Der Instagram-Account von diesem Typen lässt deinen alt aussehen

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Der Instagram-Account von diesem Typen lässt deinen alt aussehen

Teru Kuwayama hat mit seinem iPhone aus Kriegsgebieten berichtet, ist jetzt Fotochef bei Facebook und jetzt kommst du mit deinem Foodporn.

Teru Kuwayama wurde vor vier Monaten als „Photo Community Manager“ bei Facebook eingestellt. Was nicht unbedingt die Art von Job ist, die man mit einem Fotografen verbindet, der den Großteil seiner Laufbahn vor Kugeln in Afghanistan, Irak und Pakistan ausgewichen ist. 2002 hat er das journalistische Onlineforum Lightstalkers mit gegründet und 2010 ein Projekt namens Basetrack ins Leben gerufen, bei dem auf sozialen Medien über seine Zeit mit einem Bataillon Marinesoldaten berichtet. All dies zeugt von seinem Vertrauen in soziale Medien, die er als Spitze des derzeitigen Journalismus ansieht. Mit den Mitgliedern des Basetrack-Teams ist der frühere TED-Referent zu einem Pionier in Sachen iPhone-Fotografie in Kriegsgebieten geworden. Um mehr über dieses Thema und über Instagram-Bilder aus dem Weltraum zu erfahren, habe ich mich mit Teru unterhalten.

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Als Erstes sollte ich dir wahrscheinlich zu deinem neuen Job bei Facebook gratulieren!
Danke. Ich bin als Fotograf 20 Jahre lang ohne festen Job klargekommen, deshalb bin ich nicht ganz sicher, ob eine Anstellung wirklich etwas ist, für das man beglückwünscht werden sollte. Aber es ist auf jeden Fall eine interessante Sache. Ich bin kein domestiziertes Tier und es ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Es ist definitiv für beide Seiten ein Experiment.

Und wie läuft es?
[Facebook] ist ein schnelllebiges Unternehmen und die Dinge ändern sich rapide. Ich bin im Grunde eine Kontaktstelle, jemand, der mit der Fotografen-Community sprechen und ihr erklären kann, was das Unternehmen versucht und umgekehrt. Manchmal fühle ich mich ein bisschen wie die Leute, die im US-Militär "terp" genannt wurden, Dolmetscher, die zwischen Amerikanern und Afghanen vermitteln. Irgendwann wurde stattdessen der Begriff ,kultureller Berater‘ eingeführt, vielleicht ist der Ausdruck auch für mich passender.

Es gibt viele Fotografen, die Facebook nicht vertrauen. Am meisten Unmut erregt der Verlust von Bildrechten, downloadbaren Bildern und die Tatsache, dass Metadaten beim Hochladen automatisch gelöscht werden. Was sagst du dazu?
Man geht manchmal davon aus, dass Plattformen dazu da sind, dich zu nerven, aber das stimmt nicht. Manchmal sind sich die Leute am einen Ende nicht über die Anliegen bewusst. Am anderen Ende kann es komplexer sein, mit diesen Anliegen umzugehen, als man vermutet. Und manchmal gibt es sekundäre oder tertiäre Folgen, die die Leute nicht bedenken. Wenn du es mit einer Plattform zu tun hast, die von einer Milliarde Menschen genutzt wird. Diese so zu gestalten, dass sie für alle zu 100 Prozent zufriedenstellend ist, ist eine große Aufgabe. Und wenn du von „vielen Fotografen“ sprichst, dann beziehst du dich im Grunde auf professionelle Fotografen, die nur einen sehr kleinen Prozentsatz der Leute ausmachen, die Fotos auf Facebook hochladen. Wir neigen dazu, uns für die wichtigste Klasse der Fotografen zu halten, aber angesichts der Hundertmillionen Fotos, die jeden Tag hochgeladen werden, sind wir statistisch gesehen unbedeutend. Dennoch wird an vielen dieser Fragen gearbeitet. Zu der Sache mit den Metadaten kann ich im Moment nichts Genaueres sagen, aber es ist eine der Sachen, die in Bewegung sind und an der eine Menge Menschen arbeiten.

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Welche aufregenden Entwicklungen erwartest du für die Zukunft?
Ich denke noch immer, dass Fotografie und Bewegungsfotografie in diesen neuen Kurzvideoformaten zu einer interessanten Konvergenz gelangen können. Technologien wie Oculus Rift eröffnen im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Dimension der sinnlichen Wahrnehmung. Außerdem ist der wahrscheinlich wichtigste Aspekt zu beachten—der menschliche Anteil. Weltweit gehen immer mehr Menschen zum ersten Mal online und Bevölkerungsgruppen gewöhnen sich immer mehr daran, Technologie zu benutzen. Außerdem finde ich es interessant, dass in den sozialen Medien zur Zeit vieles nicht sofort sichtbar ist. Eine Menge der Kommunikation findet in Gruppen statt, so dass du jetzt viele Dinge, die früher vielleicht auf den Pinnwänden der Leute standen, nicht mehr siehst.

