. Bei einer Lautstärke von 82 dB kann man problemlos 24 Stunden akustisch draufhalten, bei 100 Dezibel sollten allerdings zwei Stunden reichen. 100 dB sind übrigens so laut wie ein Presslufthammer direkt an deinem Ohr. Eine beliebte Foltermethode bei Gefangenen war das „Frequent Flyer Program“. Dabei wurden die Insassen nachts geweckt und immer wieder in verschiedene Zellen verfrachtet, um sie einer konstanten Angstsituation auszusetzen. Oft wurden sie dabei in einen kahlen Raum gebracht, nackt ausgezogen und in einer kauernden Position gefesselt. Dieser Raum nannte sich „The Disco“ und die Soldaten waren die DJs. Sie spielten mit Vorliebe Lieder aus der Sesamstraße. Natürlich verzehrt und übersteuert, um die Geräusche so unerträglich wie möglich klingen zu lassen. Die Gefangenen sollten mit Liedern über das Alphabet und das Einmaleins verhöhnt werden. Musik, die westliche Werte repräsentiert, würde den vermeintlichen Terroristen eine Lektion in Sachen Überlegenheit der amerikanischen Kultur erteilen, so die Denke der Soldaten. Außerdem waren Hardrock, Metal und Punk bei den Peinigern besonders beliebte Genres, weil sie angsteinflößend klingen und die meist arabischen Häftlinge diese aggressive Musik nicht kannten. Ein Klassiker in der „Disco“ war „Bodies“ von Drowning Pool, der oft bei Wrestling-Shows als Einlaufmusik für Hulk Hogan dient. Mit seinem einpeitschenden Refrain „Let the bodies hit the floor!“ galt der Song im Irakkrieg als so etwas wie die Tötungshymne. Musik erweist sich im Gegensatz zu lauten Geräuschen als besonders effektive Foltermethode, da der Gefangene sie nicht auszublenden vermag. Tristan Chytroschek erklärt, „Musik hat Melodie
und Rhythmus und unser Gehirn ist darauf programmiert, diese Laute wahrzunehmen.“ Bei körperlicher Folter könne man in seine Vorstellungskraft flüchten, Musik aber zwängt sich in das Gehirn, immer.  Ein Verhörter in Guantanamo wurde mit „Enter Sandman“ zum Weinen gebracht. James Hetfields nette Reaktion: „Ein Teil von mir ist stolz, dass Metallica ausgesucht wurde. Er dachte, er hört Satan.“