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Menschen

So ist das Leben im sichersten Supermax-Gefängnis der USA

Ein ehemaliger Insasse des ADX Florence erzählt vom Fingerschütteln, Wasserrohr-Telefonen und dem Schuhbomber.
Das US-amerikanische Bundesgefängnis der Sicherheitsstufe „Supermax" ADX Florence in Colorado | Foto: Federal Bureau of Prisons | Wikimedia Commons | Gemeinfrei
Das US-amerikanische Bundesgefängnis der Sicherheitsstufe „Supermax" ADX Florence in Colorado | Foto: Federal Bureau of Prisons | Wikimedia Commons | Gemeinfrei

Nur wenige Häftlinge kommen jemals aus dem ADX Florence frei.

Offiziell heißt das Gefängnis in Florence, Colorado, „United States Penitentiary, Administrative Maximum Facility". Das ADX, das in den Rocky Mountains liegt, hat auch den Spitznamen „Alcatraz of the Rockies" und ist das Bundesgefängnis mit der höchsten Sicherheitsstufe der USA. Unter den Insassen sind einige der berüchtigsten Verbrecher der neueren US-Geschichte, wie etwa der Boston-Marathon-Bomber Dzokhar Tsarnaev, der 9/11-Mithelfer Zacarias Moussaoui, der Bomber von Oklahoma City, Terry Nichols, und Robert Hanssen, der FBI-Agent, der zum sowjetischen Spion wurde. Insassen des ADX werden 23 Stunden am Tag in Isolationshaft gehalten, und aufgrund der Schwere ihrer Verbrechen kommen viele von ihnen zeitlebens nicht wieder frei.

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Syrische Flüchtlinge kochen in einem ehemaligen Gefängnis

Doch Travis Dusenbury, ein 46-jähriger Mann aus Lexington, North Carolina, der 10 Jahre lang im ADX saß, hat es geschafft. Und er hat über das Gefängnis und seine berühmten Insassen, darunter der sogenannte Unabomber und der Schuhbomber, viel zu erzählen.

Dusenbury, ein selbsternannter „rechtschaffener Black-Power-Typ", kam im Alter von 16 das erste Mal hinter Gitter, wegen schwerer Körperverletzung. Seitdem ist er immer wieder im Gefängnis gewesen, mit einem breiten Spektrum von Verurteilungen, das von Anstiftung zum Aufruhr bis hin zu Waffendelikten reicht. 2005 saß er in einem Bundesgefängnis in Florida, bis er einen Wärter angriff, der laut Dusenbury Schwarze und Latinos in dem Gefängnis gemobbt hatte. Aufgrund der erhöhten Gefahr, die angeblich von ihm ausging, wurde er ins ADX verlegt, wo er bis Januar letzten Jahres saß.

Dusenbury hat mit uns übers Leben in dem isoliertesten Gefängnis der USA gesprochen.

VICE: Wie war dein erster Eindruck, als du im ADX ankamst?
Travis Dusenbury: Es war anders als alle anderen Gefängnisse, in die ich schon gesteckt wurde, und ich war schon in vielen Gefängnissen. Ich war schon in abgeschiedenen, ländlichen Gegenden inhaftiert, doch dort konnte ich immer wenigstens den Highway oder den Himmel sehen.

Travis Dusenbury auf einer undatierten Aufnahme aus dem ADX Florence

Aber im ADX siehst du rein gar nichts, keinen Highway in der Ferne, keinen Himmel. Sobald du dort ankommst, weißt du, dass du sowas viele Jahre nicht mehr sehen wirst.

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Du bist einfach von der Welt abgeschnitten. Das spürst du. Dieses beklemmende Gefühl setzt sich fest.

Wie sah es dort aus? Wie war deine Zelle, dein Bett?
Es ist einfach der härteste Ort, den man sich vorstellen kann. Es gibt dort nichts Lebendiges, nicht einmal den kleinsten Grashalm.

Meine Zelle bestand komplett aus Beton. Jede einzelne Sache dort war aus Beton. Die Wände, der Boden, der Schreibtisch, das Waschbecken, selbst das Bett—einfach ein Betonklotz. Und dann gibt es draußen eine kleine extra gesicherte [Freizeit-Zelle], in der du eine Stunde am Tag rumlaufen darfst.

Das ist auch keine Softie-Isolationshaft, wie es sie in anderen Gefängnissen gibt—es sind 22, 23 Stunden am Tag in diesem Betonzimmer, dann eine [oder zwei] Stunden in dem eingezäunten Bereich. An zwei Tagen die Woche gab es allerdings keinen Hofgang, und manchmal wurde er auch einfach grundlos abgesagt.

