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Sollen Legal Highs verboten werden?

Wenn ein vernünftiger Maßstab gefunden wird und zugleich klare, wertneutrale und präzise Gesundheitswarnungen eingeführt werden, könnten die Risiken für Konsumenten bedeutend reduziert werden. Die Schwierigkeit besteht freilich darin, diesen...

Immer wieder tauchen Berichte über die zuweilen lebensbedrohlichen Nebenwirkungen der vermeintlich harmlosen Kräutermischungen, „Badesalze“ oder Research Chemicals auf, doch die Gesetzgebung in den meisten Ländern hinkt dem Phänomen latent hinterher. In Österreich bemüht sich der Gesetzgeber zwar, den gefährlichen Partydrogen Einhalt zu gebieten, der Erfolg hält sich jedoch in Grenzen.

Zwar werden regelmäßig neue Substanzen auf die Liste der verbotenen Betäubungsmittel gesetzt, doch diese Maßnahme kann mit der Geschwindigkeit, mit der neue Substanzen auf den Markt kommen, kaum mithalten.

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In Großbritannien sollen die seit Juni temporär verbotenen psychoaktiven Forschungschemikalien Benzofuran—besser bekannt unter dem Namen Benzo Fury—und NBOMe nun also zu Drogen der Klasse B bzw. A erklärt werden. Das liegt zum Teil an einer Reihe prominenter Todesfälle, die wahrscheinlich durch diese Drogen verursacht wurden. Eine Frau starb, nachdem sie zur Feier eines Jobangebots Benzo Fury genommen hatte, und ein Mann soll sich den eigenen Hals aufgeschlitzt haben, als er durch NBOMe einen psychotischen Schub bekam.

Ich habe mit ein paar Leuten gesprochen, die Benzo Fury nehmen, um abzuschätzen, wie gefährlich die Droge wirklich ist. Mein erster Gesprächspartner nahm es in Form von Kapseln. „Die Kapsel war halb voll—es waren vielleicht 100 oder 150 mg—und es war ein anderer Rausch als bei MDMA; weniger hektisch, fokussierter und sehr sauber“, erzählte er mir. „Es gab keinen nennenswerten Comedown.“

Während seine Erfahrung tatsächlich ziemlich toll zu sein schien, klang das, was mir meine nächste Gesprächspartnerin erzählte, eher nach einer synthetisierten Folter. Nachdem sie sich zwei Pillen eingeworfen hatte, konnte sie vier Tage lang nicht einschlafen. In dieser Zeit erlitt sie Angstzustände und psychische Störungen, bis sie ins Krankenhaus ging und ihr Diazapam bzw. Valium gegen die Schlaflosigkeit verschrieben wurde.

Die Meinungen zu NBOMe-Erfahrungen sind ebenso gespalten. Im Drogenforum Erowid schwärmen einige Konsumenten von dem Halluzinogen: „Die visuelle Wahrnehmung ist großartig—und ich habe bisher nur an der Oberfläche gekratzt“, schrieb der Erste. „Glückszustände. Nirvana. Das ist die ultimative menschliche Erfahrung“, so der Zweite.

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Es ist jedoch nicht allen vergönnt, durch NBOMe die Realität hinter sich zu lassen und die chemische Ekstase zu erreichen. Was manchen passiert, klingt einfach nur fürchterlich. „Ich habe mich absolut beschissen gefühlt“, schrieb jemand im gleichen Forum. „Ich wusste nicht, ob ich im nächsten Moment das ganze Sofa vollkotzen oder -scheißen würde […]. Ich konnte mich kaum bewegen und fühlte mich, als ob ich eine Flasche Wodka getrunken hätte. Alles um mich herum hatte sich in den absoluten Wahnsinn verwandelt. Ich habe komplett den Verstand verloren.“

Da NBOMe keine weit verbreitete Droge ist, ist die hohe Anzahl der Tode besonders besorgniserregend. Das betont auch Harry Sumnall, Mitglied des amerikanischen Beirats für Drogenmissbrauch, als er mir schrieb: „Die Todesrate bei NBOMe scheint überproportional hoch zu sein.“

Diese Aussagen sollen nicht zeigen, dass die Drogen gut oder schlecht sind, sondern vor allem den Blick auf die Widersprüchlichkeiten lenken, die nicht überraschend sind, wenn man bedenkt, dass wir es mit Substanzen zu tun haben, über deren Kurz- und Langzeitwirkungen wir sehr wenig wissen. Genau genommen wissen wir so gut wie gar nichts über die neuen psychoaktiven Substanzen, die es auf dem Markt gibt.

