BREACHGodbox 12"-EPApocaplexy/SereneAuch an den Anfang dieser Besprechung haben wir ein „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ zu setzen. Ganze zehn Jahre ist es jetzt schon her, dass Breach vermittels dieser Platte zum ersten mal in aller Konsequenz Postcore schwedischer Prägung in heißen Teer tunkten, die Federn durch rostige Nägel ersetzten und sich dann daran machten, mit blutpumpenden Schwänzen den sich in Agonie windenden Golem in vorhandene und nicht vorhandene Löcher zu ficken. Tatsächlich ist das auf Tonträger gebannte Ergebnis bis heute unerreicht und diese Wiederveröffentlichung damit nicht nur nötig, sondern auch längst überfällig.MARCEL PRUSTHANNA HIRSCHGå hem över himlen LPAdagio 830Per Bandnamen werfen Hanna Hirsch groteske Erinnerungen an das schon museumsreife Programm von Otto Waalkes auf und damit auch die Frage, ob Harry Hirsch eigentlich verheiratet war. Ihr Sound ist da bedeutend frischer, wenn auch an Traditionen anknüpfend, die über die Buzzcocks bis zu den etwas schmissigeren Akkorden aus Johnny Cashs Œuvre reichen. Ansonsten ist diese extrem beherzte und unverkennbar schwedische Auslegung von Punkrock natürlich immer noch auf Augenhöhe mit den Landsleuten von Masshysteri.SUSI SORGLOSSCHWARZEspíritus del desierto,yo os invoco LPbluNoiseFlüchtig betrachtet ist das hier ein etwas überfrachteter Gemischtwarenladen, in dem du alles bekommst von Kraftwerk-Bauplänen über Can-nabis und—ist ja gut, wir hören ja schon auf mit den beknackten Wortspielen—einer abgegriffenen Ausgabe vonDas Kapitalund dem, was Gang of Four später daraus gemacht haben. Bei genauerem Hinhören bekommt man dann aber den Eindruck, Schwarz würden mit ihren Instrumenten in der Aula der Frankfurter Schule ein akustisches Improtheater aufführen und, ehrlich gesagt, es auch ein bisschen mit der Angst zu tun.HAX MORKHEIMERUNKNOWNSiegrid Hart/Achim Weich 10"Doum|white|enDie Veröffentlichungen von Doumen Records sind auf dieser Seite schon mit offenen Armen empfangen worden. Das hier nun ist der, wie so oft unter der Voraussetzung tauglichen Materials, fruchtende Versuch, durch Geheimniskrämerei ein Plus an Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wer sich hinter diesen beiden Stücken verbirgt—keine Ahnung. Wir wissen hiernach nur, dass nach der Dekonstruktion von Soul, die sich Dubstep nennt, die Dekonstruktion von Dubstep nicht unbedingt in einem heillosen Durcheinander ausarten muss, sondern unter Umständen auch in einem wärmenden Soundrausch, den man schleunigst auch auf eine Bühne bringen sollte.JAMES BLÖKV.A.Stiff Little Spinners 01 12"AudiolithNachdem Audiolith in den ersten Jahren des Bestehens das Image der trinkfesten Hanse-Rave-Institution pflegte, wurde der Labelsound in letzter Zeit doch spürbar diversifiziert. Dass man dort aber nun mit diesem Producercrew-Projekt auch noch auf den schon abgefahrenen Techhouse-Zug aufspringt, ruft zunächst Skepsis hervor. Unnötig, wie sich schnell herausstellt, denn beinahe alle dieser eher zum Warm-up-Schmachtfetzen als zur Peaktimegranate tendierenden Cuts bewahren sich ausreichend Songwritingvermögen, geistiges Kapital und herzwärmende Deepness, um sich erfreulich vom üblichen, sterilen Ableton-Tetris abzuheben.JAKE BURNSDEADVERSECaution to the WindTake it Back/Adagio 830Es ist dieser Sound, der Ende der 90er Jahre einiges an Kondenswasser an den kahlen Wänden muffiger Kellerverschläge herunter und auch so manche Träne ins Knopfloch gutherziger, glühend fühlender Weltverbesserer rinnen ließ. Es begann mir schwer zu fallen, diese Musik ernst zu nehmen, nachdem ich eine lange Autofahrt lang der Gesellschaft eines Mädchens, das Kirsch-Haarspangen trug und darauf pochte, in Cedric Bixler verliebt zu sein, und auch meinte, das durch die Repeatfunktion an ihrem Tapedeck („In/Casino/Out“) beglaubigen zu müssen, nicht entrinnen konnte. Ich wusste auch damals schon, dass die Musik nichts dafür kann, aber trotzdem. Mittlerweile ist genug Gras darüber gewachsen, um bei einer solchen Platte amüsiert nostalgisch zu werden.KÄPTN EMOFINAL CLUBBlank Entertainment LPAdagio 830Die wichtigsten Teenage-Angst-Alben wurden möglicherweise schon geschrieben und die Aufgabe unserer immer zynischer werdenden Gegenwartsjugendkultur könnte es vielleicht sein, aus Lethargie und besoffenem Tanzen auf dem Drahtseil das vollmundigste Mischverhältnis zu kalibrieren. Aus dem Blickwinkel betrachtet, liegen Final Club mitBlank Entertainmentkaum einholbar vorn. Ihre Ideen sind irre, ihre Melodien griffig und ihre Attitüde tongue in cheek genug, um alle aufleuchtenden Referenzen (Pavement mit Eiern, Les Savy Fav mit einem halben Ei weniger) in die Marginalspalte ihrer eigenen Geschichte zu schieben.ERNEST HEMINGWOWV.A.KR004 12"KeinerechteUnser Leben ist von einem verbissenen Kampf bestimmt. Dem zwischen allumfassender Digitalisierung und prestigeträchtigem Warenfetisch. Die Macher dieses Bootleg-Labels wissen: Der physische Tonträger hängt noch lange nicht in den Seilen. Der Vorgänger dieser Reihe wird zu Unsummen auf Ebay gehandelt, was zugegebenermaßen auch daran liegt, dass die enthaltene Housifizierung einer James-Blake-Schnulze exakt den Zeitgeist traf. In die hiermit nachgelegten Edits von Electric-Wire-Hustle- und UB40-Stücken zu investieren, wird vielleicht nicht daran anknüpfen, dürfte aber mindestens so renditesicher sein wie ein Goldankauf.ANJA KOHL
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