Wahrscheinlich haben die meisten Menschen sehr wenig Spaß daran, sich mit Arbeitskollegen, Bekannten, Freunden und der Familie zu streiten—auch, wenn sie etwas wirklich aufregt oder beschäftigt. Oft schluckt man Sachen runter, weil man sich lieber ein paar Stunden still in sich hinein ärgert, anstatt etwas anzusprechen und ein unangenehmes Gespräch zu führen, auch wenn das bedeuten würde, dass man ein Problem aus der Welt schaffen könnte.

Egal, ob es um den Kollegen geht, der sogar bei Minusgraden nach Schweiß riecht oder ihr eurer besten Freundin sagen wollt, dass ihr neuer Freund, in den sie so verliebt ist, einfach nur ein Arschloch ist, und dass er euch letztens heimlich an den Arsch gegrapscht hat—früher oder später müsst ihr es ansprechen, wenn ihr euch nicht selbst zu einem nervlichen Wrack machen wollt.

Ihr müsst dabei zwar oft ziemlich vorsichtig sein und könnt wie immer einen wunden Punkt treffen. Wenn Probleme unausgesprochen bleiben, staut sich euer Ärger aber irgendwann so auf, bis ihr den Hass nicht mehr länger im Zaum halten könnt und der darauf folgende Streit vielleicht nicht schon nach einer kurzen Diskussion wieder beendet ist, sondern ausartet. Traut euch also, Dinge anzusprechen und alles wird gut.

Jeder von uns war schon einmal blind vor Liebe und hat seine Zeit mit jemandem verbracht, der im Nachhinein betrachtet nicht unbedingt die beste Wahl war. Und wer hoch fliegt, braucht jemanden, der einen—bei berechtigten Einwänden—wieder auf den Boden zurückholt.

Wenn deine beste Freundin also in einen Vollidioten verliebt ist und deine Abneigung gegen den neuen Partner vielleicht auch ein bisschen daran liegt, dass das neue Betthupferl schlicht und einfach nicht gut für sie ist, bleibt dir nichts übrig, als genau das laut auszusprechen. Wenn deine ziemlich brave Freundin plötzlich mit einem ständig kiffenden Sprayer zusammen ist, sag ihr—auch auf die Gefahr hin, dass du übertreibst—dass er womöglich nur die Ausgeburt einer Bad Boy-Phase ist und du alles tun wirst, dass deine Freundin nicht von ihm in die Kleinkriminalität gezogen wird.

Wenn du genau merkst, dass die neue Freundin deines besten Freundes ihn nur ausnutzt, sag es ihm. Jemandem so etwas über eine Person zu sagen, in die er gerade verliebt ist, ist wahrscheinlich eines der schwierigsten Gespräche unter Freunden, aber leider manchmal notwendig.

Wenn es dir ein Anliegen ist, nicht mehr täglich stundenlang den Schweißgeruch deines Büro-Nachbarn in der Nase zu haben, bitte tu dir selbst und allen Menschen um euch herum einen Gefallen und sag es ihm. Wer selbst nicht merkt, dass er ziemlich penetrant riecht, der braucht einen kleinen, behutsamen Schubs in die richtige Richtung.

Wie auch bei allen anderen sensiblen Themen gilt: Überleg dir gut, wie du an die Sache heran gehst, denn du wirst wahrscheinlich noch länger mit dieser Person koexistieren müssen. Raus muss es trotzdem. Sprich die Person in einem ruhigen Moment an und denk bloß nicht daran, die Person vor jemand anderem bloßzustellen. Lenk das Gespräch gekonnt auf Schweiß (im Sommer gar nicht mal so schwierig) oder darauf, dass du ein riesiges Problem mit unverhältnismäßigen Kaugeräuschen hast (ja, das ist eine echte Phobie).

Wenn die Person dann entsetzt „Ja, das find ich auch echt schlimm" sagt und du sie eigentlich am liebsten schlagen möchtest, bleib ruhig und sag ihr, dass du dich deswegen beim Essen immer wegsetzt, weil du die Schmatzgeräusche einfach nicht ertragen kannst oder dass es zwar normal ist, an heißen Tagen zu schwitzen, duschen und ein frisches Shirt aber die Schlüssel zum Himmel des akzeptablen Körpergeruches sein können.

Manchmal kommt es vor, dass du mit jemandem einfach nicht mehr Party machen willst, weil die Person jedes Mal so besoffen ist, dass sie im coolsten Club der Stadt in der Ecke liegt und vorher jeden Mensch, auf den du ein bisschen stehst, mit „Hey, ihr solltet schmusen!" anlallt. Das ist der Punkt, an dem du beschließen solltest, mit einer Person nur noch ab und zu oder vielleicht sogar niemals mehr wegzugehen. Oder du sprichst das Problem wie ein erwachsener Mensch an.

