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Nerd meets VICE

Michael Bay hat eine Spezialität: Er zerstört einfach alles. Gebäude, Autos, Roboter und deine Kindheitsträume.

Michael Bay hat eine Spezialität: Er zerstört einfach alles. Gebäude, Autos, Roboter und deinen Kindheitstraum. Das bekannteste Verbrechen, das ihm als dreifachen Serientäter angelastet werden kann, ist die Kinoadaption von Transformers. Dort ergoss sich nicht nur ein orgiastisches Explosionsfeuerwerk über den leidigen Kinobesucher. Nicht einmal vor den Pyramiden machte Bays Vorliebe für wackelige Handheld-Kameras und sein Drang, alles in die Luft zu sprengen, halt. Bay hat diese neue Art des Kinos sicherlich nicht begründet, hat sich aber zum Meister eines ganzen Genres aufgeschwungen. Das ist die traurige Wahrheit des cineastischen Kapitalismus, dem Legionen von Kinogängern Untertan sind. Ich möchte das neue Genre des „Zerstörungsfilms“ als eine Reihe symphonisch angeordneter Explosionswellen und Reihen beschreiben, die durch halbnackte Frauenkörper–vorzugsweise Megan Fox–und unnötige Dialogzeilen in verschiedene Akte eingeteilt werden. Die Charaktere sind eindimensional, irrelevant und gutaussehend. Die Story entweder nicht vorhanden oder selbst mein fünfjähriger Bruder kann Löcher von der Größe eines mittleren Elefanten hineinstechen, indem er die wichtigste der klassischen W-Fragen stellt: WTF? Design-Student Jeffrey Frankenhauser bereitete die durch empirische Inhaltsanalyse–auf Gutdeutsch „zählen“–entstandenen Fakten des Bloggers Kyle in grafischer Form auf. „Nach ausgiebigem Betrachten von Michael Bays Filmografie stellte ich fest, dass seine Filme voller Explosionen und Tod sind“, erklärt Frankenhauser auf seiner Website. Die meisten Kinogänger hätten es bei dieser Feststellung belassen, doch weil man in Portland an der Uni als Design-Student scheinbar sogar Credit Points dafür bekommt, dass man sich am Montagmorgen zum Ausnüchtern den übers uniinterne Netzwerk gezogenen Bad Boys II anschaut, anstatt in die Vorlesung zu gehen, fertigte Jeffrey eine allumfassende Infografik) an.

