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Popkultur

,Sin City 2‘ ist das filmische Äquivalent zu einer Sexpuppe

Flache Story, ausgelutschte Effekte—warum „A Dame to Kill For“ trotz Eva Greens Brüsten auf ganzer Linie enttäuscht.

Screenshot: Youtube

Sin City 2 beginnt genau so, wie man es erwartet: Mit Tod, Gewalt, rauen Männerstimmen und Zigaretten. Marv, Mickey Rourkes ebenso brutaler wie liebenswerter Charakter, steht inmitten von toten Jugendlichen. Im ersten Teil mordete er vor allem, um den Tod seiner Lieblingsprostituierten Goldie aufzuklären. Er kann sich nicht erinnern, was er getan hat, sagt er, um anschließend detailliert das vorhergehende Massaker zu beschreiben. In Robert Rodriguez’ und Frank Millers Masturbationsvorlage für alle Greenscreen-Jünger gibt es viele Dinge, die des Plots wegen passieren, abseits dessen aber wenig Sinn ergeben. Allerdings ist das nicht einmal die größte Enttäuschung an dem Streifen.

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Mit A Dame to Kill For stützt sich die Fortsetzung auf verschiedene, zum Teil überlappende Episoden, die teilweise vor, nach oder womöglich sogar parallel zur Story des Vorgängers angesiedelt sind. Die prominenteste Geschichte ist dabei die der Tänzerin Nancy (Jessica Alba), die im ersten Teil vom letzten ehrenhaften Polizisten Sin Citys (Bruce Willis) vor einem pädophilen Serienkiller gerettet wird und dessen Tod jetzt rächen will. Gleichzeitig aber führt einen die Erzählung um Herzensbrecher und Huren-Beschützer Dwight (ehemals von Clive Owen, jetzt von Josh Brolin verkörpert) in dessen Vergangenheit. Als zwielichtiger Fotograf will er ein für allemal mit seinem alten Leben und seiner großen Liebe Ava (Eva Green) abschließen.

Das ist verwirrend, stört aber nicht wirklich. Niemand guckt Sin City wegen der Handlung. Die Leute wollen einen Film sehen, der die visuellen und erzählerischen Möglichkeiten eines Comics perfekt nutzt: Eindrucksvolle Bilder, nicht mehr Text als nötig, knapp umrissene Charaktere, die aber trotzdem—oder gerade deswegen—irgendwie faszinieren, sowie das lose Verknüpfen schlaglichthaft beleuchteter Geschichten, die betont überdreht, unrealistisch und überzeichnet sein wollen. Ein überinszenierter Superheldenfilm ohne Superhelden—nach außen hin knüpft die Fortsetzung also nahtlos an das an, womit der Vorgänger neun Jahre zuvor die cineastische Darstellung von ästhetisierter Gewalt revolutionierte.

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Woran liegt es also, dass sich A Dame to Kill For so falsch, so enttäuschend, so leer anfühlt? Daran, dass Sin City 2 sich nicht einmal mehr die Mühe macht, die bereits bekannten Charaktere mit irgendetwas zu unterfüttern, sondern—insbesondere in Nancys Fall—grundsätzlich emotional aufgeladene Storylines zu einem müden, lustlosen Ende schleppt, das in aller Regel mit einem letzten dramatischen Monolog und einer Kugel endet? Dass die durchgehechelten Geschichten mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, und man nicht einmal ansatzweise das Gefühl hat, dass diese stetigen „Häh?!“-Momente gewollt sind? Oder eben doch daran, dass die neu eingeführten Charaktere nicht dazu in der Lage sind, das Sin City-Universum in irgendeiner Art und Weise zu bereichern?

Der charismatische Spieler Johnny (Joseph Gordon-Levitt) und die verführerische Ava Lord (Eva Green) hätten jedes Potential gehabt, die schleppend voranschreitende Rachestory und den okayen, aber insgesamt wenig bereichernden Marv-Moment zu Beginn zu retten. Insbesondere die Femme Fatale Ava, deren Geschichtsstrang dem Film überhaupt erst seinen Namen gegeben hat, scheint aber nur als werbewirksames Eyecandy herhalten zu dürfen. Greens Figur hat keine erklärte Motivation für ihr Handeln und wirkt streckenweise wie eine optisch überinszenierte, gelangweilte Hausfrau, die für alles und jeden die Beine breit macht und hofft, dass dabei irgendetwas für sie herausspringt.