Entwickeln die Leute ein stärkeres Bewusstsein in Bezug auf den Datenschutz?
Ja, aber gleichzeitig wird es immer leichter, Personen oder Gruppen gezielter zu kontaktieren—was immer erstrebenswerter wird, da die Internetbevölkerung anwächst. Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen traditionellen und sozialen Medien. Es geht um die persönlichen Verbindungen zwischen Individuen und um den Zugang zum Social Graph. Die privaten Nachrichten-Apps werden immer differenzierter und zielgerichteter. Ich bin gespannt, ob sich daraus eine neue Form des Journalismus entwickelt. Ob ein Umbruch stattfindet, bei dem nicht mehr eine Nachricht an Millionen Menschen gesendet wird, sondern spezifische Nachrichten an Individuen. Wer weiß? Das ist das Faszinierende an meiner neuen Arbeit, so viel davon wird direkt vor meinen Augen entwickelt.

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Gibt es bestimmte Kontaktpersonen, die zu dir kommen, zum Beispiel Fotografen oder Institutionen? Wie läuft das ab?
Es gibt etliche Fotografen, Nachrichtenagenturen, Fotoagenturen und Kollektive oder den individuellen Fotografen, nenn es, wie du willst. Das ist mit das Interessanteste daran, als Kontaktpunkt für Fotografen zu arbeiten. Denn wer ist in diesem mobilen Zeitalter letzten Endes kein Fotograf?

Kannst du ein Paar deiner Lieblings-Accounts nennen, denen du auf Instagram folgst?
Einer der interessantesten Instagram-Accounts, denen ich folge, ist der von der NASA. Es gibt Instagram im Weltall, im wahrsten Sinne des Wortes! Ein anderer großartiger Account ist der der TSA (US-Transportsicherheitsbehörde), mit Bildern von Dingen, die an Flughäfen beschlagnahmt worden sind. Außerdem der Account von Asim Rafiqui, der im Grunde ein Familienalbum mit Porträts von Verwandten von Häftlingen in Bagram ist. Das ist weit von dem Stereotyp entfernt, dass das Internet nur eine Sammlung von Katzen und Cappuccinos sei. Es ist ein starkes Beispiel dafür, wofür eine Plattform genutzt werden kann.

Welchen Einfluss haben Facebook und seine Plattform deiner Meinung nach auf Journalismus?
Was ist überhaupt mit Journalismus gemeint? Wir verbinden den Journalismus im emphatischen Sinne mit einem formellen Konzept aus der Ära der Zeitung, fast mit einer Ästhetik, wie Menschen sprechen oder kommunizieren. Was auf vielen Social-Media-Plattformen stattfindet, ist jedoch die fundamentalste Form des Journalismus, die man sich vorstellen kann. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes Individuen, die ihre Gedanken und Erfahrungen teilen.  Ein interessantes Potenzial von sozialen Medien besteht darin, dass Individuen die Möglichkeit bekommen, ihre Geschichten zu erzählen und sie selbstständig zu kommunizieren, ohne dass sie durch den Filter eines sogenannten professionellen Journalisten oder einer Agentur gehen. Das ist eine Vorstellung, die viele professionelle Journalisten und Agenturen beunruhigt.

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Aber es wird immer ein Bedürfnis nach professionellen Journalisten geben …
Es gibt zweifellos ein Bedürfnis nach den Kernkonzepten der Ethik, der Ehrlichkeit, der Genauigkeit und der Transparenz. Aber ich denke, wir machen uns etwas vor, wenn wir sagen, dass Zeitungen und Journalismus-Schulen diese Konzepte durch ihre bloße Existenz verbreiten. Ebenso wichtig ist es, dass jeder Einzelne die Denkweise übernimmt, die wir mit professionellen Journalisten verbinden. Dass jeder Informationen analysiert und sich fragt, ob diese Informationen wahr sind. Dass man nach Vergleichen und anderen Perspektiven sucht. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Blogs von  Nachrichtenagenturen als interessante Quellen von Meinungen und Informationen betrachtet, die kontextualisiert und als Übergänge benutzt werden können. Mittlerweile nehmen Leute Nachrichtenagenturen in dieser Weise wahr, denke ich. Die Leute erkennen, dass die verschiedenen Nachrichtenagenturen bestimmte Standpunkte haben, auch wenn sie sich vielleicht als fair, ausgewogen oder neutral bezeichnen.