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Beide, Jeffrey und Kyle, kamen zur selben erschreckenden Erkenntnis. Das einzige, was ein Film braucht, um beim Box-Office-Start erfolgreich zu sein, ist: jede Menge Explosionen. Wie ein hirnloser Sklave läuft der unmündige Kinobesucher in ein wahlloses Actiongemetzel nach dem anderen. Ihre Analyse deckte auf, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Explosionen und der Beliebtheit beim Kinopublikum zu geben scheint. Nicht umsonst war der erfolgreichste Titel von Universal 2012 Fast & Furious Five und nicht die nerdige Underdogcomicverfilmung Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt. Dass sich Bay also nach seinem Ausrutscher Die Insel dafür entschied, mehr Screentime mit Explosionen zu füllen, scheint da nur die logisch kapitalistische Folge. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass die Transformer im gleichnamigen Film eigentlich die Nebencharaktere sind. Dennoch spülten die drei Transformers-Filme mehr Geld in die Kinokassen als Bays sechs vorherige Filme zusammen. Als Folge des Hollywood-Erfolgsrezeptes zerstörte Bay dabei nicht nur noch mehr Scheiß als zuvor, sondern auch die nostalgischen Kindheitserinnerungen von Transformers-Fans. Michael Bay ist nichts heilig und er hat scheinbar noch einiges vor. Sein nächstes Opfer für den Kreuzzug seiner Zerstörungswut hat er bereits auserkoren: Die Teenage Mutant Ninja Turtles. Wer von uns erinnert sich nicht an diese freundlichen Racker aus unserer Kindheit? Leonardo, der tapfere Anführer, Michelangelo, der kindische Witzbold, Raphael, der Rebell und Donatello, der Bastler. Vormals einfache Schildkröten kommen sie mit einem Schleim in Berührung und verwandeln sich in jugendliche Mutanten-Ninja-Schildkröten. Wenn du als zehnjähriges Kind nicht dachtest, dass dies das neue von Gott verkündete Evangelium ist, wurdest du wahrscheinlich später Buchhalter oder hattest Nazi-Eltern, die dich nur Die Sendung mit der Maus anschauen ließen. Die Teenage Mutant Ninja Turtles waren die perfekte Unterhaltungsmaschinerie, mit der man zehnjährige am Samstagmorgen an den Fernseher fesselte und ihren Eltern jede Menge nutzlosen Plastiktand verkaufte. Aber ist dir bewusst, dass die Turtles nicht immer diese pizza-loving Party-Typen waren, die nebenbei die Welt vor Shredder und dem Technodrom retteten? Ich will dir ein Geheimnis verraten: Diese Schildkröten-Jungs haben eine dunkle Vergangenheit. Es ist 1984, Kevin Eastman und Peter Laird sitzen an einem Abend zu Hause und schauen fern. Weil wie gewohnt nichts Ordentliches läuft, kritzeln die beiden eine Schildkröte mit Nunchakus und Maske auf einen Zettel. Aus dieser Schnapsidee wird ein dunkler Independent-Comic mit einer Prise Satire. Im ersten Comic ziehen die nach vier Renaissancekünstlern benannten Turtles aus, um den Tod des Lehrers ihres Meisters zu rächen. Ihre Suche nach dem jetzt als Shredder bekannten Oroku Saki ist eine Geschichte über Liebe, Neid, verlorene Ehre, Rache und Gewalt und endet mit dem Tod von Shredder. Doch die Geschichte der Turtles sollte gerade erst beginnen.1987 kaufte Playmates Toys die Rechte an den Ninja Turtles, um sie als Kinderserie zum Vermarkten von Spielzeugfiguren zu benutzen. Das ist wahrscheinlich die Version von den Turtles, die du kennst. Den beliebten Slogan „Turtle Power“ haben sich nicht Eastman und Laird ausgedacht, sondern die Marketing Abteilung von Playmates Toys, damit Kinder ihre Eltern zum Kauf von Plastikfiguren nötigen. Den größten Shitstorm im Internet provozierte Bay unter den Turtles-Fans, als er zur Ankündigung des neuen Films sagte: „Diese Schildkröten stammen von einer außerirdischen Rasse ab.“ Angeblich sollte dies nach seiner Aussage die Glaubwürdigkeit des Films erhöhen. (Irgendwie braucht heute alles Aliens, Indiana Jones wurde dadurch ja auch besser und glaubwürdiger.) Die Hardcore-Fans fürchteten sogleich, dass sich der Titel des neuen Films in Teenage Alien Ninja Turtles ändern würde. Derzeit läuft das Projekt einfach unter dem Namen Ninja Turtles und Bay wies die Forderungen der Fans in seinem eigenen Forum damit zurück, sie „sollen mal durchatmen und chillen. Sie hätten das Skript nicht gelesen.“ Er versprach außerdem, dass sie trotz geändertem Titel ihre Teenager-Charaktere behalten würden. Doch Bay versprach den Fans bereits für den dritten Transformers-Film das Blaue vom Himmel. Der Film werde weniger Explosionen haben und sich mehr auf die Charaktere der vorhandenen Roboter konzentrieren, so seine Worte damals. Was wirklich passierte, zeigt uns die Grafik von Frankenhauser–ich würde mich nicht zu sehr auf die Aussagen von Bay verlassen. Die einzige Frage, die bleibt, ist, ob Michael Bay die Turtles eigentlich wirklich noch ruinieren kann, wenn dies scheinbar bereits 1987 passierte, als sie von „dark and gritty“ zu „funny and childfriendly“ wechselten, um Spielzeug für Playmates Toys zu verkaufen. Die baysche Erfolgsstory bleibt dabei dennoch der Indikator dafür, dass sich das Kino-Business in einem Teufelskreis befindet, aus dem es gibt kein Entkommen gibt. So wie der Spielzeugmarktkapitalismus von Playmates Toys folgt auch sie nur dem Ruf des Mammons. Was dies für die Ninja Turtles bedeutet, haben die Transformers bereits vorgelebt, da gibt es kein Leugnen mehr. Ich hoffe, lieber Leser, du bist dir bewusst, was du angerichtet hast, als du Transformers 3 im Kino gesehen hast? Du hast meine Kindheit ruiniert. Bays Produktionsfirma wird sich auch an dem, was von den Ninja Turtles übrig geblieben ist, vergehen. Der Film kommt 2013 ins Kino, also überzeugt euch selbst. Rest in Peace, meine lieben heldenhaften, jugendlichen Schildkröten. Die Jahre meiner Jugend waren schön, doch jetzt heißt es: Abschied nehmen. Im Namen aller Nerds da draußen gibt es wohl nur noch eines zu sagen: Fuck you, Michael Bay!