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So erklärst du Oma & Opa, dass sie keine Angst vor der Globalisierung haben müssen

Es ist wieder Weihnachten. Falls in deiner Familie neuerdings auch Migrations- und Globalisierungsverängstigte sind, hier ultimative Tipps für eine gute Tat.
Foto: imago | PPE

Foto: imago | Westend61

Trump. Das saß wie ein Schlag in den Bauch. Wir so: OK, und jetzt? Viele Menschen berichteten sogar wirklich von Bauchkrämpfen. "Was kann ich denn überhaupt machen?", fragt man sich als junger Mensch, der die Welt besser machen möchte, aber nicht so genau weiß, wie.

Und dann kommt das nächste Familientreffen. Spätestens jetzt, an Weihnachten, werden einige wieder merken, dass die größten politischen Gegner gar nicht nur in den USA und in den populistischen Parteien in Europa sitzen. Gewählt werden sie von Menschen, die Angst vor der Globalisierung haben. Das haben wir uns nicht ausgedacht, diesen Zusammenhang bestätigt nun eine Studie der Bertelsmann Stiftung.

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Die wichtigsten Ergebnisse: In ganz Europa haben die Anhänger von rechtspopulistischen Parteien Angst vor der Globalisierung. Das trifft laut Studie auf 78 Prozent der AfD-Anhänger, 76 Prozent der Front-National-Befürworter und 69 Prozent der FPÖ-Fans zu.

Aber WAS genau an der Globalisierung macht diesen Menschen Angst? Antwort: die Migration. Es ist das einzige Thema, bei dem die Meinung der Globalisierungsbefürworter und der -gegner deutlich auseinander geht: 53 Prozent derjenigen, die Angst vor der Globalisierung haben, sehen in der Migration eine "große Herausforderung". Bei den Globalisierungsbefürwortern sind es "nur" 42 Prozent.

Außerdem: 54 Prozent aller Menschen, die sich von der Globalisierung bedroht fühlen, fühlen sich auch entfremdet im eigenen Land.

Worauf das hinausläuft? Menschen denken, mit reaktionären, veraltet nationalen Ideen könnte man die Uhr zurückdrehen. Das Problem: Wir leben längst in einer ganz anderen Welt. Wenn du also verhindern willst, dass dein Opa Helmut (70+, Besitzer seines ersten Smartphones) sein Kreuzchen nicht all zu weit rechts macht, dann zeig ihm doch, dass diese Welt, in der du lebst, gar nicht so schlecht ist. Um dir die Diskussion bei der Weihnachtsgans zu erleichtern, hier Argumente und Fakten zu den Themen, die in der Studie—oder generell unter Rechts-Wählern als große Angstfaktoren gelten:

1. Halte eine flammende Feuerrede für die Europäische Idee

Hat dein Opa—wahlweise auch Oma, Onkel, Tante, Nachbar—was gegen Polen, die unsere Kartoffeln ernten? Oder dagegen, dass Giovianni schon wieder zu wenig Käse auf die Pizza gelegt hat? Oder gegen Rumänen, die mit ihren alten Autos unsere Straßen versperren? Wir wollen hier niemandem irgendetwas unterstellen, aber seien wir mal ehrlich: Wir kennen jemanden, der genau solche Vorurteile raushaut. Wie verhalten? Spieß umdrehen! Polen kommen nach Deutschland, um zu arbeiten. Um in unsere Sozialsysteme einzuzahlen, die Opas Rente gerade finanzieren. Falls das nicht zieht, steige tiefer ein in die Materie, werde konkreter: In der Fleischindustrie zum Beispiel sind 80 bis 90 Prozent der Arbeitnehmer aus dem Ausland: Jobs, die viele Deutsche nicht machen wollen. Plakativ gesagt: Sie schlachten das Schwein, damit Opa sein Schnitzel essen kann. Na, hat er Bock, darauf zu verzichten? Oder doppelt so viel dafür zu zahlen?