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Vielleicht liegt es daran, dass Sin City als erster Film seiner Art einschlug wie eine Bombe und der Reiz des Neuen nach ganzen neun Jahren restlos verflogen ist. Aber insbesondere dann, wenn mit recycleten Einzeilern und Rückblenden an den ersten Teil erinnert wird, ärgert man sich umso mehr über den lieblos zusammengeklöppelten Trash, der einem da serviert wird. Es ist fast so, als würde einen Rodriguez mitten im Film an der Schulter rütteln und sagen „Hey, weißt du noch? Damals vor neun Jahren?“, während er hektische Schlucke aus seinem Flachmann nimmt und mit fiebrigen Augen auf die komplett bekleidete, hackedichte Stripperin starrt, die über den Tresen der Absturzkneipe torkelt.

90 Minuten lang scheint sich der Streifen einen auf seine eigenen Special Effects runterzuholen. Leider können aber nicht einmal die ihn retten. Zu oft sehen Hintergründe—insbesondere in geschlossenen Räumen—wie lieblos gerenderte Videospiele-Kulissen aus. Die CGI-Rauchschwaden, die Ava und Dwight bei ihrem Wiedersehen in Kadie’s Saloon umwabern, wirken, als hätte man halbherzig versucht, die Wolken eines Windows-Desktophintergrunds zu animieren. Statt atemberaubenden Kameraeinstellungen und perfekt gesetzten Farbakzenten gibt es optisch wenig innovatives Action-Fast-Food. Machte die bloße Einfärbung eines Bettes die Schlafstätte einer Prostituierten zum verheißungsvollen, pulsierenden Mittelpunkt einer Szene, wirken derartige Akzente in A Dame to Kill For eher willkürlich. Ist Johnnys Barbekanntschaft komplett in Farbe, weil sie so naiv und fehl am Platz ist? Avas Lippenstift rot, weil sexy Femme Fatales nun mal so aussehen müssen?

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Insgesamt bleibt der Eindruck, dass Rodriguez und Miller mit Sin City 2: A Dame to Kill For das filmische Äquivalent zu einer Sexpuppe abgeliefert haben: Sieht OK aus und erfüllt ihren Zweck, so richtig befriedigend ist das Ganze aber leider nicht. Wer den ersten Teil nicht kennt, kann sich sicherlich für die allgemeine Ästhetik und ungewöhnliche Erzählweise des Films begeistern. Für Leute, die Sin City gefühlte hundert Mal gesehen und die Comic-Verfilmung ganz oben auf der All-Time-Favourites-Liste stehen haben, dürfte die verspätete Fortsetzung aber eine herbe Enttäuschung sein.

Zu guter Letzt haben wir da außerdem noch ein paar Fragen:

(SPOILER!)

Tötet der Senator jeden, der gegen ihn im Poker gewinnt? Warum spielt dann überhaupt jemand gegen ihn—und vor allem immer dieselben Leute?

Was genau macht Nancy zu Sin Citys größtem Sex-Symbol? Sie ist ständig auf der Bühne betrunken, tanzt nicht sonderlich spektakulär und zieht sich nicht mal aus.

Was genau hat sich Johnny davon versprochen, seinen Vater zu konfrontieren? Kann ein gewonnenes Pokerspiel wirklich eine beschissene Jugend aufwiegen?

Eva Green sagt nach dem Tod ihres Mannes, dass es das letzte Mal war, dass sie etwas auf dem Rücken erreicht. Schläft direkt danach aber mit einem Polizisten. Warum?

Wo kommen die Rocker vor der Kneipe plötzlich her und was wollen sie? Sind sie nur dazu da, um Nancys Fähigkeiten als Superkriegerin mit neuem Haarschnitt zu etablieren?

Und: Warum muss Nancy überhaupt zum Senator fahren? Kann sie nicht einfach warten, bis er wieder zum Pokerspielen in die Bar kommt?

Wenn ihr Fragen an Lisa habt, könnt ihr sie ihr bei Twitter stellen: @antialleslisa