Tätowierer erzählen uns von den schlimmsten Tattoo-Motiven, die sich Kunden wünschen

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Tätowierer erzählen uns von den schlimmsten Tattoo-Motiven, die sich Kunden wünschen

"Uhren in Augen, Uhren in Rosen, Uhren in größeren Uhren—das Ganze ist total aus dem Ruder gelaufen."

Kein schlechtes, sondern ein gutes Tattoo | Foto: bereitgestellt von Tota Volpe-Landi

Fast hätte auch ich mir mal ein beschissenes Tattoo stechen lassen: Ich gab einem Typen ein bisschen Kohle, damit er mir ein Stacheldraht-Motiv für meinen Oberschenkel zeichnet. Dann habe ich zum Glück aber doch noch einen Rückzieher gemacht, weil mir klar wurde, dass ich mit dieser Tätowierung nicht mehr ins Schwimmbad gehen könnte, ohne abfällige Blicke auf mich zu ziehen. Falls dein Körper irgendwo mit einem Stacheldraht-Tattoo verziert sein sollte, dann tut mir das jetzt leid.

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Was auch immer die Umstände sein mögen, es gibt auf jeden Fall einen ganzen Haufen Menschen da draußen, die richtig beschissene Tattoos ihr Eigen nennen. Sobald die Sonne rauskommt, bekommen wir sofort die üblichen Motive zu sehen: Schmetterlinge, Rosen, Fußballteam-Logos oder der eigene Name in irgendeiner schlimmen, „künstlerischen" Schrift. Heutzutage sind die meisten dieser Tätowierungen jedoch ziemlich altbacken und es gibt inzwischen ganz neue Anwärter auf den Titel „Ausgelutschtestes Motiv aller Zeiten".

Um herauszufinden, welche fragwürdigen Tattoos derzeit total im Trend liegen, habe ich mich mit einigen professionellen (und auch wirklich talentierten) Tätowierern unterhalten.

(Kurze Anmerkung: Die Fotos in diesem Artikel zeigen keine schlechten Tätowierungen, sondern eher das genaue Gegenteil, denn sie stammen von den Künstlern, die ich interviewt habe. Irgendwie ist es nämlich ziemlich schwierig, Bilder von beschissenen Tattoos zugeschickt zu bekommen, wenn man diese bei der Anfrage explizit als beschissen bezeichnet.)

Foto: bereitgestellt von Ryan Sean Kelly

Ryan Sean Kelly, The Ink Factory, Dublin

VICE: Hey Ryan. Welches der von dir gestochenen Tattoos gefällt dir am besten?
Ryan Sean Kelly: Das war ein ziemlich einfaches Motiv. Vor Kurzem sammelten wir im Zuge des Welt-Autismus-Tages Geld für die Stiftung Irish Autism Action. Dabei habe ich auch meiner Schwester ein Puzzlestück, also das offizielle Autismus-Zeichen, tätowiert, während mein kleiner Neffe, der an Autismus leidet, zugesehen hat. Er war die ganze Zeit total begeistert, was ich richtig toll fand.

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Und was war das schlimmste Tattoo, das du jemals gestochen hast?
Ein Typ ist mal hier reinspaziert und wollte den Namen „Vanessa" über seine ganze Brust tätowiert haben. Ich hatte schon ungefähr die Hälfte geschafft, als ich ihn fragte, ob Vanessa seine Freundin oder seine Mutter wäre. Daraufhin meinte er, dass das der Name seiner Ex-Freundin sei. Mithilfe des Tattoos wollte er sie anscheinend zurückgewinnen. Hätte ich das vorher gewusst, wäre es nie zu dem Tattoo gekommen. Ich muss hier wohl auch kaum erwähnen, dass der Typ sechs Monate später immer noch Single war.

Welche Motive sind denn derzeit total angesagt?
Irgendwie scheinen die Leute gerade wie besessen von Pfeilen zu sein. Die habe ich jetzt schon ziemlich oft gesehen und hier im Laden werden wir ständig danach gefragt.

Sonst noch irgendwas?
Ja. Da wir in Dublin ansässig sind, bedeutet das natürlich auch, dass sich unsere Kunden ständig Shamrocks tätowieren lassen wollen. Inzwischen habe ich bestimmt schon eine Million Motive davon gezeichnet. Meistens sind das aber irgendwelche Touristen, die das nur zum Spaß machen.

Foto: bereitgestellt von Tota Volpe-Landi

Tota Volpe-Landi, Happy Sailor Tattoo, London

VICE: Hast du in letzter Zeit ein cooles Tattoo gestochen?
Tota Volpe-Landi: Ja, ein Cover-up für einen Freund. Das Ganze war ein farbloses Dot-Work-Motiv mit Freimaurer- und Illuminaten-Symbolen sowie einer großen Motte in der Mitte. Ich stehe total auf Geometrie und Alchemie—deswegen hat mir das auch so viel Spaß gemacht.