War das ein Grund dafür, dass du Basetrack gestartet hast?
Basetrack ist schon ein paar Jahre alt, aber eine Sache hat sich nicht geändert: Amerika befindet sich in dem längsten Krieg seiner Geschichte und trotzdem ist es so, dass Amerikaner nichts über Afghanistan wissen. Sie können sich nicht mit den Zielen, die wir erreichen wollen, identifizieren bzw. sie nicht artikulieren. Das Team von Basetrack und mich hat die Frage interessiert, ob es eine Alternative zu unserer traditionellen Herangehensweise gibt. Deshalb haben wir das Experiment gestartet und haben begonnen, unsere eigenen Herausgeber zu sein. Wir waren alle gewöhnt, für etablierte Nachrichtenkanäle zu arbeiten, die Millionen Menschen erreichten, haben uns dann aber auf ein paar Tausend Familienmitglieder im Umkreis des Marine-Bataillon gerichtet. Es war jedoch eine der intensivsten Erfahrungen, die wir je in Sachen Engagement gemacht haben, wir wurden ständig von Leuten kontaktiert. Ich erinnere mich daran, dass wir einmal an einem kleinen Stützpunkt auftauchten und eine Packung Kekse vorfanden, die uns die Mutter eines Marinesoldaten aus North Carolina geschickt hatte. Das ist uns bei Nachrichtenmagazinen nicht passiert.

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All das wurde durch iPhones und die technologische Entwicklung ermöglicht, durch die Fotojournalisten ihre Ausrüstung in einer Hand tragen können. Wann hast du angefangen, mit iPhones zu fotografieren?
Das Basetrack-Projekt war das erste Mal, dass wir iPhones als Kameras benutzt haben. Am Ende haben wir alle nur noch iPhones benutzt, weil sie so praktisch sind. Sie sind klein, durch das Touchscreen-Interface sind sie erstaunlich staubgeschützt und sie machen gute Bilder. Es gibt eine Bandbreite an Apps, die auf den Geräten installiert sind, und ich finde es toll, dass jetzt jeder in der Lage ist, seine Bilder zu bearbeiten. Jeder hat eine Dunkelkammer in der Tasche und eine Plattform, auf der er Bilder veröffentlichen kann. Das ist ziemlich bemerkenswert. Es hat den Lernprozess so sehr beschleunigt, dass Leute viel schneller Fortschritte machen. Ich denke, es ist im Grunde die erste wirklich praktische Digitalkamera. Es kann zum ersten Mal wirklich von „Point and Shoot“ die Rede sein.

Hast du dein iPhone irgendwie modifiziert?
Das Telefon, mit dem ich gerade telefoniere, habe ich auch in Afghanistan benutzt. Es hat eine Schutzhülle, die von Balazs and Peter Gardi vom Basetrack-Projekt entworfen wurde. Sie heißt Strikecase.

Worin bestand die größte Schwierigkeit, unter diesen Bedingungen mit einem iPhone zu fotografieren?
Ehrlich gesagt, hatte ich nicht allzu viele Schwierigkeiten damit. Meine Sichtweise ist wahrscheinlich nicht repräsentativ, da ich vorher mit Polaroids, Holgas und einer Panoramakamera namens Widelux gearbeitet habe. Das sind altmodische, manuelle Kameras mit vielen technischen Einschränkungen. Im Vergleich dazu ist das Handy eine der ausgeklügeltsten Kameras, die ich jemals benutzt habe.

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Welches der iPhone-Bilder, die du in Afghanistan gemacht hast, ist für dich am bedeutendsten?
Das Truthahn-Bild. Als die Stadt von Aufständischen befreit werden sollte, hat eine Marineeinheit das Gelände genutzt, um Scharfschützen zu positionieren und Gefangene festzuhalten, die in der Gegend aufgegriffen wurden. Ich denke, dass das Bild für mich am meisten hervorsticht, da es auf dem Höhepunkt der Aufstandsbekämpfung in Afghanistan geschossen wurde. Der Vorgang wurde damals als „Annäherung über das Herz und den Verstand“ beschrieben. Die einheimische Bevölkerung sollte überzeugt werden, die lokale Regierung zu unterstützen. Dieser Kreislauf wiederholte sich ständig, Leute wurden festgehalten, ihnen wurden Tüten über den Kopf gestülpt und ihre Häuser wurden von fremden Streitkräften besetzt. Vielen wurde das Herz gebrochen und viele haben den Verstand verloren.