NBOMe

Ein Headshop-Angestellter, mit dem ich geredet habe, rechnet damit, dass bald auch andere seiner Produkte unter das Gesetz fallen, insbesondere die synthetischen Cannabinoide, die die Wirkung von Cannabis imitieren sollen. Ob dadurch finanzielle Verluste entstehen? „Ich glaube nicht, dass es unser Geschäft beeinträchtigt“, sagte er. Es sieht so aus, als ob er richtig liegt. In den Regalen stapeln sich verschiedenste Research Chemicals, und auf allen steht die Warnung „nicht für den menschlichen Verzehr geeignet“. Das ist die Hintertür, durch die Verkäufer und Drogenhersteller der Verantwortung entgehen, falls sich tatsächlich jemand entschließen sollte, zwei Gramm des Zeugs die Nase hochzuziehen, anstatt damit seine Pflanzen zu düngen.

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„Ich sage den Leuten, dass es nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, weil ich finde, dass sie es wissen sollten“, sagte der Verkäufer. „Ich finde es nicht in Ordnung, Leuten was zu verkaufen, ohne zu erwähnen, dass sie es nur einer kleinen Formalität wegen nehmen.“

Die Formalität, die er meint, sind winzige molekulare Änderungen in der Zusammensetzung der Substanzen, durch die gesetzliche Sanktionen umgangen werden können. So ist es extrem einfach, [eine neue Droge zusammenzumischen](http:// http://www.theguardian.com/science/2013/oct/31/drugs-legal-high).

In Großbritannien gibt es die Organisation Transform, die sich für eine Reform der Drogenpolitik einsetzt. Ihr zufolge handelt es sich bei den Forschungschemikalien um „ein direktes Ergebnis des Verbots anderer Stimulanzien. Durch die Prohibition haben wir einen endlosen Strom neuer Substanzen bewirkt, die möglicherweise noch gefährlicher sind als die, die verboten worden sind“, erzählt mir Martin Powell, ein Mitarbeiter von Transform.

Anstatt die Öffentlichkeit davor zu schützen, dass das neueste chemische Gebräu in ihren Nasenlöchern freigesetzt wird, ist es wahrscheinlicher, dass der Umgang der Regierung mit Drogen wie Benzo und NBOMe das Problem weiter verschärft. Die Prohibition ist Martin zufolge, „vollkommen vergeblich; das Einzige, was du durch ein Verbot sicherstellst, ist, dass eine andere Droge, über die wir absolut gar nichts wissen, auf den Markt kommt.“

Martin sagt, dass die Regierung der fortschrittlichen Drogenpolitik in Neuseeland mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Das Land führt gerade ein System staatlich regulierter legaler Drogen ein, die strenge klinische Studien durchlaufen müssen, um für den menschlichen Konsum als „sicher“ eingestuft zu werden.

Auch wenn die Idee auf den ersten Blick super erscheint, gibt es einige Vorbehalte. Wenn die Messlatte bei den klinischen Tests zu hoch gesetzt wird und dadurch Drogen durchfallen, die alle nehmen wollen, wird die Prohibition einfach nur unter dem attraktiveren Deckmantel der liberalen Gefahrenreduktion verkauft—wirklich ändern wird sich dadurch aber nichts.

Wenn die Barriere hingegen zu niedrig ist, setzt man Leute Drogen aus, die ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. Wenn ein vernünftiger Maßstab gefunden wird und zugleich klare, wertneutrale und präzise Gesundheitswarnungen eingeführt werden, könnten die Risiken für Konsumenten allerdings bedeutend reduziert werden. Die Schwierigkeit besteht freilich darin, diesen vernünftigen Maßstab festzulegen.

Es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, ob der neuseeländische Ansatz so erfolgreich sein wird, wie es sich seine Verfechter erhoffen. Sicherlich stellt er keine Patentlösung dar, mit der die Gefahren legaler Drogen ein für alle Mal vom Tisch sind. Im Idealfall kommt es zur strengen Regulierung aller Drogen, sagt Martin. „Wenn jemand etwas nehmen will, könntest du ihn auf die ungefährlichsten Stimulanzien verweisen. Im Moment stehen wir vor einer unregulierten, gesetzlosen Zone—ein Verbot wird keine Abhilfe schaffen.“