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Die CDU und ihr „christliches Netzwerk“

Auf Twitter wurde gelacht und im Allgemeinen machten sich alle, über die Antwort der CDU auf die Piratenpartei lustig.

Auf Twitter wurde gelacht, der Stern bezeichnete sie als „Merkels Möchtegern-Piraten“ und im Allgemeinen machten sich alle über den ungünstig gewählten Namen des „christlichen Netzwerkes“ lustig: C-NETZ, ein Begriff, der zuletzt im Bezug auf eine veraltete, analoge Handynetz-Technologie benutzt worden war. Ich wollte nicht sofort auf den üblichen Shitstorm-Bandwagon aufspringen, der im Internet sofort losrattert, wenn in China mal zur Abwechslung ein Sack Reis umfällt. Deshalb fragte ich einfach mal bei den Verantwortlichen nach, wohin die Zukunft der Christlich Demokratischen Union führen wird, jetzt, wo sie doch das Internet für sich entdeckt hat. VICE im Gespräch mit Gründungsmitglied und Vorstand von C-NETZ, Thomas Jarzombek. VICE: Glauben Sie, die CDU hat in Sachen Internet bisher geschlafen?
Thomas Jarzombek: Wenn man jetzt böse formulieren würde, dann könnte man sich wünschen, dass der eine oder andere Kollege lieber geschlafen hätte, anstatt sich zu äußern. Natürlich haben wir, was positive Positionen betrifft, noch Aufholbedarf und dafür wollen wir jetzt auch arbeiten. Werden andere Parteien bei dem Thema Internet jetzt auch nachziehen: Die SPD, die Grünen, die FDP, falls es die noch gibt?
Zumindest bei uns und den Sozialdemokraten ist die Situation relativ ähnlich. Wir sind große Volksparteien und es wird zu allen möglichen Themen immer unterschiedliche Meinungsrichtungen gegeben. In der CDU gab es immer einen starken Wirtschaftsflügel und einen starken Flügel der Sozialausschüsse und bei allen Positionen von wirtschaftlichen Fragen hat man immer miteinander gerungen und am Ende immer einen guten Ausgleich gefunden, der für alle tragbar war. In der Netzpolitik ist das ziemlich ähnlich. Wir sind die Netz-Befürworter, die das positiv sehen, die mehr Chancen als Risiken im Internet sehen. Natürlich gibt's in der CDU auch eine ganze Menge Innen- und Rechtspolitiker, die beim Internet an Risiken denken. In den kleinen Parteien sieht das ganz anders aus. Es gibt jetzt auch neue, kleine, emporkommende Parteien, wie etwa die Piratenpartei. Fühlen Sie sich durch die Piraten bedroht? Ist C-NETZ die Reaktion auf deren Erfolg?
C-NETZ ist eigentlich eine Reaktion auf die eigene Partei. Es gibt dort eine Menge Leute, die sich schon seit vielen Jahren für Netzpolitik interessieren und positive Aspekte sehen. Natürlich haben die Piraten dazu beigetragen, dass das Thema Internetpolitik von allen ernster genommen wird. Wenn man sich die Piraten anschaut, ist es bei den letzten Wahlen so gewesen, dass sie der CDU nicht besonders viele Stimmen abgenommen haben. Insofern sind die Piraten eine ganz interessante Bereicherung des Parteienspektrums. Sie empfinden die Piratenpartei als Bereicherung. Halten Sie also eine Koalition mit der Piratenpartei bei der nächsten Bundestagswahl für möglich?
Ich hab den Eindruck, die Piratenpartei hält selbst eine Koalition mit niemandem für möglich, weil sie bei vielen Themen noch keine abgeschlossene Meinungsbildung hat. Wenn man sich die Berliner Wahl anschaut, dann haben die Piraten auch sehr deutlich erklärt, dass sie noch keine Meinung zu allen Politikfeldern gebildet haben. Insofern glaube ich, dass die Piraten gar nicht wollen, dass jemand mit ihnen koaliert. Aber „on the long term“, wer weiß. Man stellt ja auch fest, dass es da ganz gute Leute gibt. Es gibt natürlich auch ziemlich skurrile Gestallten. Ich bin mal gespannt, wohin sich die Piraten entwickeln. Das Copyright ist durch das Internet in arge Bedrängnis geraten, wie sollte die Politik nach ihrer Ansicht auf diese veränderten Verbreitungsmethoden reagieren?