Sag dieser Person, dass sie sich besoffen einfach wie der anstrengendste Teenie der Welt verhält und erzähl ihr, dass sie auf der letzten Party so dicht war, dass sie in ein Schnapsglas gekotzt hat, das sie dann jemandem angeboten hat. Dann wird die Person entweder freiwillig aufhören zu saufen und versuchen, sich in der Öffentlichkeit annähernd zivilisiert zu verhalten oder du musst einfach offen sagen, dass du es nicht mehr erträgst, wenn du mit jemandem unterwegs bist, der gerne besoffene Schlägereien mit fremdem Menschen anzettelt oder nur in einen Club geht, um Visitenkarten von reichen Typen abzugreifen. Niemand will, dass sich seine Freunde ernsthaft und auf Dauer für ihn schämen müssen.

Noch viel schwieriger ist es, jemandem mitzuteilen, dass man sich ernsthafte Sorgen macht. Jeder hat diesen einen Freund, der auf jeder einzelnen Party so dicht und am Rande der Bewusstlosigkeit steht, dass er mit 26 Jahren immer noch um kurz nach Mitternacht von jemandem nach Hause gebracht werden muss. Auch wenn man solche Exzesse die ersten Male lustig finden kann, muss man sich irgendwann trauen, mit dem Freund, der nach Außen hin immer nur Spaß im Kopf hat, über ernste Themen zu reden. Genau so wie der Freundin, die sich seit Ewigkeiten nur noch in Form von Smoothies ernährt und sich in fragwürdigen Abnehm-Foren herumtreibt, muss man dem ständig komatösen Freund sagen, dass man sich Sorgen macht.

Fragt nach, ob eure Freunde etwas belastet, ob sie mit sich oder der Welt unzufrieden sind oder ob sie einfach eine schlechte Phase haben. Auch, wenn sie vielleicht nicht mit euch darüber reden wollen, kann ihnen die Tatsache, dass ihr überhaupt fragt, schon weiterhelfen.

Nur, weil man jemanden liebt, muss das noch nicht heißen, dass man auch super findet, was diese Person macht—das kann sich sowohl auf einen bestimmten Job oder die Art und Weise, wie diese Person damit umgeht, beziehen. Natürlich soll und muss man als guter Freund bis zu einem gewissen Zeitpunkt ertragen, wenn der andere Dinge macht, die sich irgendwo zwischen peinlich und fragwürdig bewegen. Sollte aber irgendwann der Punkt kommen, an dem man seinen besten Freund aus dem Facebook-Newsfeed verbirgt oder man immer sofort das Thema wechselt, wenn es um den neuen Job geht, wird es Zeit, darüber zu reden.

Denn genauso, wie eine gute Freundschaft ein bisschen Konfliktpotenzial ertragen muss, muss sie auch aushalten, wenn jemand seine Meinung sagt. Natürlich schmerzt es, von der besten Freundin zu hören, dass man nicht mehr permanent darüber sprechen soll, wie unglaublich geil der neue Promotion-Job ist oder dass es niemanden interessiert, was man den ganzen Arbeitstag über so getrieben hat. Trotzdem muss man damit umgehen können, dass sich nicht jeder für die selben Dinge begeistern kann wie man selbst—auch nicht die besten Freunde. Darum sollte man unter Freunden auch aussprechen dürfen, dass man sich zwar freut, wenn der andere seine Leidenschaft gefunden hat, man aber trotzdem nicht täglich erfahren will, was Unspektakuläres in der Firma oder auf der Uni passiert ist.

Manchmal ist die Schwierigkeit nicht, Fehler von anderen anzusprechen, sondern über den eigenen Schatten zu springen und die eigenen Dummheiten laut auszusprechen. Man merkt längst, dass die Lage angespannt ist, aber traut sich irgendwie nicht, etwas zu sagen. In einer solchen Situation ist es fast am wichtigsten, dass man offen ist und auch mal zugeben kann, dass man sich wie ein Vollidiot benommen hat.

Sprich das Thema an und wenn es dir ernst ist, entschuldige dich für den Scheiß, den du angestellt hast. Sag der Person, dass du sie lieb hast, manchmal ein Idiot bist, dich dafür schämst oder dass du einfach nicht darüber nachgedacht hast, dass das, was du gesagt oder getan hast, verletzend sein könnte. Sag alles, was du willst, solange du ehrlich bist. Wenn du fähig bist, dich aus eigenen Stücken für einen Fehler zu entschuldigen, werden deine Freunde es dir auch verzeihen können, wenn du ihnen sagst, dass sie manchmal stinkende, peinliche und selbstgefällige Arschlöcher sind.

Sprecht mit Verena auf Twitter über eure Probleme: @verenabgnr