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Musik

Tender Tension

Lonelady lässt ihre Musik sprechen. Die spärlichen Informationen, die es bislang über Lonelady gibt, beschränken sich im Prinzip darauf, dass sie aus Manchester kommt, dass ihre Musik nach Manchester klingt und dass sie ihr Album in, na? … wo? … Genau, in Manchester aufgenommen hat.

Dass Julie Campbell (so heißt Lonelady mit bürgerlichem Namen) beim Hinwerfen irgendeines Stichwortes nicht augenblicklich vor Anekdoten aus ihrem Leben übersprudelt, liegt nicht daran, dass sie nichts zu sagen hat, sie sagt das nur eben lieber mit ihrer Musik. Sie sieht aus wie die Tilda Swinton des Postpunk und gewissermaßen klingen auch ihre Songs so wie Tilda Swinton klingen würde, wäre sie keine Schauspielerin, sondern Musik. Sehr geschmackvoll, ein wenig spröde und auf geheimnisvolle Weise sexy. Sie hat eine sehr sensible, selbstreflektierte und selbstproduzierte Variante von Postpunk voller Referenzen an Gang of Four, ESG oder Joy Division entworfen und veröffentlicht ihr Debütalbum in Kürze bei Warp Records.

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Vice: Berlin ist nicht neu für dich, oder?

Lonelady: Nein, ich habe hier schon gespielt, das war mit meiner anderen Band Stranger Son of WB. Ich habe mal ein paar Shows ins Europe organisiert und das führte dazu, dass wir auch in Berlin und Hamburg spielen konnten.

Wie alt bist du?

Ich bin 30.

Wie lange machst du schon Musik?

Seit 2005 in etwa. Ich kaufte mir irgendwann einen Vierspurrekorder und brachte ein paar Singles und CDRs raus, mit Artworks, die ich selber entwarf. Natürlich immer in sehr kleinen Auflagen, immer so ca. 50 Stück. Vorher habe ich Kunst studiert und ein paar andere Sachen gemacht. Ein Lyrikmagazin zum Beispiel, ich habe Ausstellungen organisiert und so was. Ich habe auch schon Musik gemacht, aber nicht sehr fokussiert.

Wann hast du deine erste Gitarre bekommen?

Da war ich 16. Ich habe eine gesehen und sie gekauft – zum Entsetzen meiner Eltern. Ich war sofort davon besessen und konnte nicht mehr aufhören. Du sagst in einem Songtext, dass du Anspannung brauchst.

Was genau macht dich denn angespannt?

Haha, ich denke einfach, dass es für einen kreativen Vorgang, also Songwriting oder Schreiben generell, notwendig ist, Zeit mit dir selbst zu verbringen. Ich sehe das eher als einen Prozess, der in dir vorgeht, du versuchst dich in eine gewisse Stimmung oder eben Anspannung zu versetzen. Die Anspannung kommt durch das Nachdenken.

Die äußeren Einflüsse sind weniger bedeutend? Es gibt nichts, das dich aufregt?

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Doch, natürlich, eine Menge. Politik, Religion, die News, die Leute um mich herum, meine Nachbarn, haha. Oder einfach die Tatsache, dass man sich irgendwie durchs Leben schlägt, versucht bedeutungsvolle Dinge zu tun, aber damit kein Geld verdient. Das erzeugt auch Anspannung.

Ich vermute mal, du bist ein Einzelkind?

Nein, ich habe einen älteren Bruder, er ist Autor. Klingt nach einer Künstlerfamilie … Naja, Kunst und Musik waren nie sehr präsent in unserer Familie. Ich habe als Kind nie ein Instrument gelernt, aber es hat mich immer interessiert. Kunst war immer mein Lieblingsfach in der Schule. Ich wusste, ich werde irgendetwas kreatives machen.

Gibt es denn irgendeine Szene, irgendein Phänomen, irgendeine Band, irgendein Label, bei dem du eine Verwandtschaft zu dir erkennst?

Das kann ich so nicht sagen. Ich lebe in Manchester, um von London einen gewissen Abstand zu haben und von all den Trends, die dort passieren. Aus verschiedenen Gründen. Meine langsame Internetverbindung zum Beispiel. Ich verfolge die aktuellen Bands einfach nicht. Natürlich kannst du diesen Dingen nicht komplett aus dem Weg gehen, aber ich beschäftige mich damit einfach nicht absichtlich.

Dann gibt es auch keine Band, die du aus tiefstem Herzen verabscheust?

Ich verabscheue eher die Art und Weise, wie Bands präsentiert werden, das mediale Drumherum. Alles muss lauter sein, muss schneller gehen. Gute Musik zu haben reicht nicht aus, du musst immer irgendein Gimmick, irgendein Image mitliefern. Für mich sieht das nach einem Mangel an Substanz aus.

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Du hast eine B-Seite namens „Bloedel“ …

Ja, ein The Fall-Cover. Eigentlich heißt es im Original „Hotel Bloedel“. Es gibt da wohl ein paar Referenzen zum Deutschen. Ich habe die Musik geändert, aber die Lyrics sind immer noch die selben.

Weißt du, welche Bedeutung „Bloedel“ noch im Deutschen hat?

Nein, welche?

Es bedeutet so viel wie „Goof“.

Ach echt? Das ist ja interessant. Very Mark E. Smith, nicht wahr?

Loneladys Debütalbum Nerve Up erscheint am 26.02. bei Warp Records.

Foto: Christoph Voy