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Hanging out with … Rodney Mullen

Mit Skateboard-Legende Rodney Mullen abzuhängen, fühlt sich an, wie mit Paris Hilton herumzulaufen, nur, dass die Leute ihn tatsächlich mögen.

Mit Rodney Mullen über die Bright zu schlendern, fühlt sich ein wenig an, wie mit Paris Hilton herumzulaufen, nur mit dem Unterschied, dass die ganzen Leute, die mit ihm fotografiert werden wollen, ihn tatsächlich mögen, was wiederum Sinn macht, wenn man bedenkt, was er alles für das Skateboarden getan hat. Der Erfinder des Ollie und Teil der legendären Bones Brigade hat den, sagen wir mal, emotionalsten Part in Stacy Peraltas Doku Bones Brigade – An Autobiography—der wahrscheinlich dichtesten Ansammlung von Männertränen und epic Skateboarding, die ihr jemals zu sehen bekommen werdet. Wir haben uns mit Rodney vorm Bones Brigade Screening unterhalten, das gestern netterweise im Kino des alten Stasi-Hauptquartiers auf der Bright von Vans präsentiert wurde. Wir wollten herausfinden, wie er damit klarkommt, den 4. Juli nicht zu Hause zu verbringen—mit ordentlich Feuerwerk, kleinen bis mittelgroßen Schusswaffen und noch mehr Alkohol, wie es sich für einen guten Amerikaner eben so gehört.

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VICE: Hi Rodney, wie fühlt es sich an, am 4. Juli in Berlin zu sein statt zu Hause?
Rodney Mullen: Auf eine gewisse Art und Weise ist das vielleicht besser … ich habe wirklich gute Freunde beim Militär und denen bringt mich das noch näher. Es sind SEALS und es ist lustig, dass du das fragst, ich habe ihnen eben gerade deswegen SMS geschrieben. Wenn man getrennt ist, schätzt man Dinge manchmal umso mehr.

Skateboarder und das Militär, sind das nicht zwei komplett gegensätzliche Welten?
Diese Typen … Also das ist lustig, weil einer von denen genau das gleiche zu mir meinte und dann sagte, dass sie eigentlich auch nicht wirklich zum Militär gehören, sondern eher eine kleine autonome Gruppe sind, die ihr Ding macht. Sowas wie eine Gegenkultur innerhalb des Militärs. Diese Typen haben etwas, das mich wahnsinnig inspiriert, da gibt es etwas Ähnliches. Das macht natürlich irgendwie Sinn, dass euch das verbindet. Die Leute hier sind eben alle total durchgedreht und wollten alle Bilder mit dir haben, passiert dir das immer, wenn du verreist?
Ich denke, gerade weil es so eine enge Gemeinschaft ist und du sie durch die verschiedenen kulturellen Linsen gefiltert betrachtest, verstärkt das auf eine merkwürdige Art und Weise nur noch, wie eng wir wirklich miteinander verbunden sind. Manchmal musst du die Unterschiede wahrnehmen, um die Gemeinsamkeiten zu sehen.

Aww, das ist irgendwie poetisch. Weißt du, manchmal kommt es mir wie ein Widerspruch in sich vor, dass die Typen aus der Bones Brigade offensichtlich die Core-Leute sind und es diese Authentizität heute kaum noch gibt und gleichzeitig diejenigen, die auch vom Mainstream am meisten wahrgenommen werden …
Wenn eine kleine Community im großen Stil nach außen promotet wird, dann verliert sie dadurch natürlich viel, gerade in der Wahrnehmung. Auf einmal sieht dich die ganze Welt an und sie kennen dich nur durch diesen Film oder sowas und das ist natürlich merkwürdig, weil es all diese Leute anzieht, die eine ganz andere Wahrnehmung haben, wenn sie dich anschauen. Ich sehe das heute mehr als jemals zuvor, dass Dinge auseinander driften, aber genau die gleiche Core-Community wird es so weiterhin immer geben. Und in dieser Community bist du derjenige, der ungefähr ein paar Millionen bahnbrechender Tricks erfunden hat, denkst du nicht, dass das Skateboarden irgendwann demnächst durch ist, weil es alles schon mal gab?
Was man in der Doku sehen kann, ist, dass ich großes Glück hatte—also wir alle, aber vor allem ich, weil ich für die Tricks bekannt bin—, dass es damals diese weiße Leinwand gab, die mir ermöglichte, viel Zeug zu machen, das dann zum Standard wurde, und dafür bekomme ich eine Menge Credit. Aber das finde ich auch schwierig, weil ich nicht denke, dass ich das so verdiene. Heute ist Skateboarden so weitläufig und so viele talentierte Leute pushen es in unterschiedliche Richtungen, dass es mehr Wege gibt, das alles unterschiedlich zu kombinieren, als ich es mir jemals erträumt hätte. Nein, ich denke, die Kids heute haben viel mehr Möglichkeiten auszuwählen und sich selbst auszudrücken. Sie haben ein viel größeres Vokabular, ein viel dickeres Lexikon, um sich auszudrücken. So gesehen ist das Gegenteil der Fall.