Die Frage ist, ob sich tatsächlich alles verändert hat. Wenn man sich die Erlöse in den verschiedenen Rechteindustrien ansieht, dann hab ich gar nicht den Eindruck, dass Raubkopien alles so massiv verändert haben. Kopiert wurde immer, früher war es auf Leerkassetten und aus dem Radio oder von Platten. An mancher Stelle muss man auch die Kirche im Dorf lassen. Wir haben das Ziel, das ganze Abmahnthema auf eine nachvollziehbare Größenordnung herunterzusetzen. Die erste Abmahnung darf nicht mehr als 100 € kosten. Es kann auch nicht richtig sein, dass man fürs Runterladen von Songs im Internet härter bestraft wird, als wenn man eine CD im Laden klaut. Es wird natürlich nie unsere Position sein zu sagen, wir verzichten auf jegliche Urheberrechte und jeder darf alles kopieren. Das wäre auch falsch. Das würde nicht für Freiheit sorgen, sondern im Gegenteil, das würde vielen Menschen, die heute frei sind, bestimmte Werke zu erstellen, diese Freiheit nehmen und abhängig machen von Zuschüssen des Staates. So etwas hatten wir im Mittelalter, das wollen wir nicht wieder. Vor allem hat sich ja die Schaffenskultur im Internet verändert, es hat sich eine Remix-Kultur entwickelt. Sachen, die dem Copyright unterliegen, werden immer wieder von neuen Menschen aufgegriffen und weiter verarbeitet. Neues wird geschaffen, indem Altes wiederverwendet wird. Dieses Remixen ist nach deutschem Recht sehr problematisch. Muss sich da das Internet dem Copyright anpassen oder muss sich da das Copyright dem Internet anpassen?
Der Großteil der Urheberdebatte dreht sich ja um die Frage, Inhalte 1:1 zu vervielfältigen. Remixen gibt es ja im kommerziellen Bereich schon lange, mit Genehmigung des entsprechenden Autors. Jeder, der ein eigenes Werk schafft, muss das Recht haben, selber zu bestimmen, was damit passieren darf. Heute verkaufen doch die Autoren ihre Rechte an große Firmen und haben eigentlich keine Kontrolle mehr über ihre Werke. Statt den Autoren mehr Rechte zuzusprechen, scheint man heute vor allem die Rechte der Content-Industrie zu erweitern.
Zunächst einmal hat man Vertragsfreiheit. Der Autor hat das Recht zu bestimmen, zu welchem Verlag oder welcher Plattenfirma er geht und welche Rechte er diesen einräumt. Es besteht aber die Frage, ob er seine Vertragsfreiheit nicht ausüben kann, weil er faktisch dazu gezwungen wird. Ob das System faktisch von Monopolsituationen ausgehöhlt wird, ist ein Punkt, den ich sehr interessant finde zu untersuchen. Würden Sie sagen, während die Piratenpartei noch bei Außenpolitik lernen muss, muss die CDU noch bei solchen Sachen lernen?
Nein, da müssen wir uns alle weiterentwickeln und da haben die Piraten auch keinen klugen Vorschlag. Zu sagen, jeder kann alles kopieren, kann auch keine Lösung sein. Scheinbar müssen die Piraten da auch lernen. Kann man den Internetanschluss von Straffälligen einfach abschalten oder verlangsamen, so wie es die Musik- und Filmindustrie fordert?
Unser Verein selbst hat ja noch keine inhaltlichen Beschlüsse gefasst, an dieser Stelle betreten wir jetzt etabliertes Terrain der Piraten. Für mich, und ich glaube, das spiegelt auch die Meinung fast aller im Verein wieder, ist es ganz klar: Es darf 1. keine Netzsperren geben. Es darf 2. keine staatlich verordnete Paketinspektion geben. Und 3. ist es wichtig, dass wir ein Grundrecht auf Internet einführen. Das bedeutet auch, dass man niemandem das Internet kappt wegen irgendwelcher Urheberrechtsverstöße. Insbesondere nicht durch private Stellen. Sie würden also auch ihrer Parteikollegin Ursula von der Leyen, auch als Zensursula bekannt, da ganz klar widersprechen?
Ja. Hab ich immer. Ich glaube, dass Netzsperren kein richtiges Instrument sind. Ist das Internet also ein Menschenrecht?
Ja. Was halten Sie von der Digitalen Demokratie? Was halten Sie von Bürgerbeteiligung durch das Internet bei politischer Entscheidungsfindung?
Da halte ich viel davon. Wenngleich ich allerdings nicht glaube, dass es das Parlament ersetzten kann. Ich hab gestern Marina Weisband (Anm. d. Red. die Geschäftsführerin der Piratenpartei) im Fernsehen gesehen, die sagte, irgendwann gäbe es die Utopie, dass es das Parlament ersetzten würde. Das halte ich für gefährlich. Mit Schwarmintelligenz kann man viel lernen und wir müssen viel mehr Menschen an Politik beteiligen als bisher. Am Ende müssen aber auch Politiker und Parlamente da sein, um manchmal mutige Entscheidungen zu treffen. Man kann nicht 100% aller Entscheidungen der Schwarmintelligenz überlassen. Gibt es weitere neue Ansätze für die Digitale Demokratie bei der CDU?
Wir wollen Liquid Feedback auch bei uns einführen. Wir wollen das ganz gezielt mal ausprobieren.

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