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Sex

Sex Guides aus Frauenzeitschriften machen uns zu verklemmten Idioten

Nur weil Frauenzeitschriften über Sex schreiben, sind sie noch lange keine Vorreiterinnen einer neuen sexuellen Offenheit.

Foto von: Please via photopin (license)

Jede Frauenzeitschrift der Welt tischt uns permanent Buzzfeed-eske Listen mit Sex-Dos-and-Don'ts für Männer und Frauen auf, die sie für allgemeingültig erklären und mit denen sie uns die Welt und am liebsten unsere eigenen sexuellen Vorlieben erklären wollen. Mein persönlicher Höhepunkt dieser Listen war ein Artikel, den mir mein Facebook-Algorithmus als gesponserten Post in meinen Newsfeed gespült hat und der sich damit beschäftigt, welche Dinge beim Sex „eklig" sind. Um ein paar der Punkte zu nennen: Sperma, Schweiß, Würgereflex. Ihr wisst, welche Art von Listen ich meine.

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Diese Abhandlungen über Sex erfolgen immer nach demselben Schema und drehen sich immer um dieselben altertümlichen Ansichten: Frauen haben stets gepflegt und bis zu einem gewissen Grad selbstbestimmt zu sein—aber bloß nicht zu viel Selbstbestimmtheit, denn das schüchtert Männer ein. Außerdem darf eine Frau bloß keine Muschifürze loslassen (Info: man lässt sie nicht los, sie passieren!), denn schließlich ist Luft, die aus Körperöffnungen kommt, unsexy. Und emanzipierte Frauen dürfen nur auf völlig gleichberechtigten Sex stehen, denn alles andere bedient doch bloß die dreckigen Fantasien der Männer, die zu viele Pornos schauen. Und fragt bloß nicht, ob ihr auf die Brüste eurer Freundin kommen dürft, denn das ist schließlich entwürdigend und animalisch. Duh!

Abgesehen davon, dass ich mich frage, wer für solche Artikel verantwortlich sein kann (Eine 40-jährige Jungfrau? Eine Nonne, die gerne Groschenromane liest? Der Vater von Britney Spears, der wirklich dachte, seine Tochter würde keinen Sex vor der Ehe haben?), ist das eigentlich Schlimme an diesen Listen, dass sie wie selbstverständlich Allgemeingültigkeit pachten und vermitteln. Der persönliche Zugang, der bei Texten über Sex zwingend notwendig ist, wird völlig außer Acht gelassen und so agieren die meisten Sex-Kolumnistinnen nach der „Was für mich nicht geil ist, darf für niemanden geil sein"-Logik. Und ja, wenn ich euch erzähle, was die Tinder-Todsünden für Männer sind, heißt das zwar, dass der Windelfetischist, den ich auf Tinder gesehen habe, wahrscheinlich niemals der Vater meiner Kinder sein wird, aber wiederum nicht, dass niemand von euch auf ihn stehen darf, nur weil ich es nicht tue. Was für mich eine Todsünde ist, kann für jede Windelliebhaberin unter euch ein wahrgewordener Traum sein und das ist auch gut so.

Ich habe es satt, mir von Frauenzeitschriften die Ansichten ihrer verklemmten Autorinnen aufdrücken zu lassen. Denn nur, weil sie es ekelhaft finden, wenn ihnen jemand einen Finger in ihren Po steckt, in dem offensichtlich schon ein Stock seinen Platz gefunden hat, heißt das nicht, dass alles, was von dieser Einstellung oder der Vorliebe einer einzelnen Person abweicht, abartig oder abnormal ist. Genauso, wie es jedem zustehen sollte, sich die Arme fesseln und sich einfach mal ohne Vorspiel durchbumsen lassen zu wollen, ohne gleich in die Opferrolle zu schlüpfen, ist es völlig OK, auf Kuschelsex zu stehen. Denn nichts davon ist weniger emanzipiert, als das andere—genauso wenig, wie sich diese beiden Extreme gegenseitig ausschließen.

Das Einzige, das wirklich nicht emanzipiert ist, ist die Behauptung, dass alle Frauen und Männer im Bett auf dieselben Dinge stehen—oder sogar stehen müssen. Der Typ, der dich an dem einen Tag aus dem Nichts auf den Bauch dreht und kurz und schnell vögelt, kann der gleiche Typ sein, der dich am nächsten Tag liebend gern stundenlang verwöhnt und dir alle deine anderen Wünsche erfüllt—egal, welche Wünsche das auch sein mögen. Und genauso kann das Mädchen, das von dir auf den Bauch gedreht wurde (und der genau das übrigens gefallen hat), auf Blümchensex stehen, bei dem sie komplett die Kontrolle behält, wenn ihr danach ist.

Sex ist ein Thema, wie es wohl persönlicher und individueller nicht sein könnte. Ein solches Thema zu pauschalisieren ist sogar für Frauenzeitschriften—also Medien, die seit jeher versuchen, für emanzipierte Frauen zu stehen, während sie Werbung für fettverdrängende Miederhosen machen und ihre Covermodels zur Unkenntlichkeit retuschieren—ein ziemlicher Rückschritt. Ihr seid nämlich noch lange keine Vorreiterinnen einer neuen sexuellen Offenheit, nur weil ihr Sexratgeber schreibt und das Wort Sperma (im Gegensatz zur Flüssigkeit selbst) in den Mund nehmt.

Verena auf Twitter: @verenabgnr