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Aber meinst du nicht, dass das vielen auch irgendwie Angst macht, diese schier unendlichen Möglichkeiten?
Wenn ich heute Anfangen würde, hätte ich Scheißangst. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte, weil jeder so gut ist und solche verrückten Sachen macht, von denen ich weiß, dass ich sie nicht machen kann. Das ist natürlich einschüchternd. Klar. Aber lass uns doch jetzt mal über den Film reden. War das so eine Art Reunion für euch oder hattet ihr die ganzen Jahre über sowieso ständig Kontakt?
Unser Kontakt geht viel tiefer, als es uns allen bewusst war. Ich denke, das kam durch Stacy zustande—also nicht wegen dem, was er gefragt hat, sondern dem, wer er war … und ist. Wir haben viele Dinge entdeckt, von denen wir nicht wussten, dass sie da sind. Bei uns allen. Ich habe Dinge über Lance erfahren, von denen ich keine Ahnung hatte. Und das verändert die Dinge natürlich. Es ist gut, es bringt uns alle noch näher zusammen. Ich hatte einige der Jungs seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen, ich hatte auch ungefähr so lange nicht mehr mit Stacy geredet. Also war es eine wirklich unglaubliche, gute Erfahrung. War es sehr emotional?
Der Film ist es. Wenn wir uns sehen, dann nicht. Wir hängen einfach ab wie immer. Aber besser als früher, weil ich war damals dieses schüchterne, verrückte Kind, das nicht so recht wusste, wie man mit anderen Leuten umgeht. Ich war sehr still. Und heute, wo ich das hinter mir gelassen habe, kann ich noch viel mehr aus meinen Freundschaften machen als damals.

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Wie haben sich die anderen so verändert?
Wir sind immer noch ziemlich genau die gleichen Typen. Als ich jünger war, sah ich alles durch eine andere Linse und die verändert sich mit der Zeit natürlich, nichts ist statisch, es ist also schwer zu sagen, weil wir uns alle weiter entwickeln, also wirkt es im Verhältnis gleich. OK, jetzt muss ich leider kurz etwas abschweifen, aber ich wollte dich schon die ganze Zeit unbedingt fragen, wer dein Lieblingsautor ist.
Ich mag die Klassiker, viel Dostojewski und Kafka und diese Typen. Sie sind mir heute immer noch sehr präsent. In Kafkas Das Schloss sehe ich eine Analogie zu meiner Skateboard-Karriere. Die Dinge, die der Protagonist erreichen will, werden zu einer lebensbedrohlichen Bürde, die ihn verrückt macht. Er wäre viel besser dran ohne das alles. Und so empfand ich es damals, diese ganzen Contests zu gewinnen. Als es beim Skateboarden auf einmal nur noch ums Gewinnen ging, verlor ich viel von meiner Freude daran. Alles, was ich tat, war zu versuchen nicht zu verlieren. Ich konnte nicht mehr aufhören. Du kannst nicht einfach weggehen. Das geht nicht. Und der Grund, warum ich das Skateboarden liebte, war, dass ich nicht bewertet werde und dann hatte ich auf einmal etwas erreicht, das mich wiederum der Bewertung aussetzte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Von Punktrichtern, mit einer Zahl neben meinem Namen. Wie auch immer, ich liebe Kafka. Aber als Skateboarden und Freestyle damals auf einmal tot waren, war das eins der besten Dinge, die mir jemals passiert sind. Weil es selbst kollabierte, musste ich nichts zerstören oder weglaufen und das ist deine einzige Chance, weil du nicht einfach abhauen kannst.

Ich hoffe du nimmst mir die Frage nicht übel, aber was ist die Geschichte hinter deinem Zahn, der sieht wirklich verdammt gut aus.
Oh danke. Mein Vater war Arzt, Zahnarzt und er wollte mir nicht erlauben zu Skateboarden, weil „man sich verletzt und dann als Penner endet“. Damals war ich zehn. Als ich dann elf oder zwölf war, schlug ich mir beim Skaten den Zahn aus. Er war noch locker drin, aber starb dann schnell ab und wurde schwarz. Jedenfalls rief ich ihn vom Skatepark aus an und weinte, ich hatte so eine Angst, dass er mir das Skaten verbieten würde. Es blutet echt übel, wenn du dich am Kopf verletzt, macht ja auch Sinn, dein Gehirn ist dort. Er sah mich an, er war dieser toughe alte Mann und sagte: „Warum heulst du?“ „Ich heule, weil ich Angst habe, dass du mich zum Aufhören zwingst“ Dann sah er mich ganz lange an, ohne etwas zu sagen und meinte dann: „OK, lassen wir’s richten. Du musst nicht aufhören.“ Also richteten sie es, aber es war klar, dass ich den Zahn irgendwann durch ein Implantat ersetzen lassen müsste, wo sie dir den Kiefer aufbohren und etwas einsetzen. Das passierte dann vor ein paar Jahren, ich musste in diesem Institut eine Rede halten, so richtig mit Krawatte und dem ganzen Scheiß und als ich fertig war, biss ich in ein Stück Brot und der Zahn fiel raus. Ich musste so lachen, weil ich eben noch vor diesen geschniegelten Wissenschaftlertypen stand und auf einmal wie ein totaler Vollidiot mit Zahnlücke dastand. Dann hatte ich acht Monate eine Zahnlücke, weil es erst mal abheilen musste und ich gewöhnte mich daran. Ich liebte es, weißt du, die wie Leute dich dann behandeln. Es erinnert mich daran, wer ich … na ja, dieses kleine Ding hat irgendwie damals schon den ganzen Rest meines Leben definiert und ich dachte, man, ich will den Zahn gar nicht mehr haben, als er dann fertig war … Ich dachte, OK, einen Goldzahn kann ich nicht bringen, weil ich nicht schwarz bin, aber wie wär’s mit Edelstahl? Also brachte ich diesen Löffel mit zu meinem Zahnarzt und steckte ihn in die Lücke und meinte, „Hey Doc, was hältst du davon? Kriegst du das hin? Du weißt schon, Edelstahl?“ Und er fragte: „Bist du dir sicher?“ „Verdammt, ja!“ Hey, willst du den Rest von meinem Bier? Ich will noch skaten gehen. Äh, klar. Danke.

Fotos: Grey Hutton