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Und war auch was richtig Schlimmes dabei?
Eine Kundin wollte unbedingt einen kleinen Engel mit pinken Flügeln auf der Innenseite ihres Handgelenks. Total kitschig.

Welche Tattoo-Trends kannst du derzeit beobachten?
Unendlichkeitssymbole sind die neuen Sterne! Außerdem lassen sich viele junge Frauen kleine Pfeile stechen—normalerweise auf die Rippen. Sie kommen häufig in den Laden und haben ein Bild von dem kleinen Pfeil dabei, den sie haben wollen. Dieses Bild stammt dabei immer von der gleichen Website. Solche Tattoos lasse ich normalerweise einen meiner Kollegen machen. Also an sich habe ich da nichts dagegen, aber wenn man wirklich ein Tattoo haben will, das etwas über einen aussagen soll, warum dann gerade ein Unendlichkeitssymbol? Die meisten Wissenschaftler können sich die Unendlichkeit nicht vorstellen, also sind die jungen Frauen dazu schon gleich dreimal nicht in der Lage. Moment, du hast aber kein Unendlichkeits-Tattoo, oder?

Auch Taschenuhren scheinen im Vereinigten Königreich gerade sehr beliebt zu sein. Foto: bereitgestellt von Tota Volpe-Landi

Nein, habe ich nicht. Was für junge Frauen sind das, die sich ein Unendlichkeitssymbol tätowieren lassen?
Die kommen immer in großen Gruppen in den Laden und wollen alle das Gleiche. Ich frage sie dann immer, warum es denn keine unterschiedlichen Motive sein sollen. Meistens werde ich dann angeschaut, als wolle ich ihnen Drogen verticken oder so.

Und wie sieht es bei den Jungs aus?
Das Motiv einer Taschenuhr mit zwei Rosen auf jeder Seite scheint gerade total in zu sein. Vor ein paar Jahren waren Eulen total gefragt.

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Warum wollen alle das gleiche Motiv?
Das liegt an dieser ganzen Celebrity-Kultur. Es gab eine Zeit, da wollte jeder einen Anker, wie ihn Kate Moss hat. Oder als Rihanna sich damals den Rosenkranz inklusive Kreuz auf ihren Fuß stechen ließ … Allgemein lässt sich sagen: Wenn ein Star sich ein bestimmtes Motiv tätowieren lässt, dann wird dieses Motiv eine Weile voll im Trend liegen.

Foto: bereitgestellt von Craig Hicks

Craig Hicks, 72 Tattoo, Manchester

VICE: Welches Tattoo, das du gestochen hast, hat die meiste Bedeutung?
Craig Hicks: Ich habe mal eine Frau tätowiert, die ein Kind verloren hatte. Eigentlich haben wir da gar nicht wirklich viel drüber geredet, denn manchmal muss man nicht alle Details kennen. Das Tattoo deckt Narben auf ihrem Bauch an und hat für sie eine große familiäre Bedeutung. Für mich war es auch eine ganz schöne Herausforderung, an dieser Stelle eine weichgezeichnete und farblose Tätowierung zu stechen.

Und was war das dümmste Motiv, das einer deiner Kunden je haben wollte?
Einmal kam ein Typ in den Laden und wollte, dass wir ihm „666" auf den Hinterkopf tätowieren. Das wäre übrigens auch sein erstes Tattoo überhaupt gewesen. Natürlich haben wir ihm den Vogel gezeigt und dann kamen ihm stattdessen plötzlich diese O-Ton „Rosmarin-Kränze" in den Sinn. Wir waren uns nicht ganz sicher, ob er jetzt das religiöses Motiv oder ein Motiv aus der Kräuterkunde meinte. So etwas ist aber ein tolles Beispiel für die Leute, die einfach nur eine Tätowierung wollen, um damit anzugeben—das Motiv ist dabei scheißegal.

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Gab es noch andere außergewöhnliche Anfragen?
Einmal ist jemand mit 20 Pfund in der Tasche angekommen und hat gefragt, welches Tattoo wir ihm für diese Summe stechen könnten. Wir meinten dann nur scherzhaft: „Also eine Tätowierung bekommst du dafür nicht, aber wir können dir stattdessen viermal die Ohren piercen!" Dieses Angebot hat der Typ dann auch direkt angenommen. Ich schätze, er wollte die 20 Pfund wohl unbedingt loswerden.

Die Geschichte hinter dem Gesichtstattoo der Pentatones-Sängerin

Gibt es ein Motiv, das für dich total unangenehm ist?
Auf jeden Fall. Hier kommen oft Pärchen vorbei, die sich gegenseitig dazu bringen wollen, sich ihre Namen tätowieren zu lassen. Dann fallen auch schon mal Sätze wie „Warum willst du dir meinen Namen nicht stechen lassen? Liebst du mich etwa nicht?" Und das ist dann für alle Anwesenden richtig peinlich und unangenehm.