Oder auch: Die Rumänen sollen bloß in Bukarest bleiben, aber Opa will schon gerne in Wien um den Stephansdom schlendern? So läuft das nicht, entweder oder. Mache deinem Opa klar: Europa und offene Grenzen, das ist eine ganz hervorragende Idee. Nein, nicht nur zwingend im politischen und wirtschaftlichen Sinn, sondern im ideellen, eigentlichen Sinn: offene Grenzen für eine offene Gesellschaft.

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2. Tritt mit Opa eine Reise ins "Neuland" an

Die ältere Dame nebenan im Zug fragt, ob die Steckdose derW-Lan-Anschluss ist. #ichfreumichso #neuland
Samuel Dekempe (@samueldekempe) 28. November 2016

Nimm Opa die Angst vor dem Neuen. 21 Prozent der Deutschen sind noch immer nicht im Netz unterwegs, so das Ergebnis der Studie D21-Digital Index—viele von ihnen sind alte Menschen.

Setze dich mit ihm vor den PC und erkläre ihm YouTube: Hier, guck mal, ein Mozartkonzert! Oh!

Installiere ihm ein Mailprogramm und mache ihm klar, dass er dich jederzeit anschreiben kann, auch wenn du gerade ein Auslandssemester in Sydney machst. Es gibt nichts Schöneres als Selfies von Großeltern, auch wenn (oder gerade weil) die Nachrichten in Großbuchstaben dazukommen. Wer hier Barrieren abträgt, tut es auch anderswo. Neu und digital, das heißt ganz oft: einfacher. Also, sei inklusiv und mache Opa zum digital immigrant.

3. Zeig Opa ein paar Zahlen zur Migration

Foto: imago | Westend61

Das beste Beispiel, um zu zeigen, dass Migration eine Stadt weder in eine Curry-Zone noch in ein Drecksloch verwandelt, ist München. München ist die Großstadt, in der die meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben, fast 30 Prozent—gleichzeitig gilt die Stadt als spießigste, sauberste und sicherste Stadt im Land.

Wenn euer Gegenüber das Gefühl hat, von Geflüchteten "überschwemmt" zu werden, wie wäre es mit diesen Zahlen: In Deutschland leben über 80 Millionen Menschen. Im Jahr 2016 wurden zwischen Januar und Oktober 676.320 Erstanträge auf Asyl gestellt. Das sind gar nicht so viele, wie er denkt, oder? Wenn diese Beispiele ihm noch nicht genügen, zeig ihm dieses YouTube-Video.

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4. Verklicker Opa, dass der Sparstrumpf nicht sein muss

Laut der Studie haben die Befragten vor allem Angst vor der globalen Geldzirkulation, vor dem internationalen Finanzmarkt-Moloch, den nicht mal mehr die (vorgeblichen!) Insider durchblicken. Womit? Mit Recht. Aber: Jede Medaille (beziehungsweise: jede Münze) hat zwei Seiten. Opas Rente ist sicher, deine nicht. Noch nie ging es Rentnern in Deutschland so gut wie heute. Dagegen kann niemand heute sagen, wie hoch deine Rente einmal sein wird. Wer ist nun das arme Schwein? Ja, es läuft viel falsch. Aber Opa ist nicht der Leidtragende—nicht primär. Mal abgesehen davon: Es gibt auch einiges, was nicht so ganz verkehrt ist. Opa will einen Rotwein aus Bordeaux bestellen? Zack, mit IBAN und Kreditkarte kein Problem. Dekliniere die großen Begriffe und falschen Vorstellungen auf kleine Beispiele runter.

Opa hat, wie viele Deutsche, Angst vor der Euro-Schuldenkrise? Hat er Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten, hat er Schiss davor, krisengebeutelte Länder finanziell auffangen zu müssen? Wenn man sich überlegt, dass Juana aus Madrid mit Ende 30, ohne Job, noch immer zu Hause wohnt, ist "Der deutsche Steuerzahler ist immer der Dumme" ein dekadentes Totschlagargument.

Fazit

Angst bringt keinem etwas. Vor allem nicht dann, wenn sie zu vermeintlichen Lösungen führt, die in einer veränderten Welt gar keine mehr sind. Haters gonna Hate. Aufgeklärte Hater vielleicht nicht mehr ganz so sehr.

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