Bist du dort jemals irgendwelchen bekannten Terroristen und anderen Verbrechern begegnet?
Ich wurde zwar nicht in den Trakt gesteckt, wo die „Schlimmsten" unter ihnen waren, aber ich bin in meinem Zellentrakt Ted Kaczynski, dem „Unabomber", begegnet. Er war einfach ein verdammt seltsamer kleiner Kerl—er ging nicht einmal raus, wenn er durfte. Ich mochte ihn nicht, weil ich von seinem Verbrechen wusste, und dieses Verbrechen war einfach eine seltsame Tat, aber ich schätze, ich hatte schon Respekt vor ihm, weil er älter war. Also nannte ich ihn „Mister", und ich glaube, das gefiel ihm wirklich. Er hat irgendwann einen IQ-Test bei mir gemacht, denn für ihn war Intelligenz das Wichtigste überhaupt.

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Ich habe auch Eric Rudolph [den Bomber der Olympischen Spiele in Atlanta] kennengelernt. Ihn wusste ich zu schätzen, weil er leichtes Spiel gehabt hätte, bei der Aryan Brotherhood zu landen, aber das hat er nicht gemacht. Er hat sich mit mir und überhaupt mit allen unterhalten und niemals „Nigger" gesagt. Als ein Schwarzer die ganze Nacht in unserer Nachbarzelle Stress gemacht hat, hat er friedlich reagiert. Er war ein Gentleman, und das ist eine Sache, mit der wir uns im ADX alle anfreunden können.

Und dann bin ich noch Typen wie dem Schuhbomber Richard Reid begegnet. Die ganzen Typen mit den Terroranklagen. Ich bin froh, dass es Richard nicht gelungen ist, das Flugzeug in die Luft zu sprengen. Das wäre echt abgefuckt gewesen. Aber ich habe mich mit ihnen schon ganz gut verstanden und von ihnen erfahren, wie sie den Islam praktizieren.

Moment, wie hast du dich denn mit diesen Typen unterhalten können?
Es gab ein paar Methoden [um zu kommunizieren]. Wir wurden in verschiedene Zellentrakte verlegt und manchmal waren wir im selben Trakt. Manchmal hatte ich Putzdienst und bin in die einzelnen Zellen in dem Trakt gegangen, um sie zu reinigen. Oder manchmal konnte ich auch einfach so laut wie möglich durch den Zellentrakt rufen und dann haben sie mich gehört und geantwortet.

Manchmal hat man auch eine ganze Klopapierrolle genommen, sie auf den Ausguss im Waschbecken oder in der Dusche gestellt und so hart gepustet wie nur möglich. So konnte man das Wasser in den Rohren gerade so weit weg bewegen, dass in dem Rohr zwischen der eigenen Zelle und der Nachbarzelle kein Wasser mehr war. Dann hält man einfach weiter die Klopapierrolle über den Ausguss und spricht rein, und der Nachbar kann alles gut hören. Es hing davon ab, in welcher Zelle man war, weil die Rohre nicht immer richtig lagen, aber meistens konnte man so den Nachbarn oder sogar noch den Häftling eine Zelle weiter kontaktieren.

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Und wenn es dann an der Zeit war, sich für den Hofgang aufzustellen, dann hat man vielleicht Leute durch den Zaun des Freizeitbereichs gesehen. Der engste menschliche Kontakt, den es gab, war das „Fingerschütteln" durch den Zaun, wie wir dazu gesagt haben.

Was hast du mit deiner Zeit dort gemacht?
Es gab nicht viel zu tun—Liegestütze, Lesen. Man konnte auch schreiben, aber die einzigen Stifte, die es gab, waren teuer. Dann hattest du einen in der Hand und es war einfach so ein weiches Kugelschreiberding aus Gummi—damit wir keine Waffen darauf machen konnten. Aber mit diesen weichen Dingern konnte man überhaupt nicht schreiben.

Wir konnten auch Radio hören, aber die hatten keinen Rap-Sender!

Die eine Sache, die ich sehr gerne gekonnt hätte, war schlafen. Aber ich litt an furchtbarer Schlaflosigkeit. Ich konnte einfach nicht schlafen. Ich lag die ganze Nacht da, zehn Jahre lang, und konnte nicht schlafen, und am Ende hatte ich so schreckliche Symptome von dem Schlafentzug. Die Zelle wurde einfach zu meiner Welt und ich konnte da nicht raus, nicht einmal im Schlaf.

Es war so klaustrophobisch da drin. Ich weiß, dass Klaustrophobie ein Zustand ist, den ein Mensch erlebt, aber ich finde, dieser Ort war selbst schon klaustrophobisch. Ich kam an den Punkt, wo jede noch so kleine Veränderung, wie wenn ich sah, dass draußen Schnee fällt, für mich das Überleben bedeutete.