Was ist derzeit voll angesagt?
Uhren, Taschenuhren und noch mehr Uhren. Meistens sind die Kunden irgendwelche Typen Mitte 20. Ich wette, dass in ganz England pro Woche mindestens hundert Uhren gestochen werden. Viele Tätowierer bauen sie schon gar nicht mehr in ihr Portfolio ein, weil sie die Schnauze voll davon haben. Oftmals ist das auch ein richtig kompliziertes Motiv, an dem man bis zu sieben Stunden sitzt. Wenn man dann pro Woche drei Uhren stechen soll, kann das einen schon in den Wahnsinn treiben.

Klingt so, als hättest auch du die Nase voll von Uhren.
Das kannst du laut sagen. Uhren in Augen, Uhren in Rosen, Uhren in größeren Uhren—das Ganze ist total aus dem Ruder gelaufen.

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Foto: bereitgestellt von Cian Thomas Feasey

Cian Thomas Feasey, Barber Ink, Swansea

VICE: Welche deiner Arbeiten hat für dich eine bestimmte Bedeutung?
Cian Thomas Feasey: Einmal kam eine Gruppe junger Männer ins Studio, die alle das Superman-Logo auf die linke Arschbacke tätowiert haben wollten. Wie sich herausstellte, ist ihr bester Kumpel bei einem Autounfall ums Leben gekommen und sie mussten die Leiche anhand des Superman-Tattoos auf der linken Arschbacke identifizieren. Also habe ich acht Typen das Superman-Logo gestochen. Mann, das waren echt viele Ärsche.

Welche Motive stichst du am liebsten?
Ich stehe auf Zeug, das mich technisch richtig herausfordert. Ein Kunde ließ sich zum Beispiel mal eine ganze Reihe Marvel-Superhelden tätowieren. Ich bin selbst ein ziemlicher Superhelden-Nerd und deshalb hatte ich richtig Spaß dabei, alle Details richtig hinzukriegen—zum Beispiel den Glanz von Captain Americas Rüstung und so weiter.

Wie sieht es mit beschissenen Tattoo-Wünschen aus?
Viele Leute wollen ein Kamel auf der Zehe, einen Schnurrbart auf die Innenseite des Fingers oder ein W mit einem Anker darunter. Da fällt es mir schwer, kreativ zu werden. [lacht]

Welches Motiv wird wohl niemals wieder in der Versenkung verschwinden?
Taschenuhren. Viele Kunden lassen uns da dann noch das Geburtsdatum ihrer Kinder mit einbauen—an sich ja keine schlechte Idee, aber trotzdem eben ziemlich ausgelutscht.

Gab es auch schon mal richtig krasse Anfragen?
Ja, dieser eine Typ will ständig, dass ich ihm ein Porträt von Hitler steche. Er ist kein Rassist, sondern will nur auffallen. Bei mir hat er allerdings keine Chance.

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Foto: bereitgestellt von Gary Bunton

Gary Bunton, Ecletic Ink, Glasgow

VICE: Mit welchem Motiv hattest du am meisten Spaß?
Gary Bunton: Das war wohl das anatomische Herz, das ich vor Kurzem gestochen habe. Die Herausforderung dabei waren die vielen dünnen Linien, das hat mir getaugt.

Was sind bei euch die schlimmsten Anfragen?
Da wir uns hier in Glasgow befinden, spielt diese ganze Rivalität zwischen den hier ansässigen Fußballvereinen natürlich eine große Rolle. Wenn ein Kunde irgendetwas Religiöses haben will, schicken wir ihn meistens wieder weg. Außerdem sollte man sich auf die Swastika-Leute lieber gar nicht erst einlassen.

Wieso nicht?
Das sind immer irgendwelche Skinheads, die sich ein Hakenkreuz stechen lassen wollen. So etwas würden wir hier jedoch nie machen. Die Typen kommen aber alle paar Monate zurück, um zu fragen, ob wir unsere Meinung inzwischen geändert hätten.

Kranker Scheiß aus dem Leben eines Tätowierers

Welche Tattoo-Motive liegen derzeit voll im Trend?
Zur Zeit kommen ständig Leute her, um sich ein Mandala tätowieren zu lassen. Außerdem scheinen diese Wasserfarben-Tattoos unglaublich beliebt zu sein.

Warum lassen sich die Leute deiner Meinung nach das gleiche Motiv stechen?
Das liegt nur an Instagram und Pinterest. Wenn man sich auf diesen Plattformen umschaut, sieht man immer nur die gleichen Tattoos: Unendlichkeitssymbole und diese verdammten Semikolons. Das Ganze ist in unserem Handwerk schon fast zu so etwas wie einem Witz verkommen.