Haben sie dir irgendeine Art von psychologischer Hilfe oder Therapie angeboten?
Ich meine, anfangs haben sie versucht, mich beim Schlafen zu erwischen, weil sie nicht glauben wollten, dass ich an Schlaflosigkeit leide—sie dachten, ich will einfach nur die Medikamente. Das ging jahrelang so.

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Dann haben sie mir die Medikamente gegeben, aber es war ihnen egal, ob es die richtigen sind. Es war ihnen egal, ob die Medikamente Wirkung zeigten. Für die war nur wichtig, dass sie mir was gegeben haben. Niemand hat mehr nachgesehen, ob ich schlafen kann—und das konnte ich immer noch nicht.

Und hattest du je die Möglichkeit, aus der Isolationshaft rauszukommen?
Nach fünf Jahren habe ich es ins „Step Down"-Programm geschafft. Das war neben einem größeren Hof, also konnte man den Himmel sehen. Dort saß man dann mit zwei bis sieben Personen anstatt alleine.

Ich bin ein sehr sozialer Mensch, und es hat nicht lange gedauert, bis ich andere Insassen umarmt habe und so, und die Wärter sagten alle: „Scheiße, normalerweise wollen die Typen anderen Typen überhaupt nicht mehr nahekommen, wenn sie da rauskommen."

Aber irgendwann habe ich mich mit einem ehemaligen Kameraden gestritten—es lief darauf hinaus, dass er eifersüchtig war, weil ich nur noch vier Jahre Haft hatte und draußen meine Familie auf mich wartete. Die Wärter trennten uns, und wenig später sagte man, ich sei für das Programm ungeeignet, ich hätte es versäumt, mich „anzupassen". Also haben sie mich nach nur sechs Monaten wieder in die Isolation gesteckt.

Wie war das Personal? Wie sahen deine Interaktionen mit den Wärtern aus?
Es gibt keine Schwarzen auf dem Land in Colorado. Das Personal bestand nur aus Weißen, alle aus der Unterschicht, und die ließen sich von den weißen Insassen leichter manipulieren als von den schwarzen. Die weißen Häftlinge konnten sie dazu bringen, verbotene Ware mit rein zu schmuggeln, doch die schwarzen konnten das nie. Manchmal nannten sie die weißen Häftlinge sogar „Bruder".

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Mich persönlich konnten sie nicht ausstehen, weil ich ein OG war, ein rechtschaffener Black-Power-Typ, der immer Zwischenfälle verursacht—und ich hatte keine Gang (wie Aryan Brotherhood oder Mexican Mafia) oder so, die mir den Rücken gestärkt hätte.

Insgesamt sehen sie dich einfach als weniger menschlich an. Es gab immer diesen abschätzigen Blick. Und sie haben Experimente mit dir gemacht, indem sie dich neben Leute gesteckt haben, von denen sie wussten, dass du mit ihnen schon gewaltsam aneinandergeraten bist.

Ich glaube, die meisten Leute sehen es als selbstverständlich an, dass sie Menschen sind, aber wenn du erst im ADX sitzt, dann wird dir klar, dass ein Mensch zu sein kein angeborenes Recht ist.

Wie haben die Wärter dich bestraft, wenn du eine Regel übertreten oder dich daneben benommen hast, wie du es schon in anderen Gefängnissen getan hast?

Das ist mir im ADX nur dreimal passiert und ich glaube, sie haben es bei einigen anderen Typen viel mehr gemacht als bei mir. Sie machten Folgendes: Sie schickten eine Einheit, die wir den Schlägertrupp nannten. Die kam dann mit Tränengas, Schlagstöcken, Stahlkappenstiefeln und Bereitschaftsausrüstung.

Wenn ich wirklich wütend war, habe ich allerdings ein paar Schläge landen können, bevor bei mir die Lichter ausgingen. Sie haben es gespürt. Sie wussten, dass ich da war.

Und dann bist du endlich rausgekommen.
Ja. Am 13. Januar 2015 haben sie mich in ein Krankenhaus in Springfield, Missouri, gebracht. Von dort aus haben sie mich in ein Gefängnis in Oklahoma geflogen und dann haben sie mich nach Terre Haute, Indiana, geschickt.

Am 13. Mai war ich dann unterwegs nach Hause, nach North Carolina. Ich wohne jetzt bei meiner Mom, kriege die richtigen Medikamente und kann endlich schlafen.

Und weißt du was? Ich habe gehört, sie haben im ADX jetzt endlich einen Rap-Sender. Das ist mein Vermächtnis.

Dieses Interview wurde aus Platz- und Verständnisgründen redigiert.